Soraya heißt eigentlich nicht ­Soraya. Diesen Namen hat sich die 23-jährige gebürtige Münchnerin zugelegt, seit sie und ihr Fall durch die Presse geistern. Ihr wirklicher Name ist tabu. Das Model will sich schützen, denn eine Geschichte wie die ihre ist gefundenes Fressen für den Boulevard: vergewaltigt von einem arabischen Scheich auf einer Luxusyacht im Hafen von Ibiza. Sie möchte nicht mit der Zeitung sprechen. Doch ihre Mutter Susana meldet sich bei der MZ.

Ihre Geschichte geht so: Anfang August 2008 fällt Soraya, die Tochter eines Deutschen und einer Spanierin, im Hafen von Ibiza einem Chauffeur der saudischen Königsfamilie auf. Sie wartet dort gerade auf die Ankunft ihrer Mutter und ihrer zwei Geschwister, mit denen sie auf Ibiza Urlaub machen will. Zur gleichen Zeit statten Mitglieder der saudischen Königsfamilie der Insel einen Besuch ab. Sie haben die Luxusyacht „Turama" gemietet. Etwa 90.000 Euro kostet die Charter des 117-Meter-Schiffes – pro Tag.

Soraya bleibt mit den Saudis in Kontakt, lernt auch zwei etwa gleichaltrige Frauen der Königsfamilie kennen. Am 11. August verabredet sie sich mit den beiden und Chauffeur zum Ausgehen. In der Nobeldiscothek „El Divino" werden sie in die VIP-Area eingeladen. Dort sitzen noch andere Saudis.

„Die ganze Sache war vorher geplant", sagt ihre Mutter. „Der Chauffeur war auf sie angesetzt und sollte sie aufs Schiff bringen." Soraya trinkt einen Wodka Red Bull. Nach kurzer Zeit wird ihr schwindlig. Sie will gehen, fühlt sich sehr elend. Zusammen mit den jungen Araberinnen steigt sie in ein Auto, das sie zur „Turama" bringt. An Bord feiern die Scheichs eine Orgie. Es gibt Kokain, die Frauen sind nackt.

Dann, so erzählt die Mutter, habe Soraya kurz das Bewusstsein verloren. Sie vermutet, dass in ihrem Drink eine Art K.o.-Tropfen waren. „Plötzlich lag ein Mann auf ihr, der sie geküsst und vergewaltigt hat. Sie weiß nicht mehr genau, ob es einer oder mehrere waren."

Als sich Soraya der Situation bewusst wird, rennt sie zur Tür. Sie zittert vor Angst. „Überall waren aber Bodyguards, die sie nicht vom Schiff ließen. Soraya geriet in Panik." Bevor sie an Land gehen darf, wird ihr eingeschärft, dass sie niemandem von den Geschehnissen an Bord erzählen soll.

Trotz der Drohungen geht Soraya mit ihrer Mutter morgens am 14. August zur Polizei. Es werden DNA- und Urin-Proben genommen. Bei der Analyse stellte sich heraus, dass sich im Körper der jungen Frau noch Reste von Sperma und Betäubungsmitteln befinden. Auf einem Youtube-Video erkennt Soraya später Scheich Al-Waleed bin Talal als einen ihrer Peiniger. Sein geschätztes Vermögen: über 14 Milliarden Euro.

Obwohl die „Turama" noch im Hafen von Ibiza liegt, wagt sich kein Polizist auf das Schiff. Der Anwalt von Soraya, Max Turiel, hält das im Gespräch mit der MZ für eine schwere Verfehlung: „Die Polizei war davon ausgegangen, dass das Schiff diplomatische Immunität genießt. Dass dem nicht so ist, hätte man sehr einfach herausfinden können." Auch wäre es ein Leichtes gewesen, die Mitglieder der Familie bei Landgängen zu befragen. Nichts von alledem sei geschehen. Auch Sorayas Kleidungsstücke aus der besagten Nacht harren seither einer Analyse.

Im Juli 2010 legen die Untersuchungsrichter auf Ibiza den Fall zu den Akten. Im Mai 2011 eröffnet das balearische Oberlandesgericht das Verfahren erneut, und ermahnt die ibizenkischen Kollegen, dass genügend Indizien für eine Vergewaltigung vorlägen. Die Anwälte von Soraya wollen nun eine Aussage von Scheich Al-Waleed bin Talal vor Gericht erwirken. Große Hoffnungen machen sie sich aber nicht. Der Scheich werde kaum dazu bereit sein, geschweige denn eine DNA-Probe abgeben, so Turiel. „Im Normalfall gäbe es Möglichkeiten, so etwas zu erzwingen, aber bei einem Scheich ist das etwas komplizierter."

Al-Waleed bin Talal streitet laut der Tageszeitung „El País" alle Anschuldigungen ab und hat eine Reihe von Dokumenten mit unterschriebenen Zeugenaussagen vorgelegt, die beweisen sollen, dass er sich in der Nacht vom 11. bis zum 12. August 2008 in Cannes aufhielt.

Die Familie von Soraya und die Anwälte sind überzeugt davon, dass die spanischen Behörden Angst vor dem Einfluss der saudischen Königsfamilie haben. Das Model fühlt sich von der Justiz nicht ernst genommen. Die Mutter sagt: „Man kann doch nicht einen Prinzen anders behandeln als einen Anstreicher. Wenn er Unrecht begangen hat, muss er sich dafür verantworten." Der Anwalt stellt sich schon auf einen langen Prozess ein.

Sorayas Vater lebt in Augsburg. Auch dort hat sie inzwischen bei der Polizei Anzeige gestellt, die den Fall an die Staatsanwaltschaft weitergegeben hat. Ermitteln können die deutschen Behörden in diesem Fall aber nicht, sie verweisen an die spanischen Behörden.

Die Familie hat das Vertrauen in die spanische Justiz verloren. Ihre Mutter sagt, dass die 23-Jährige seit der besagten Nacht immer wieder von Panik-Attacken heimgesucht wird. „Sie kann nicht mehr im Bett schlafen. Sie muss sich auf ein Sofa oder auf den Boden legen. Manchmal fängt sie plötzlich an zu weinen und zu zittern." Dennoch will sie weiterkämpfen, bis zum Ende. Auch, um anderen Mädchen Mut zu machen. „Soraya ist ein sehr tapferes Mädchen", sagt ihre Mutter. „Sie verliert nicht den Kampfgeist."

Beruflich hat das Model weiterhin Erfolg, wird gebucht. „In ihrem Business weiß niemand, was ihr widerfahren ist", sagt ihre Mutter. Auf ihrer Facebook-Seite hat Soraya viele Fotos von ihren Shootings hochgeladen. Meist schaut sie kühl und ein wenig abweisend in die Kamera. „Sie ist so ein liebes Mädchen, das nicht mit so bösen Menschen gerechnet hat", sagt ihre Mutter.

Die Anwälte von Soraya haben auf Twitter ein Konto eingerichtet, unter dem auch Hinweise entgegengenommen werden. Die Adresse: @turielbeloqui

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