Toni Barceló ist einer dieser jungen ehrgeizigen und energiegeladenen Uni-Absolventen, von denen man glaubt, Unternehmen müssten sich um ihn reißen. Er denkt schnell, hat viele Ideen im Kopf, will im Leben etwas erreichen. Außerdem studierte er nicht irgendeine brotlose Kunst: Toni ist Ingenieur und hat sich mit einem Master auf erneuerbare Energien spezialisiert.

Wenn er erzählt, auf wie vielen Wegen er versucht hat, einen Platz im Berufsleben zu finden, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Toni (28) liebt seine Heimat, er wollte sich auf Mallorca eine Existenz aufbauen. Zwei Jahre lang gab er alles. Aber er kam auf keinen grünen Zweig. „Irgendwann war ich wirklich verzweifelt."

Dann fuhr er im Dezember drei Wochen nach Deutschland und bekam quasi im Handumdrehen einen Vertrag als Koordinator eines internationalen Forschungsprojekts. Ein steiler Karrierestart. „Ich werde viele Unternehmen und Leute kennenlernen. Und kann außerdem meinen Doktor machen." Am 6. Februar fängt er an der Universität Lüneburg an.

Das ist die Kurzversion seiner Geschichte. Ein Happy End für Toni und für Deutschland. Ein Drama für Mallorca. Die Insel hat nun einen gescheiten Kopf weniger. Und Toni ist nicht der Einzige, der die Zelte abbricht. Seine Freundin Elena, ebenfalls Ingenieurin ohne Job, kommt mit. Einer von Tonis Freunden ist vor kurzem nach Köln gezogen.

Viele gut ausgebildete Spanier verlassen das Land, viele in Richtung Deutschland. Ein gewaltiger Brain-Drain hat Spanien erfasst. Es ist nicht unbedingt das Emigranten-Schicksal der 60er Jahre. Die Exilanten kommen nicht in der Baracke neben der Fabrik unter, sondern in WG-Zimmern. Sie stehen nicht am Band, sondern setzen sich an einen Schreibtisch. Abenteuerlust, Freude an Erfahrungen und Neugier auf Sprachen und Kulturen spielen auch eine Rolle. Auslands-erfahrung kann sich im Lebenslauf ja nicht schlecht machen.

Toni ist einfach nur froh, dass nun endlich etwas losgeht, das ihn weiterbringen wird. „Es ist ein Riesengeschenk für mich." Eigentlich hätte er schon vor zwei Jahren eine Promotion an der Universität Lüneburg beginnen können. Damals hatte er nach seinem Studium in Girona über das Austauschprogramm IAESTE zwei Monate an einem Forschungsprojekt in Nanotechnologie an der Hochschule in Norddeutschland mitgearbeitet. „Es gefiel mir und man machte mir ein gutes Angebot."

Aber Toni zog es zurück nach Spanien, zu seiner Freundin, seiner Familie. Außerdem winkte ihm eine interessante Stelle beim Bau des Kongresspalasts in Palma. „Nach dem Vorstellungsgespräch sagten sie mir mündlich zu. Anfang 2010 sollte ich beginnen, für 2.000 Euro netto im Monat. Ich war begeistert."

Doch danach ließ das Unternehmen nichts mehr von sich hören. Toni fing als Selbstständiger bei einem Ingenieurbüro in Palma an und bot Hotels Beratungen zur Reduzierung ihres Energiebedarfs an. In eineinhalb Jahren erreichte er sechs Abschlüsse. „Die meisten über Kontakte. Ich hab mich angestrengt. Aber wenn dann mal jemand interessiert war, wollte er immer den Preis bis zum Geht-nicht-mehr drücken."

Nebenbei fing er an, Elektroräder zu vertreiben und wollte die Vehikel weiterentwickeln. „Aber auch das funktionierte nicht richtig." Schließlich fand er Kontakt zu einer Spin-off-Firma im ParcBit, die mit Solarspeichern arbeitet. Doch Geld für eine Anstellung gab es nicht.

Mit Informatikern, die er in dem Technologiepark kennengelernt hatte, entwickelte er ein Programm für Hotels und Geschäfte zur Nutzung von Elektrorädern. „Aber das interessierte auch niemanden." Toni gründete mit einem Kollegen eine eigene Firma, die Umweltberatungen anbot. Im vergangenen Sommer führte diese in drei Inselgemeinden Energieanalysen durch, die von der EU subventioniert wurden. „Zwei haben bis heute nicht bezahlt."

Als ihn die Universität Lüneburg im Winter ihn zu einem Kurz-Forschungsaufenthalt einlud, beschloss Toni, seine Chance zu nutzen und dort nach einem Job zu suchen. Er bewarb sich bei großen Firmen, sprach mit Professoren. Und hatte nach drei Wochen zwei Angebote.

„Deutschland ist das ideale Land für Ingenieure", sagt Toni. Jetzt macht er einen Deutsch-Intensiv-Kurs bei Dialog. „Dort sind wir insgesamt fünf, vier davon wollen nach Deutschland gehen." Am Samstag (28.1.) feierte er seine Abschiedsparty unter dem Motto „Vente a Alemania, Pepe", dem Titel eines bekannten Films von 1971 über einen spanischen Arbeitsimmigranten in Deutschland. Das findet Toni lustig. „Jetzt wiederholt sich die Geschichte, aber diesmal mit Akademikern."

Doch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Toni beklagt, dass es auf Mallorca keine Möglichkeiten für Leute wie ihn gibt. „Hier denken die Politiker immer nur an Tourismus, in Forschung wird nichts investiert." Deswegen muss sich Toni, der Mallorquiner mit Leib und Seele ist, nun auch andere Hobbys suchen. „Ich tanze Boleros und mache bei einer dimoni-Gruppe mit, ich mache selbst Hierbas und Sobrassada, ich gehe zum Wandern in die Tramuntana, ich liebe es, zum Fischen rauszufahren. Das alles werde ich jetzt vermissen."

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 2. Februar (Nummer 613) lesen Sie außerdem:

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