Er hat nicht mehr viel Zeit. Spätestens bis zum 28. September muss Boris Becker zahlen. An diesem Tag um elf Uhr soll seine Mallorca-Finca im Amtsgericht Nr. 6 in Palma unter den Hammer kommen. Wenn er nicht vorher seine Schulden in Höhe von 276.162 Euro bei der Gartenbaufirma Jardines Alfabia, zuzüglich Gerichtskosten und Zinsen, begleicht. In Palma wird davon ausgegangen, dass er das tun wird. Boris Becker hat es so angekündigt, und es fällt schwer, sich vorzustellen, dass er seine 8,5-­Millionen-Euro-Villa tatsächlich verlieren könnte.

Andererseits ist schon viel geschehen, seit der Ex-Tennisstar 1997 seine Insel-Immobilie kaufte. Ein Flop folgte dem nächsten. Becker (44) machte sich mehrmals mit Bauvergehen unbeliebt, musste Bußgelder bezahlen, stritt sich mit mehreren Auftragnehmern um deren Bezahlung vor Gericht und wurde, obwohl verkaufswillig, den abseits gelegenen Luxus-Landsitz bei Artà nicht mehr los.

Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten, in dem mittlerweile 15 Jahre andauernden Drama. Die Probleme füllen die Aktenordner vieler Anwälte und Journalisten. Am Ende fragt man sich nur noch, wie um Himmels willen es nur so weit kommen konnte. Ist Boris Becker der größte Pechvogel Mallorcas oder hätte man die peinlich wirkende Malaise locker vermeiden können?

Leute, die Boris Becker kennen, sein Finca-Drama aus der Nähe verfolgen und die auch über die Gegebenheiten der Insel sehr gut Bescheid wissen, widersprechen sich in ihren Interpretationen. Doch zumindest was die jüngsten Prozesse angeht - das Urteil zu Gunsten der Gartenbaufirma Jardines Alfabia, das schließlich zur geplanten Zwangsversteigerung führte, sowie die Niederlage gegen die Baufirma Melchor Mascaró - sind sich die Beobachter einig, dass diese im Vorfeld hätten abgewendet werden können. „Boris Becker hat katastrophal schlechtes Krisenmanagement betrieben. Die Probleme mit der Garten- und der Baufirma hätte man schneller, leiser und eleganter lösen können. Die jetzige Entwicklung war klar vorhersehbar", meint ein Anwalt, der ihn gut kennt.

Als die beiden Firmen anfingen, ihre Forderungen gerichtlich einzutreiben, hätte man auf jegliche ­Gegenoffensive von vornherein verzichten können. Darin sind sich mehrere befragte Juristen einig. Becker habe keinerlei Aussicht gehabt, die beiden Verfahren zu gewinnen. Als Inhaber des Geländes könne er nicht die Verantwortung dafür, was darauf geschieht, auf andere abwälzen. Warum er sich trotzdem auf den Rechtsstreit eingelassen hat, erklären sich die Insider mit Beckers ­„Beratungsresistenz" und „Selbstüberschätzung". „Diese Leute haben wegen ihres Status´ die Einstellung, bei ihnen kann nichts schiefgehen", meint einer, der es wissen muss.

Ein anderer Becker-Kenner, der nicht mit Namen genannt werden will, glaubt, dass der Konflikt mit einem Gärtnerei-Betrieb, wie ihn auch viele andere wohlhabende deutsche Mallorca-Immobilienbesitzer beschäftigen, gar nicht erst hätte entstehen dürfen. Jemand hätte überwachen müssen, wer, wann, wie lange und zu welchem Zweck auf dem Grundstück tätig war, ob die Arbeiten von Becker autorisiert waren und dementsprechend bezahlt werden sollten oder nicht. Um diesen Punkt ging es bei den Gerichtsverhandlungen, bei denen Beckers Betreibergesellschaft der Finca, „Goatbridge", argumentierte, Immobilienunternehmer Matthias Kühn habe die Firmen beauftragt und bezahlen wollen. Eine Kontrollinstanz vor Ort gab es nicht. Auf „Son Coll" lebt zwar ein ­mallorquinisches Bauernpaar, das aber nicht mit größeren Befugnissen ausgestattet ist. Der offizielle Verwalter ist Beckers langjähriger Physiotherapeut Waldemar Kliesing und dieser wohnt weit weg, in Aachen.

Doch schon von Beginn an gestaltete sich Beckers Finca-Traum, den er einst mit seiner ersten Frau Barbara verwirklichen wollte, als Desaster. Ausgerechnet Artà, weit weg vom übrigen deutschen Jetset im Südwesten und Ende der 90er Jahre ein Hort der Deutschen-Ressentiments, hatte er sich dafür ausgesucht. Sein Bauvorhaben überstieg um fast die Hälfte die erlaubte bebaubare Fläche. Offensichtlich hatte Beckers Baufirma Status Artà SL sowie auch die Bauabteilung der Gemeinde auf einen riskanten Deal für eine Ausnahmegenehmigung gesetzt, die schließlich platzte. Im Jahr 2003 musste ein großer Teil wieder abgerissen werden.

„Son Coll" bestand beim Kauf aus acht einzelnen Parzellen, die eigentlich für Einfamilienhäuser vorgesehen waren. Becker legte einige davon zusammen, um so eine einzige größere Immobilie bauen zu können. Dazu wäre jedoch eine Änderung der Bauvorschriften in Artà notwendig gewesen.

Zunächst sah es auch ganz danach aus, als ob diese Änderung möglich wäre. In Artàs Gemeinderat wollte nur der Vertreter der Grünen, Julen Adrian (54), die „skandalöse Vorzugsbehandlung" unbedingt verhindern. „Ich glaube, in der Gemeinde hatten sie Becker glauben lassen, dass die Änderung eine reine Formsache ist. Und in der Bauabteilung herrschte furchtbares Chaos. Sie werden ihm gesagt haben: Mach Dir keine Sorgen. Da passiert nichts", sagt der frühere Stadtrat. Doch was man in Artà offenbar nicht bedacht hatte, war die notwendige Billigung des ­Inselrats als Aufsichtsbehörde.

Und an diesem Punkt verdarb sich Becker mit einem sehr durchschaubaren öffentlichen Treffen mit Inselratspräsidentin Maria Antònia Munar selbst den Plan. Der deutsche Prominente wollte die Politikerin für sein Vorhaben gewinnen. Offiziell ging es um den Aufbau einer Tennisschule, doch ganz Mallorca wusste, was wirklich besprochen wurde.

Zu der plumpen Strategie hatte ihm offenbar einer seiner Anwälte geraten. Sie ging nicht auf. Der ­Inselrat stimmte gegen die Änderung der Bauvorschriften in Artà.

„Wenn Becker seine Karten nicht so schlecht ausgespielt hätte, ­wäre es sicherlich zu seinen Gunsten ausgegangen", meint Julen Adrian rückblickend. Immerhin gab es in der Gemeinde jede Menge Bauvergehen, deren Urhebern allenfalls eine niedrige Geldstrafe aufgebrummt wurde. Nicht so bei Boris Becker, der 2004 schließlich 214.000 Euro zahlen musste. Und der nun, fast zehn Jahre später, von einem Gericht dazu gezwungen wird, noch einmal mehrere hunderttausend ­Euro auf den Tisch zu legen.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 13. September (Nummer 645) lesen Sie außerdem:

- Nachruf auf Birgit Schebsdau

- Joanna Hegemann, Karikaturistin aus Leidenschaft

Hier geht's zum E-Papier: epaper.mallorcazeitung.es.