Fast so motiviert wie am ersten Schultag, die nagelneuen Lehrbücher unterm Arm, macht man sich auf den Weg zur ersten Katalanisch­stunde. Die schmeichelnden Worte des mallorquinischen Bekannten noch im Ohr - „finde ich ganz toll, dass du das machst" - betritt man das spartanische Klassenzimmer mit den wackeligen Holztischen. Und während man sich in Gedanken schon ausmalt, wie man bald mit der einheimischen Bevölkerung parlieren wird, holt einen ein empörter Aufschrei in die Realität zurück: „Wie bitte? Du lebst seit elf Jahren auf Mallorca und kannst immer noch kein Katalanisch?", echauffiert sich der ältere Herr namens Teodor, der sich soeben als Lehrer präsentiert hat. Die Kolumbianerin, an die die entsetzten Worte adressiert sind, zuckt zusammen. 20 Augenpaare starren abwechselnd in ihr und in Teodors Gesicht. „Das kann ja heiter werden", sagt der Banknachbar am Ende der ersten 120 Minuten.

Es wird eine Qual. Frontalunterricht, einfältige Grammatikübungen, oberlehrerhafte Erklärungen - und dazu die ständigen Sticheleien gegen Festland-Spanier und die spanische Sprache - lassen den Sprachkurs des Institut d´Estudis Baleàrics zur Geduldsprobe werden. Nach nicht einmal zwei Monaten ist das persönliche Kapitel „Katalanisch lernen" abgehakt, die fast unbenutzten Bücher verstauben im Schrank.

Ein Einzelschicksal? Eher nicht. Die Schilderungen - egal ob von Deutschen, anderen Europäern oder Spaniern - ähneln sich. Ein Bekannter hängte seinen Sprachkurs schon nach ein paar Wochen an den Nagel. Stundenlang habe man Familien­konstellationen, ­Hobbys oder Adressen durchgenommen. „Das war mir zu kindisch. Ich habe da nichts gelernt." Eine Kollegin jammerte, dass der Lehrer Katalanisch und das - durchaus abweichende - Mallorquinisch munter durcheinanderwürfelte, was gleichermaßen für Verwirrung und Verzweiflung sorgte. Wobei man im zuständigen Kultusministerium darauf verweist, dass in allen offiziellen Kursen ausschließlich „Standard-Katalanisch" unterrichtet werde. Und eine Klage ist so gut wie immer zu hören: „Man hat einfach keine Gelegenheit zum Sprechen."

Dabei ist die Nachfrage nach den von der Landesregierung geförderten Kursen auch unter Ausländern vorhanden. 2012 haben sich allein am Institut d´Estudis Baleàrics knapp 400 Personen eingeschrieben - darunter gerade mal acht Spanier, aber immerhin 22 Deutsche. Daneben bieten die öffentlichen Sprachschulen sowie viele Gemeinden eigene Kurse an. Daten, wie viele Teilnehmer überhaupt die erste Stufe A1 abschließen, gibt es nicht - zumindest sind sie nicht für die Öffentlichkeit gedacht.

Wer selbst einmal mitgemacht hat, weiß aber, dass die Reihen von Woche zu Woche lichter werden. „Das ist ganz normal in Erwachsenen­kursen", sagt María Pilar Lopez von der Abteilung für Katalanischunterricht am Institut d´Estudis Baleàrics. „Das ist auch bei allen anderen Sprachen so."

Kein Wunder, würde José del Pino, Angestellter im Rathaus Calvià, sagen. „Die Sprachkurse hier laufen alle nach demselben System ab. Und das hat sich seit 30 Jahren nicht geändert." „Die müssten mal eine Evaluation machen, dann würde rauskommen, dass die Leute dort nicht sprechen lernen", sagt der aus Andalusien stammende Wahlmallorquiner.

Ramón Bassa, Professor für Didaktik an der Balearen-Universität (UIB), widerspricht dem nicht: Die öffentlichen Kurse seien wenig anregend, Konversation und Austausch - Fehlanzeige. Das große Manko ist in seinen Augen, dass die Lehrer, die zwar alle ausgebildete Philologen sind, sich kaum weiterbilden.

José del Pino biss sich dennoch tapfer durch vier Kurse, bis zu Stufe B2. Als Angestellter im öffentlichen Dienst blieb ihm auch keine andere Wahl. Denn Katalanischkenntnisse waren noch bis zum Vorjahr verpflichtend, um an einen Job in der Verwaltung zu gelangen. Und je höher man die Karriereleiter empor klettern wollte, desto besser mussten sie sein.

Katalanischlernen ist auf ­Mallorca allerdings nicht nur eine Weiterbildungsmaßnahme, sondern vor allem ein Politikum. „Viele Lehrer sind zu radikal", sagt José del Pino. Sie vermischten viel zu oft Unterricht und Politik. Dass viele es penibel vermeiden, auch nur ein Wort Spanisch zu sprechen, sei aus didaktischer Sicht sicherlich nicht verkehrt. „Aber nicht wenige machen es aus ideologischer Überzeugung, und das ist schlecht."

Wobei das Prinzip der Immersion an sich, also quasi das Eintauchen in eine Sprache, Ramón Bassa zufolge der Schlüssel zum Erfolg ist: „Man lernt eine Sprache nur, wenn man nichts anderes hört und sie anwenden muss, sonst ist es wie mit Latein."

Dass viele schnell die Lust an den Kursen verlieren, könnte laut Christina Seyl, Deutschlehrerin an der Escuela de Idiomas, noch eine andere Ursache haben: Es werde nicht unterschieden zwischen Katalanisch als Fremdsprache und Katalanisch für Einheimische, die zwar oftmals fließend sprechen, aber die Schriftsprache nicht beherrschen. Dabei seien Didaktik und Zielsetzung eine ganz andere: Ein Mallorquiner, der die Zertifikate braucht, um im öffentlichen Dienst zu arbeiten, müsse vor allem korrekte Schreib- und Ausdrucksweise üben. „Wir Ausländer dagegen wollen reden lernen, um uns mit den Einheimischen zu verständigen."

Aber wer wird denn gleich kapitulieren? Ganz aussichtslos ist die Sache schließlich trotzdem nicht. Es gebe durchaus Deutsche, berichtet Seyl, die perfekt Katalanisch oder Mallorquinisch gelernt hätten. „Etwa die, die auf den Dörfern leben, wo nichts anderes gesprochen wird." Auch ein Sprachtandem könne eine sinnvolle Alternative zu einem Kurs der Landesregierung sein. Und dann ist da noch der Tipp von José del Pino: „Das beste ist, du suchst dir eine Mallorquinerin als Freundin." Das sei mit Abstand die angenehmste Weise, die Sprache zu lernen.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 24. Januar (Nummer 664) lesen Sie außerdem:

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