679 Euro für eine Woche Mallorca all-inclusive samt Flug - und noch dazu die szenebekannten Stars und Sternchen, die sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch ganz privat am Pool tummeln: Diesem verlockenden Angebot der „U104-Schlagerreise" können wahre Anhänger des eingängigen deutschen Liedgutes nur schwer widerstehen. Und so bevölkern die 1.200 Teilnehmer des Events seit Dienstag (29.4.) das Iberostar Cala Barca bei Santanyí - und sind schon am Tag der Anreise in prächtiger Stimmung.

Was, da muss man ehrlich sein, nicht ausschließlich an den Wodka Tonics, Bierchen und hauseigenen Iberostar-Cocktails liegt. Sondern auch an diesem ganz besonderen Gruppengefühl. Und natürlich an der Vorfreude, die lange verehrten Idole eine ganze Woche lang live und in Farbe erleben zu dürfen.

Organisator Klaus Densow ist selbst seit 28 Jahren als Schlager­sänger unterwegs und weiß, was seine Pappenheimer mögen. „Das Paket stimmt einfach, die Künstler sind hautnah dabei, man isst und feiert zusammen", erklärt der 52-Jährige, der auf seiner ersten Schlagerreise 2009 gerade mal 120 Leute dabei hatte - und in diesem Jahr zehnmal so viele Gäste chauffiert, begrüßt und unterbringt. Schon klingelt sein Handy wieder, und er muss los, noch mehr Schlager­fans am Flughafen abholen.

Es sind Gruppen wie der Kegel­club aus Velbert, dessen zwölf Mitglieder - im eigens angefertigten mintgrünen Motto-Shirt („Die neun Vollen sind dabei!") - nach der anstrengenden Anreise im überbuchten Flieger und fünf Stunden Verspätung erstmal auf der Terrasse über dem Pool entspannen. Die dringendste Frage einer der Kegelschwestern: „Wissen Sie, in welcher Suite der Chris Roberts ist?!". Am Tisch nebenan gesteht Christa (65) aus Ennepetal, lila Fingernägel und kecke graue Kurzhaarfrisur, indes, auf wen sie sich am meisten freut: „Auf den Jürgen Drews, der sieht für sein Alter einfach geil aus." Und Freundin Doris (75) kichert: „Außerdem wollen wir uns die ganzen tollen Männer hier anschauen. Die sind aber nicht inklusive."

Meint sie vielleicht Bodo Henkel? Der 62-jährige Mallorca-Kenner mit dem weißen Zwirbelschnurrbart ist als „Mister Showman" und DJ für die Unterhaltung zwischen den Konzerten der 31 Schlagersänger und -bands zuständig. „Der Vorteil ist: Wir sind wie eine Clique und aus demselben Grund hier: Spaß haben, eine Woche Schlager genießen und mit den Stars am Pool sitzen." Sein Tischnachbar, der namentlich nicht genannt werden will, gibt sich distanziert: „Hier können die Leute den Star, den sie seit 40 Jahren verehren, anfassen - das macht die wirklich glücklich." Wobei der Bierbauchträger sich ebenfalls pudelwohl zu fühlen scheint und lässig den Fuß im Takt mitwippt.

In der Tat sind sowohl die Fans als auch ihre Idole in der Mehrzahl schon seit Längerem in den besten Jahren - der Stimmung tut das keinen Abbruch. Isabella gehört mit ihren 49 Jahren zum jüngeren Mittelfeld, sie freut sich auf Frank Schöbel. Die Auftritte des DDR-Schlagerstars im Friedrichstadt-Palast habe sie bereits als 14-Jährige in Polen im Fernsehen mitverfolgt: „Das sind Erinnerungen an die Kindheit", strahlt sie.

Teilweise sind ganze Generationen mit von der Partie: Damit Mutter Gaby (37) und Vater Paul abends auch mal länger feiern können, passt die ebenfalls angereiste Ersatzomi auf Angelina (1) auf. Einen Favoriten hat Gaby nicht: „Ich bin eh´ so ne Schlagertussnelda und hör´se eigentlich alle gern." Ehemann Paul lässt sich derweil von Hypnotiseur Pharo, der auch zum Programm gehört und für die Presse einen Spontan-Auftritt hinlegt, wegen Rückenschmerzen behandeln.

Dann kommt auch endlich einer der Sänger um die Ecke: Steffen Jürgens stammt aus Greifswald, ist seit zehn Jahren im Geschäft und hält die Schlagerreise für Kult: „Die Leute sind hier total dankbar. Auch wenn man nicht so bekannt ist, kaufen sie nach dem Auftritt CDs ohne Ende."

Der 46-Jährige ist ein echter Charmeur und hat in Sekundenschnelle einen Haufen Fans fürs Gruppenfoto um sich gescharrt. Dass er keine Berührungsängste hat, liegt vielleicht auch an seiner grund­soliden Ausbildung: Vor dem Einstieg ins Schlagerbusiness hat der Sänger mit dem graumelierten Dreitagebart als Fliesenleger gearbeitet. Mittler­weile kann er vom Singen leben, andere Künstler dagegen müssen sich ihre Brötchen trotz eigener CDs hart verdienen: Alberto di Febo (50), Sänger der ebenfalls anwesenden Combo Fresh and Fun, etwa sitzt im heimischen Gelsenkirchen am Steuer eines Müllwagens. Und freut sich nun um so mehr, dass die Fans der Band schon auf Facebook angekündigt haben, beim Auftritt am Mittwoch ganz vorne mit dabei zu sein.

Michael Fischer gehört mit seinen 31 zu den jüngeren Protagonisten der Schlagerszene - und will auch ein jüngeres Publikum für das Genre begeistern. Eigens dafür habe er den „Dance-Schlager" erfunden, erklärt er, bevor er von einem Fan unterbrochen wird: Der Mittvierziger in kariertem Kurzarmhemd und mit fliehendem Haaransatz wollte „nur mal Hallo" sagen. „Ich stand auf deinem Konzert in Riedberg in der ersten Reihe". Fischer erinnert und freut sich - ob pflichtbewusst oder aufrichtig, ist schwer zu sagen.

Selbst die bekannteren Stars scheuen das Bad in der Menge nicht: Der „kleine Klaus" vom „An der Nordseeküste"-Duo Klaus&Klaus steuert, die Matrosenmütze in der einen, die kleine Tochter an der anderen Hand, in Richtung Clubterrasse. Die Atmosphäre in der Ferienanlage bezeichnet er als „wahnsinnig angenehm und entspannt". Dass ihn so viele Leute ansprechen, findet er nicht störend: „Die freuen sich, dass sie selber im Urlaub sind, und respektieren auch, dass du im Urlaub bist".

Dann kommt der andere Klaus, und im Handumdrehen sind beide von Fans umringt. Ganz vorne mit dabei: Heidi (60) und Erwin (52) aus Zürich. Er ist Autogrammjäger und zeigt dem befreundeten Pärchen, das sie zu der Schlagerreise „angeworben" hat, stolz seine Beute.

Am frühen Abend wird es eng am Büffet, der Kegelclub lädt sich gerade die Teller voll. Schließlich heißt es Kräfte tanken und sich dann frühzeitig einen guten Platz vor der Tribüne sichern, die neben dem Pool steht: Dort tritt an diesem Abend ab 21 Uhr unter anderem Cindy Berg auf. Und dann geht die Post ab, in Cala Barca.