Zum Interview erscheint Ansgar Thüne in kurzen Hosen und Turnschuhen, bietet einem sofort das Du an. Angesichts seines Titels hätte man anderes erwartet - der 37-jährige Deutsche ist seit dem 23. April offiziell brasilianischer Honorarkonsul von Palma de Mallorca.

Wie kommt man als gebürtiger Mainzer zu so einem Amt?

Ich lebte als Kind fünf Jahre in Rio de Janeiro, weil mein Vater im ­diplomatischen Dienst tätig war. Seitdem fühle ich mich dem Land verbunden. Ich habe seit 1990 immer wieder dort Urlaub gemacht und dort viele Freunde und Bekannte. Als ich dann vor vier Jahren nach Mallorca kam, brauchte ich eine Vollmacht für eine Angelegenheit in Brasilien und lernte dadurch Sandra de Melo kennen. Sie war damals Honorar­konsulin, übrigens die erste, die es auf den Balearen gab. Von da an haben wir in meinem Haus in Son Vida öfter brasilianische Feste veranstaltet. Als sie ihr Amt schließlich aufgeben wollte, weil sie Vorsitzende des Vereins „Amigos do Brasil em Baleares" wurde, fragte sie mich, ob ich ihr Nachfolger werden wollte.

Man muss dafür also kein echter Brasilianer sein?

Nein, auch wenn viele das denken: Ich habe keinen brasilianischen Pass. Allerdings musste ich jede Menge Behörden- und Papierkram erledigen, ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, ein Interview mit dem brasilianischen Botschafter absolvieren. Das Einzige, was mir jetzt noch fehlt, ist die Akkreditierung als ­Honorarkonsul durch den spanischen Staat.

Gibt es denn auch ein Konsulat?

Voraussichtlich ab September, das kommt darauf an, wie schnell die Behörden hier sind. Beim argentinischen Konsul hat sich das sechs Monate hingezogen. Ich mache derzeit Home-Office und werde mir dann neue Büroräume mieten, die gleichzeitig als Sitz des Konsulats dienen.

Bekommen Sie dafür Geld aus Brasilien?

Ich bekomme einen offiziellen ­Stempel, sonst nichts. Das Büro muss ich selbst finanzieren, und auch für das Amt an sich gibt es keine Aufwandsentschädigung. Honorarkonsul kommt eben nicht von Honorar.

Mit was verdienen Sie sich dann Ihren Lebensunterhalt?

Ich bin Unternehmensberater. Wir beraten deutsche und amerikanische Firmen, die in Brasilien tätig werden wollen. Unser Hauptbüro ist in ­Miami, aber ich kann von überall aus arbeiten und lebe nun eben auf

Mallorca, weil es hier schön ist.

Was sind Ihre Aufgaben als Honorar­konsul?

Ich werde natürlich keine Pässe oder Geburtsurkunden ausstellen können, sondern habe eher repräsentative Aufgaben. Ich werde beispielsweise brasilianische Insassen hier im Gefängnis besuchen oder Firmengründern unter die Arme greifen. Es gibt aber kein Buch und keinen Leitfaden, was man als Honorarkonsul tun soll. Momentan ist das alles eher Freestyle. Mein Hauptanliegen ist auf jeden Fall, die Brasilianer und ihren Verein hier auf der Insel zu unterstützen, insbesondere beim Fundraising. Dass ich Deutscher bin, hat da sicher Vorteile, da die Deutschen hier nicht nur zahlenmäßig, sondern auch wirtschaftlich stark vertreten sind, und es derzeit wohl erfolgversprechender ist, deutsche anstatt spanische Unternehmen anzusprechen. Und wenn ich das als Honorarkonsul tue, klingt das besser, als wenn ich einfach irgend­jemand wäre.

Brasilien ist für viele Samba, Fußball und Caipirinha. Welches Bild wollen Sie als offizieller Repräsentant des Landes vermitteln?

Ich würde gerne mit diesen Klischees aufräumen. Brasilianer hören nicht nur den ganzen Tag Samba-Musik, und nicht alle Frauen sind Mulattinnen, die sich ihr Geld in der Horizontalen verdienen. Brasilien ist groß, man kann deshalb nicht sagen, wie es ist. Die Medien stellen meist nur die negativen Dinge dar, berichten über Tote in den Favelas. Dabei wurde auch hier schon eine zerstückelte Leiche im Kühlschrank gefunden.

Können Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke erinnern, als Sie als Siebenjähriger nach Rio kamen?

Ich weiß vor allem, dass weder ich, noch meine beiden jüngeren Geschwister Bock auf das Ganze hatten. Aber als Kind hat man da ja wenig Alternativen. Als wir ankamen, wohnten wir zwei Monate im Hotel an der Copacabana, weil der Container mit unseren Sachen beim Zoll festhing. Die erste Zeit war sehr erlebnisreich, von der 7.000-Seelen-Gemeinde Oppenheim nach Rio, das war aufregend. Aber ich empfand es nie als schockierend. Und nach den fünf Jahren wollten wir überhaupt nicht mehr weg, doch meine Eltern meinten, wir sollten in Deutschland Abitur machen.

Was fasziniert Sie so an dem Land?

Zum einen Rio, die Mega-Stadt am Meer, in der es Urwald und Berge gibt, und paradiesische Strände. Zum anderen die Mentalität und die gute Laune der Leute. Brasilien ist eine Spaßgesellschaft, trotz der großen sozialen Unterschiede.

Kann die WM wirklich dazu beitragen, dass es den Ärmsten besser geht, wie WM-Verantwortliche und Regierung behaupten?

Das sicher nicht. Die vielen Investitionen sind zwar vom Ansatz her gut, aber es wurden nur Teile davon umgesetzt. Der Zorn vieler Brasilianer richtet sich daher nicht gegen die Fußball-WM an sich oder die Touristen. Die Menschen sind vielmehr frustriert, dass die Regierung so Fifa-hörig ist. In Brasilien ist etwa der Konsum von Alkohol in Stadien verboten, wovon die Bars außenrum profitieren. Die Fifa erlaubt nun den Bierausschank in den Stadien. Solche Beispiele, wie es den Leuten, denen die WM eigentlich zugute kommen soll,schadet, gibt es noch

zig andere.

Wären Sie lieber Brasilianer als Deutscher?

Ich würde die doppelte Staatsbürgerschaft annehmen, aber die deutsche nicht abgeben. In Deutschland sind meine Wurzeln, und die soll man auch nicht verleugnen.