Sie fand ihn schon toll, als sie noch gar nicht wusste, wie er heißt: Gerade mal zehn Jahre alt war Bea Melchior, als ihr zum ersten Mal ein Plattencover der Les Humphries Singers in die Hände fiel. „Mein Vater war Fan der Band, und mir gefiel der junge Mann in der Mitte des Fotos so wahnsinnig gut ?", erinnert sich die Schweizerin, die heute in der Nähe von Genf als Veranstaltungs­managerin für den Computer­hersteller Dell arbeitet. Als der schmucke Jüngling namens Jürgen Drews kurz darauf seine Solo-Karriere startete und 1976 mit „Ein Bett im Kornfeld" seinen ersten großen Hit hatte, war es um Bea endgültig geschehen: „Er war mein absoluter Lieblingssänger, ich war jedes Mal Feuer und Flamme, wenn er in der Hitparade von Dieter Thomas Heck auftrat", erzählt sie.

Dass sie ihr Idol Jahrzehnte später persönlich kennenlernen sollte, das hätte sie sich niemals träumen lassen: „Wenn mir das jemand erzählt hätte, ich hätte schon mit zehn einen Herzinfarkt gekriegt", kichert die heute 53-Jährige wie der Backfisch, der sie damals war. Dass es dazu kam, dafür sorgten zwei der wichtigsten Männer in ihrem Leben. Zunächst lud ihr Bruder, ein Journalist, sie 2011 als Überraschung zum 50. Geburtstag nach Mallorca und nahm sie mit zum Interviewtermin mit Drews, der damals gerade sein Kultbistro in Santa Ponça eröffnete. Begeistert von der Vorstellung, den Sänger nochmal live und in Farbe zu sehen, buchte sie im Jahr darauf mitsamt Gatten einen Insel-­Urlaub, schaute regelmäßig im Drews-Bistro vorbei - und tatsächlich, plötzlich stand der Meister persönlich im Laden. Dass er sofort zielstrebig auf ihren Tisch zugesteuert sei, habe aber nicht an ihr selbst, sondern vielmehr an ihrem Mann gelegen, der als „cooler Typ" das Interesse des Schlagerstars geweckt ­hätte. Dabei konnte ´Jean-Mi´ gar nicht besonders viel mit Drews anfangen: „Mein Mann stammt aus Frankreich, da kennen die Schlagermusik gar nicht" - und Jürgen Drews noch viel weniger. Doch Bea packte die Gelegenheit am Schopf, übersetzte zunächst zwischen den beiden Herren und verstand sich schließlich so gut mit Drews, dass sie „zwei Stunden lang auf dem Sofa saßen" und sich aus ihrem Leben erzählten.

Seit diesem Schlüssel­erlebnis kommt sie jedes Jahr mindestens drei- oder viermal auf die Insel - und meistens in Begleitung. Denn mittlerweile hat sie ihre gesamte französische Familie mit ihrem Drews-Fieber angesteckt. „Meine Kinder finden schon, dass ich ein bisschen spinne, aber sie freuen sich auch total für mich, weil sie wissen, wie sehr ich ihn mag", sagt sie. Und schließlich war ihr Nachwuchs auch mitverantwortlich dafür, dass sie Drews nach langer Pause wieder entdeckte: „Ich bin mit 18 nach Frankreich gezogen und von dort aus in die französische Schweiz, war also lange vom deutschen Fernsehen abgeschnitten."

Doch ihre Abstinenz vom deutschen Kulturgeschehen fiel ohnehin mit der Zeit zusammen, in der es um Jürgen Drews Karriere eher ruhig bestellt war. Als Sohn Julian ihr dann vor einigen Jahren erklärte, wie Youtube funktioniert, suchte sie auf der Videoplattform im Netz als allererstes nach Jürgen Drews, der sein Publikum mittler­weile als „König von Mallorca" wieder erobert hatte. Seitdem schaut Familie Melchior mit der Frau Mama regel­mäßig Konzert- oder TV-Auftritte des Barden auf dem heimischen Fernsehbildschirm. Selbst die Freunde der Kinder wissen mittlerweile, wer der deutsche Sänger ist - und wie sich seine Fangemeinde zusammensetzt: „Ein Freund meines Sohnes sagte beim Anblick der ersten Reihe bei einem Konzert: ´Ich hab noch nie so viele Beas auf einem Fleck gesehen´", lacht die Blondine selbstironisch.

Neben der Familie, die Drews-Songs mangels Deutschkenntnissen ganz ohne Text vor sich hin summt, „bekehrt" die Schweizerin auch Bekannte und Kollegen zu Fans: Sei es die Dell-Direktorin aus Texas, die sie nach Santa Ponça schleppte und deren Herz Drews durch das Anstimmen seiner drei englischen Lieder im Sturm eroberte, sei es die gute Freundin aus der Nachbarschaft, die ob der vielen Fotos von Jürgen, Bea und Familie ungläubig „der kann doch keine 70 sein" murmelt und den Sänger bei nächster Gelegenheit mal persönlich in Augenschein

nehmen will.

Bea selbst trifft Drews am Donnerstag (2.4.) beim großen Geburtstagskonzert in Berlin: „Damit er sieht, dass wir ihn auch bei kostenpflichtigen Konzerten unterstützen - von irgendwas muss der arme Mann ja leben", lacht sie. Das Phänomen Jürgen Drews erklärt sich für Bea übrigens gar nicht ausschließlich mit der Musik, Schlager könne man ja nun wirklich nicht von morgens bis abends hören: „Aber ich finde ihn einfach als Typ gut, und es ist toll, wie er mit seinen Fans umgeht."

Und auch das nächste Treffen nach den Feierlichkeiten zum 70. steht schon fest: Zur Saisoneröffnungsparty des Bistro im Mai wird der König von Mallorca persönlich erwartet. Die Flüge sind schon fest gebucht.

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