Zwanzig Schüler stehen zum ersten Mal im großen Saal des Tandem Clubs in Palma. „Wer ist zum Swing-Tanzen gekommen?", fragt Basilio Gónzalez. Einige heben ihre Hände. „Wer zum Lindy-Hop-Tanzen?", fragt Gónzalez weiter. Andere Hände gehen nach oben, der Lehrer grinst. „Swing ist die Musik, Lindy Hop der Tanz", sagt er. Die Stunde hat begonnen. Gónzalez hat Musical in Barcelona studiert und im Anschluss eine Stepptanzgruppe geleitet. „Steppen wurde irgendwann zur Arbeit, also hab ich mit Lindy Hop angefangen, um einfach wieder Spaß am Tanzen zu haben", sagt er. 2013 zog Gónzalez nach Mallorca. Seit März 2014 unterrichten er und seine Kollegen in vier Räumen diverse Tänze, allen voran alles, was zur Swing-Ära gehört.

Das ist längst nicht nur Lindy Hop mit seinem typischen Wippen in den Knien, dem bounce, sondern auch Charleston, Blues und weniger bekannte Stile wie Balboa, Shag und Jazz Steps, die Solovariante und Vorgänger des modernen Jazztanzes, in Deutschland und den USA meistens Authentic Jazz genannt. Der Tandem Club ist die erste Tanzschule für Swing auf Mallorca - zumindest in diesem Jahrhundert. Die mehr als 300 aktiven Schüler des Tandem Club sind jedoch nur ein Teil der mallorquinischen Swing-Szene, die seit 2011 ein immer dichteres Netz aus Konzerten, Events, DJs, Radiosendungen und eben Tanzkursen über die Insel spannt.

Die Verbindung zur Szene in Barcelona war von Anfang an entscheidend: 2012 gründeten Edgar Ginard und Joana Sancho Ido´Swing. Der Verein hat sich dem spielerisch-feiernden-sozialen Geist des Swing verschrieben und begann damit, zweimal pro Jahr die ersten Lindy-Hop-Workshops auf Mallorca zu organisieren. „Wir haben den Lindy Hop nach Mallorca geholt", sagt Margalida Mateu. Sie ist Mitglied bei Ido´Swing und bildet gemeinsam mit Guillem Nadal das Projekt „Sing Sing Sing". Mateu und Nadal arbeiten als DJs, seit Februar 2014 haben sie bei Ona Mediterrània ein eigene Radiosendung - natürlich alles mit und über Swing. „Es war wie eine Explosion, die Menschen haben diese Musik und den Tanz wieder für sich entdeckt", sagt Mateu. Für sie ist der Swing auch ein Gegengewicht zum Einheitsbrei der zeitgenössischen Musik.

Noch bevor Mateu und Nadal anfingen, Swing aufzulegen und Ido´Swing gegründet wurde, schlossen sich Néstor Casas, Sergio Tecglen und Dídac Buscató im Jahr 2011 zu Monkey Doo zusammen. Die erste mallorquinische Swing-Band der aktuellen Generation und wohl die erfolgreichste. Von Mai bis September spielen sie teils mehrere Konzerte am Tag, die Rathäuser auf der ganzen Insel engagieren sie für Dorffeste, bei der Sendung „Melodíoaas Pizarras" im spanienweiten Sender Radio 3 spielten sie 20 Minuten live. Ihr erstes Album „Swing Brother Swing" haben die Musiker mehr als 5.000-mal verkauft, ohne Vertrieb, von Hand zu Hand. Die zweite Platte wollen sie in den nächsten Monaten aufnehmen.

Casas und Tecglen kommen von Mallorca, Buscató von Menorca. Die Musiker sind seit 20 Jahren befreundet und haben schon früher in anderen Bands zusammen gespielt. Für Monkey Doo setzen sie auf eine ungewöhnliche instrumentale Besetzung: Trompete, Ukulele und den - wie die Männer ihn nennen - bajo cubo, den selbstgebastelten Bass, bestehend aus Plastikeimer und Besenstil von Dídac. Während der washtub bass (Waschtrommelbass) eher typisch für die Country-­Musik ist, zählt das Zupfinstrument durchaus zu den klassischen Swing-Instrumenten. „Die Ukulele stammt von einem portugiesischen Instrument ab und kam schon in den 30ern von Hawaii in die Jazz-Clubs von New York", sagt Sänger, Trompeter und Entertainer par excellence Néstor Casas. „Sie macht den Klang fröhlicher."

Die Musiker reißen in einem fort Witze und reden meistens gleichzeitig. „Swing ist Musik für jede Generation mit viel Herz und Freude", sagt Dídac. „Wir spielen in Aufzügen und bei Zahnarztterminen", fällt ihm Casas ins Wort. Buscató murmelt etwas von einer Regel, die sich als bandinterne Prämisse herausstellt: Vor der Bühne müssen mindestens so viele Leute stehen wie auf dem Podest. Ihren Übermut nehmen Monkey Doo mit auf die Bühne, die gute Laune entspringt nicht nur den Liedern und den gekonnten Scherzen und Tanzeinlagen von Casas, sondern entsteht auch aus der vertrauten Fröhlichkeit zwischen den Musikern.

So auch am vergangenen Freitag (9.10.) im ehemaligen Vamp Café in Palma, das im August als Molino Tres neu eröffnet wurde. Vor dem Konzert bittet ein deutscher Fan die Band um einen Gefallen: ein Ständchen für seine Großmutter Helene, die an diesem Tag 84 geworden ist. Stephan Wolff kommt aus Berlin, die Band hat er bei einem anderen Urlaub live gesehen und war begeistert. „Die haben das im Blut, so wie die das rüberbringen, ist da ganz viel Herz dabei." Seine Großmutter kenne die Musik von früher, deshalb seien sie gekommen. „Swing ist was für jede Generation", sagt Dídac. Als die Musiker beim Konzert tatsächlich „Happy Birthday for Helene from Germany" anstimmen, springt die Jubilarin vor Freude auf. Die Band lässt das Lied lässig in den Klassiker „Down by the River Side" übergehen.

Auch sonst ist das Set eine bunte Mischung bekannter Klassiker. Eigene Stücke spielt die Band nicht. „Die Lieder sind so gut, da kann man nicht einfach neue spielen. Das Schöne ist, sie auf deine Art zu interpretieren", sagt Buscató. Das Molino Tres füllt sich im Laufe des Abends zunehmend. Helene Wondol ist vielleicht die älteste, aber nicht die einzige Seniorin im Raum. Je später es wird, desto mehr junge Leute kommen. Die Gäste wippen sich mit leuchtenden Augen locker, die Stimmung wird immer ausgelassener. Als Casas ein Lied für Tänzer ankündigt, legt ein Paar einen Lindy Hop aufs Parkett.

„Inzwischen gibt es viel mehr Leute, die tanzen, heute sind aber nicht so viele gekommen", sagt Dídac danach. „Vielleicht schonen sie sich noch für morgen", sagt Casas. Die Band hat allein am vergangenen Wochenende fünf Konzerte gespielt. Eines davon am Sonntag auf der Terrasse vom Museum Es Baluard. Die Swingtänzer treffen sich jeden Sonntag zu einem clandestino, zum Tanzen unter freiem Himmel. „Das besondere am Lindy Hop ist, dass es ein sozialer Tanz ist, wir tauschen die Partner oft, und die Schüler tanzen schon nach vier Stunden auf Partys", sagt Gónzalez. Im Anfängerkurs fällt den Teilnehmern der erste Partner­wechsel noch etwas schwer, zwei bis drei Runden später haben sie ihre Scheu verloren.

Nach ihrem Konzert stehen die Musiker von Monkey Doo rauchend vor dem Club. Ein junges Paar liegt sich verliebt in den Armen. Casas grinst, geht auf sie zu und fängt an zu singen: „When a moon hits your eye like a big pizza pie. That´s amore ?" Das Paar lacht, Casas macht eine Pause, nickt Dídac und Buscató zu, die zum mehrstimmigen „Aaahhaaaa" einsetzen. Casas feixt: „Wir machen die Menschen glücklich, wir sind wahre Engel."

www.monkeydoo.es

www.­tandem-club.com