Die Smooth Voices stehen vor dem Werbe-Bildschirm des C&A an der Plaza Rey Juan Carlos und singen sich ein: „Ma-Me-Mi-Mo-Mu-Me-Ma-Mi-Me". Die Passanten schauen etwas irritiert. Eine Viertelstunde später muss die Gruppe neue Visitenkarten auslegen, der Boden des Körbchens, in das die Zuhörer ihr Kleingeld werfen, ist nicht mehr zu sehen.

Am 1. Juni dieses Jahres hat die A-capella-Gang zum ersten Mal an dieser Stelle gegen den Lärm der vorbeifahrenden Busse, Autos und Motorräder angesungen. Seither stimmen sie montags, mittwochs und freitags um 12 Uhr Lieder aus einem breiten Repertoire an, das sie selbst als Pop Soul definieren. Die Smooth Voices sind mittlerweile stadtbekannt - und machen nun, wenn es gut läuft, auch noch richtig Karriere.

Im Oktober haben sie ein erstes Konzert im kleinen Saal des Auditorium in Palma gegeben, neulich waren sie im Studio um einen Song mit der Sängerin Bria Drain aufzunehmen, nächstes Jahr soll eine richtige Tournee folgen. Und vor ein paar Tage war Mark Witz, einer der beiden musikalischen Leiter, in Madrid, irgendetwas unterschreiben. Was genau, will er nicht sagen. Nur so viel: „Das ist eine große Sache, die uns viele Türen öffnen könnte." Ohnehin sei das A-capella-Singen - dessen Hauptvertreter auf Mallorca bislang die Gruppe Cap.pela ist -

groß im Kommen.

Gefunden haben sich die acht Sänger - sie sind zwischen 22 und 36 Jahre - in der „OZ"-Musical­schule im Gewerbegebiet Can Valero. Mark Witz, der das Ensemble im April gründete, schreibt die Arrangements bekannter Songs für A-capella um und leitet die Smooth Voices gemeinsam mit Brownie M. Der heißt in Wahrheit Marian Uribe und ist als Sohn einer Baskin und eines Kubaners in Prag aufgewachsen.

Das Konzept der Smooth Voices baut auf maßgeschneiderter und authentischer Individualität in der Gruppe: Bei jedem Stück übernimmt ein anderer Sänger den Solopart. „Das Wichtige ist, die Essenz jedes Liedes und das ­besondere aus jeder Stimme herauszuholen", sagt Witz. „In der Mainstream-Musik­industrie ist alles sehr künstlich. Wir hingegen sind, wie wir sind," ergänzt Uribe.

Mit den Konzerteinlagen im Eingang von C&A wollten sie sich anfangs nur ein wenig Geld verdienen. Dass es so gut läuft, hat sie selbst überrascht. Auf der Straße zu singen, sei die beste Schule. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich als Sängerin den Punkt erreiche, an dem ich heute bin", sagt Esther Alcaraz, „das ist die absolute Konfron­tation. Du musst deine Angst hinter dir lassen."

Es ist das Unfertige, nicht immer ganz perfekte, was die Smooth Voices so mitreißend macht und der Kontakt auf Augenhöhe. „Auf der Straße zu singen, ist besonders, weil du nicht über dem Publikum stehst", sagt Mark Witz, und seine Band-Kollegin Coty Abreu ergänzt: „Die Leute müssen dir nicht zuhören, wenn sie nicht wollen."

Damit scheinen die Smooth Voices jedoch kaum Probleme zu haben. Sie bauen ­choreografische Elemente in ihre Auftritte ein, mal klatschen sie, mal schnippsen sie zu ihren Liedern, und stets interagieren sie mit dem Publikum. Als die Gruppe an diesem Freitag (13.11.) fröhliche Lieder wie „Happy" von Pharell Williams oder „The Lion Sleeps Tonight" anstimmen, huscht den Passanten spontan ein Lächeln über das Gesicht, viele zücken ihre Handys und machen Videos.

Ein Geschäftsmann im Anzug schießt fleißig Fotos, eine junge Frau im schwarzen Kapuzenpulli und mit Lippenpiercing sagt strahlend: „Ich habe mich gerade gefragt, warum es so etwas bei mir auf dem Dorf nicht gibt." Beim getragenen „Hallelujah" von Leonard Cohen dringen die Stimmen so kraftvoll wie andächtig in den Verkehrslärm von Palmas Innenstadt, den man beim Zuhören für einen Moment einfach vergisst. „Wir verschönern den Leuten ihren Tag", sagt Coty Abreu.