Als im Spätfrühling des Jahres 1979 auf Mallorca Werbung auftauchte, die das Kommen des legendären Box-Champions Muhammad Ali verkündete, mag manch einer nicht schlecht gestaunt haben. Was wollte der world´s greatest ausgerechnet hier? Auf offenkundig improvisierten Plakaten trommelten die Veranstalter für einen Gala-Abend mit dem großmauligen und damals noch nicht an Parkinson erkrankten US-Boxer.

Der am vergangenen Wochenende verstorbene Ali war damals 37-jährig am Ende seiner Karriere angelangt und bestritt in Europa eine Reihe von Showkämpfen, Mallorca war die letzte Station. Er reiste zusammen mit seiner damaligen Frau Veronica nebst weiterem Gefolge. Die Gage, die ihm die Veranstalter für den Insel-Besuch zahlten, war nicht allzu hoch: 4,5 Millionen Peseten (nach heutigem Umrechnungskurs rund 26.400 Euro). Dafür hatte er der Presse Rede und Antwort zu stehen und fünf Runden à zwei Minuten im Casino Sporting Club Mallorca in Calvià gegen seinen Landsmann Jimmy Ellis, einen Ex-Weltmeister, anzutreten. Ein Teil des Erlöses sollte der Krebshilfe zufließen.

Der mehrfache Weltmeister im Schwergewicht war wegen seiner blitzschnellen Haken und Bewegungen legendär. Ali hatte in den 60er- und 70er-Jahren 56 von 61 Profi-Kämpfen gewonnen, davon 37 durch K.?o. Doch der Mann, der vormals Cassius Clay geheißen hatte und aus Protest gegen die Unterdrückung der Afroamerikaner zum Islam übergetreten war, hatte 1978 gegen Leon Spinks seinen WBA/WBC-Titel verloren. Nicht nur deshalb war Muhammad Ali auf Kleinvieh angewiesen, sondern auch, weil er große Mengen seines zuvor verdienten vielen Geldes verprasst hatte. Außerdem hatte er schon damals Unterhalt an zwei Ex-Frauen und etliche eheliche und außereheliche Kinder

abzudrücken.

Vorbei waren also die Zeiten, als Box-Fans überall auf der Welt mitten in der Nacht aufstanden, um live übertragene Kämpfe im Fernsehen zu sehen - epochale Ereignisse in dem neuen Medium. Kämpfe wie den „Rumble in the Jungle" im Jahr 1974, als Ali als Außenseiter den damaligen Weltmeister George Fore­man in dem damals vom Diktator Mobutu Sese Seko regierten Staat Zaire besiegte.

Auf Mallorca stieg der Star im Hotel Valparaíso ab. Wie der Autor Tomeu Canyelles in einem schönen Rückblick in dem inzwischen eingestellten Blog „40putes" beschreibt, war die Aufregung mindestens ebenso groß wie das Journalisten-Aufgebot. Ali ließ sich unter anderem leutselig beim Tennisspiel ablichten. Und beeindruckte bei der Pressekonferenz die mehr als 50 Reporter und fast 20 Fotografen mit seinem Charisma und seinem Wortschwall. Allah habe ihm geholfen, so viele Titel zu gewinnen. Christ wolle er nicht mehr sein, weil „Jesus weiß war, die Apostel weiß waren, Maria weiß war - und ich schwarz bin". Und er lobte sein großes Vorbild, den Bürgerrechtler Malcolm X (1925-1965), dem er 1961 auf einer Straße in New York erstmals begegnet war und der ihn überzeugt hatte, Moslem zu werden. Ali sparte auch Beziehungstechnisches nicht aus, bescheinigte seinen Ehefrauen, dass er viel von ihnen gelernt habe, und stellte hernach auch noch am Klavier und am Schlagzeug seine Entertainer-Qualitäten unter Beweis.

Sein schon auf der Insel angedeutetes Karriereende sollte er zwei Wochen später offiziell verkünden, doch seinen letzten Kampf bestritt er erst mehr als zwei Jahre später - am 11. Dezember 1981 gegen Trevor Berbick auf den Bahamas. Der Superstar verlor nach Punkten, schon damals war er sichtlich von seiner Krankheit gezeichnet.

Doch zurück auf die Insel: Die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" feierte die Pressekonferenz des rebellischen Boxers gebührend - auf der Titelseite und mit einem bebilderten Interview auf zwei Seiten, in welchem der Mann aus den USA als „sympathisch" und „freundlich" beschrieben wurde.

Doch das war nur die eine Seite des Muhammad Ali. Dann kam der Kampfabend im Casino Sporting Club. Auf dem Programm stand zunächst ein anderthalb Stunden dauerndes Dinner für die zahlenden Gäste, mit einer Frage- und Antwortrunde mit drei ausgewählten Journalisten. Darauf hatte der Superstar offensichtlich keine Lust mehr. Er lümmelte sich in seinem Sitz, fuhr den Interviewern über den Mund, hörte gar nicht wieder auf zu schwadronieren und provozierte die feine Gesellschaft unter anderem mit einer Lobeshymne auf den Ajatollah Chomeini („mein Held").

Den Showkampf gegen Ellis bestritt er dann im Unterschied zu seinem Gegner ohne Kopfschutz, aber so richtig zur Sache ging es nicht. Wie vorgesehen trennte man sich Unentschieden nach Punkten. „Ali beendete den Kampf vollkommen erschöpft und nach Luft schnappend", beobachtete ein Journalist.

Kurzum: Muhammad Ali auf Mallorca hinterließ einen fahlen Beigeschmack. Und die anfangs noch wohlwollende „Diario de Mallorca" trat Tage später noch mal gehörig nach. „Die ´Show´ von Muhammad Ali, ein Fiasko" titelte das Blatt eine Besprechung des Auftritts, in der dem „Verrückten von Louisville" ein flegelhaftes Verhalten bescheinigt wurde. Der Rezensent kam zu einem eindeutigen Schluss: „Muhammad Ali ist fürwahr kein Gentleman."

Was er ja auch nie sein wollte.