Es ist schon fast Mitternacht, als im Garten des Hotel Golf Santa Ponça im Süden von Mallorca der Abend auf seinen Höhepunkt zusteuert. „Ein Abend voller Magie" hatte auf der Einladung gestanden und dieser Satz ist bis dahin auch schon mehrmals gefallen. Jetzt brennt eine Blechtonne im Garten, und auch die Fackeln sind angezündet. Nun also werden wir Einblick bekommen in die Traditionen der Freimaurer.

Aber der Reihe nach: Die Freimaurer in Spanien wollen sich der Gesellschaft öffnen und haben deshalb an diesem Freitagabend (24.6.) zu einem Essen eingeladen. Es ist ein Termin, für den wahrscheinlich manch Verschwörungstheoretiker töten würde. Hier kann man endlich alle Fragen stellen: Wer diktiert Obama und Merkel die Politik? Was ist die Wahrheit über Aliens? Und hatte Lee Harvey Oswald was mit Marilyn Monroe?

Bevor das Essen beginnt, ruft José Antonio de Haro von der Großloge Spanien die Gäste

­zusammen: „Folgt mir bitte in diesen Raum. Euch wird nichts passieren." Er lacht. In einer zehnminütigen Powerpoint-Präsentation erzählt de Haro ein wenig über die Geschichte des Bundes, der als Verband der reisenden Maurer begannt. Im Wesentlichen seien die Freimaurer eine humanistische Vereinigung, deren Ziel es sei, sich und die Welt nach den Idealen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu verbessern. Dann zählt de Haro auf, was man nicht sei: keine Religion, keine Sekte. Und so weiter.

Dann gibt es Essen. Die acht Tische sind nach berühmten Freimaurern benannt. Etwa Mozart, Arthur Conan Doyle, Goethe. Wir sitzen zu acht am Tisch Alexander Fleming, vier deutsche Freimaurer sind dabei, zwei haben ihre Frauen mitgebracht. Man spricht sich beim Vornamen an und duzt sich.

Wer Freimaurer werden will, braucht viel Geduld

Es ist ganz nett. Man kann alles fragen, und unsere Tischgenossen antworten auch darauf. „Es gibt ja immer wieder Gerüchte, dass wir Jungfrauen opfern oder die Weltherrschaft anstreben", heißt es am Tisch. „Das ist alles Quatsch." Zudem erfahren wir, dass man sich um eine Mitgliedschaft bewerben kann und dass die Voraussetzung dafür sei, ein „ehrenhafter Mann von tadellosem Ruf" zu sein. Was nicht heißt, dass man nicht im Gefängnis gewesen sein darf, man sollte aber mit Reue und einer gewissen Offenheit zu seinen Taten stehen.

Die Aufnahme ist jedenfalls ein langwieriger Prozess. Als ein Tischnachbar sagt, bei ihm in der Loge, also in seiner Regionalabteilung, dauere es zwei Jahre, um beizutreten, entfährt es einem anderen: „Oh, das ist aber schnell." Teilweise könne der Prozess mehrere Jahrzehnte dauern.

Alle bemühen sich zu betonen, wie harmlos man sei. Und, dass man gute Referenzen habe: „Man muss sich nur anschauen, wer abgelehnt wurde: Franco etwa, oder auch Hitler." Doch was passiert denn nun bei den Treffen? „Wir haben Texte, über die wir meditieren und diskutieren", erfahren wir. Ein bisschen klingt das wie ein Bibelkreis mit etwas

exklusiverem Quellmaterial. Warum sei es dann notwendig, dass die Treffen von der Öffentlichkeit abgeschirmt sind, wollen wir wissen. „Um die Intimität der Gespräche zu schützen."

Und dann, nachdem mehrmals auf die Schönheit des Abends und der wunderbaren Gesellschaft das Glas erhoben wurde, geht es endlich los mit dem magischen, tausendjährigen Ritual. „Diese Zeremonie", sagt de Haro mit vor Erregung zitternder Stimme, „wird zum ersten Mal seit Jahrhunderten auf Mallorca vollzogen."

Das Ritual: Schmeiß dein Brot ins Feuer!

Jeder kriegt einen Zettel und eine halbe Scheibe Brot, die in Alufolie gewickelt ist. Auf den Zettel schreiben wir Dinge, die wir aus unserem Leben verbannen wollen. Als wir fertig sind, begibt sich die Gesellschaft in den Garten, wo das Feuer in der Blechtonne entzündet ist. Dort stellen wir uns im Kreis auf.

Am anderen Ende des Pools begeben sich vier Gestalten in weißen Kapuzen - die nicht an den Ku-Klux-Klan erinnern, weil sie das Gesicht nicht bedecken - mit Fackeln bewaffnet auf den Weg zur Gruppe. Zum Klang von dramatischer Musik, die aus einem Laptop­Lautsprecher dröhnt, umschreitet de Haro die Gruppe und liest einen Text von einem Zettel ab, den er mit der Taschenlampe seines Handys beleuchtet.

Die Symbolik des Rituals ist recht schlicht: den Zettel mit den bösen Dingen ins Feuer werfen und ein neuer Mensch werden. Danach ins Brot beißen und den Rest des Brotes ebenfalls ins Feuer werfen. Während wir uns noch fragen, warum die Menschen vor tausend Jahren gutes Brot wegwerfen wollten, fassen wir uns auch schon alle an den Händen, und der Spaß ist vorbei. Die Magie hält sich in Grenzen, aber die Alufolie, die mit dem Brot im Feuer gelandet ist, sorgt für hübsche grüne Flammen.

„Das hat nichts mit unserer normalen Arbeit in der Loge zu tun", sind sich unsere Tischpartner wenig später einig. „Zudem war es ziemlich düster." Wenn diese Menschen doch die Weltherrschaft innehaben sollten, dann kaschieren sie es gut.