Mein erstes Pokémon ist ein Schiggy. Es sitzt auf meinem Schreibtisch und wedelt mit den Armen. Eine kleine Schildkröte mit großen Kulleraugen. Ich brauche drei Pokébälle, um es zu fangen. Seither hat auch mich das Fieber gepackt. Ich bin jetzt nicht ständig, aber doch sehr häufig auf der Jagd, mit dem Smartphone in der Hand. Die Plaça del Mercat, das muss doch ein guter Ort sein ? Und tatsächlich, dort hinten links lugt ein Maulwurf um die Ecke. Ein Digda.

Seit gut einer Woche ist die neue App Pokémon Go fürs Smartphone auf dem Markt und hat wahrscheinlich schon jetzt alle Download-Rekorde geknackt. Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Pokémon zu fangen und sie im PokéIndex zu registrieren, sie zu trainieren und sie gegen andere antreten zu lassen, damit sie sich weiterentwickeln. Pokémon ist nicht neu. 1996 kam das Videospiel für den Game Boy heraus. Nun ist es ausgebüxt auf die Straße. Mit der Technik der sogenannten Augmented Reality (erweiterte Realität) tauchen die kleinen Biester plötzlich vor einem auf dem Bildschirm auf, sitzen auf Plätzen oder sogar in der eigenen Wohnung.

Ich treffe meinen Mitbewohner in der Küche. „Da sitzt ein Glumanda auf dem Tisch", sagt er trocken, hält sein Smartphone hoch, schnippt einen Pokéball in die Richtung und fängt es. „Verdammt", denke ich, „das hatte ich noch nicht." In meiner Freizeit bin ich jetzt also Pokémon-Trainerin, -Jägerin und -Sammlerin. Beim Einkaufen kommt mir ein junger Mann entgegen, wir tauschen Blicke aus. Kein Flirt, eher ein verschwörerisches „Du spielst es auch gerade" liegt in meinen und seinen Augen. Ein kurzes Lächeln, dann geht die Jagd weiter.

So funktioniert's

Auf einer Karte lässt man seine Spielfigur die Wege laufen, die man gerade selbst läuft. Per GPS werden die Daten übertragen. Kommt man an Sightseeing-Punkten in einer Stadt vorbei, steht dort meist ein sogenannter Poké-Stop. Mit dem Finger tippt man auf ihn, und schon öffnet sich ein Infotext. In Palma ist das zum Beispiel an der Kathedrale der Fall.

Dort kann der Trainer seinen Vorrat an Bällen auffüllen, die er braucht, um die Monster zu fangen. Gekämpft wird in Arenen. Auch sie sind meist an einschlägigen Orten einer Stadt zu finden. Sightseeing ist also inklusive. Im Internet verabreden sich die Pokémon-Spieler jetzt sogar, in Palma zum Beispiel am Samstag (23.7.) um 19 Uhr im Parc de la Mar, um gemeinsam zu spielen. Google sammelt selbstverständlich die Bewegungsprofile der Nutzer. Datenschützer sehen das kritisch.

Das steckt dahinter

Auch die Polizei ist nicht ganz so glücklich über die neue App. Manch Fußgänger bleibt neuerdings plötzlich mitten auf der Straße stehen, um eines der kleinen Monster zu fangen. Spaniens Nationalpolizei hat schon Sicherheitshinweise auf Twitter veröffentlicht, zusammen mit einem niedlichen Bild von Beamten mit ein paar Pokémon-Freunden.

Hinter Pokémon Go stecken drei verschiedene Firmen: das US-amerikanische Softwareunternehmen Niantic Labs, das als Start-up von Google gestartet ist, die Pokémon Company, die Teil von Nintendo ist, und Google selbst. Eigentlich handelte es sich um einen Aprilscherz von 2014, schreibt die „Bild am Sonntag". Demnach soll Google-Earth-Miterfinder John Hanke Pokémon in einer Google Map versteckt haben. Aus dem Scherz wurde zwei Jahre später Ernst. Am 6. Juli veröffentlichte Niantic Labs die endgültige App. Seit dem 13. Juli kann man das Spiel auch in Deutschland und Spanien herunterladen. Bereits im März gab es Beta-Versionen in Japan, Australien, Neuseeland und den USA.

Unterwegs am Ballermann

In der Mittagshitze bin ich wieder unterwegs, diesmal in der Schinkenstraße am Ballermann. Vor mir erscheint ein Sandan, eine Art Wüstentier. Dani, einer der Mitarbeiter vom Grillmeister, beobachtet mich, stellt sich dann neben mich auf die Straße, zückt sein Smartphone und sieht das Sandan ebenfalls. „Mensch, das habe ich noch nicht in meinem PokéIndex!", ruft er und wirft prompt einen Pokéball nach dem Tierchen. „Mist, daneben!" Dann versuche ich es und bin treffsicherer. Das Sandan gehört mir!