Wo früher immer wieder Hunde bellten, gackern nur noch die über den Hof stolzierenden Hühner. Desirée Moreno nimmt einen Besen und beginnt, den Kot wegzufegen. Neben dem Treppenaufgang zum zweistöckigen Häuschen ist mit Mühe noch ein dunkler Fleck auszumachen. „Hier hat man meine Mutter gefunden", sagt die 33-Jährige. „Sie lag kopfüber in einer Blutlache." Als sie am 2. Mai dieses Jahres aus Madrid und ihr Bruder von Ibiza eintrafen, zeugten nur noch eingetrocknetes Blut und liegen gebliebene Gummihandschuhe der Gerichtsmediziner vom

Leichenfund am Tag zuvor.

Der Tod der streitlustigen Tierschützerin, die zurückgezogen mit ihren Hunden und Katzen auf einer Finca bei Montuïri lebte, hat bei ihren Kindern zahlreiche Fragen hinterlassen, die inzwischen neben den spanienweiten Medien auch knapp 20.000 Internetnutzer beschäftigen: Sie setzen sich auf der Plattform change.org dafür ein, dass die Guardia Civil den Tod von Araceli Currás eingehend untersucht. Dass sie Selbstmord begangen haben könnte, wie ein vorläufiger Autopsiebericht nahelegt, können ihre Kinder nicht glauben - zu viele merkwürdige Dinge haben sie entdeckt.

„Ich halte nichts von Verschwörungstheorien, aber wir wollen Gewissheit haben", erklärt die Tochter, die sich derzeit auf

Mallorca aufhält, um den Nachlass zu regeln. Die 55-jährige gebürtige Galicierin ist immer noch nicht bestattet worden. Nach der Autopsie wurden Gewebeproben wegen Verdachts auf Medikamenten­vergiftung zur Analyse nach Barcelona geschickt - ein Verfahren, das sich monatelang hinziehen kann.

Rätselhafte Tierkadaver

Den Kindern kommen zunächst die toten Katzen und Mäuse auf der Finca merkwürdig vor. Es ist ein weitläufiges Grundstück, das über einen holprigen Kiesweg zu erreichen und mit zwei Toren abgesperrt ist. Das unverputzte, aber ziegelrot angestrichene Häuschen selbst ist klein, unten ein Wohnzimmer, oben ein Schlafzimmer mit Balkon, die Küche befindet sich in einem separaten Schuppen. Hier hat jemand ein einfaches Leben im Kreise seiner Tiere geführt.

Drei Tage lang lag hier, schräg vor der Haustür, der leblose Körper von Araceli Currás, bis Anwohner ihn entdeckten und den Notruf verständigten. An verschiedenen Stellen zwischen den großräumigen Zwingern, die früher einmal bis zu 40 Hunde und Katzen beherbergten, fanden sich zudem Kadaver von Tieren, die womöglich die Leiche angenagt hatten. Zwei junge, offenbar gesunde Katzen seien so verendet, so Desirée Moreno. „Wir sammelten die Kadaver in einem Plastiksack, und als wir am nächsten Tag wiederkamen, hatte ihn jemand verbrannt."

Jemand hatte außerdem eine Leiter ans Haus gelehnt, war über den Balkon geklettert und hatte in den Kleidern der Toten gewühlt. Auch Matratzen waren auf einem Teil der Finca in Brand gesteckt worden, zwischen den inzwischen rostigen Bettfedern lassen sich noch Tier­knochen erkennen. Dass hier die Tierschützerin selbst zündelte, bezweifeln die Kinder, schließlich habe sie tote Tiere stets im hinteren Teil der Finca vergraben.

Seitenweise Beschuldigungen

Dass Araceli Currás kein einfacher Mensch war, daraus macht die Tochter keinen Hehl. Die Tierschützerin erstattete reihenweise Anzeigen wegen Tierquälerei - etwa wegen der Vergiftung von Hunden und Katzen -, zerstritt sich aber auch mit Freunden und Bekannten aus Tierschutzvereinigungen, wie dort berichtet wird. Misstrauisch sei sie gewesen, so mancher Weggefährte habe sich von ihr abgewandt. Und auch mit ihren Nachbarn verkrachte sie sich. „Sie war eine sehr engagierte und mutige Frau, die kein Blatt vor den Mund nahm", meint Desirée Moreno. Genauso gut habe sie sich aber wieder mit den Menschen versöhnen können.

Hunderte handgeschriebene Seiten, die sich im Häuschen fanden, dokumentieren schwere Vorwürfe gegen namentlich genannte Personen, von denen sie sich bedroht fühlte und die sie offenbar anzeigte oder anzeigen wollte. Mit Steinen sei sie beworfen worden, ist dort zu lesen - sogar von konkreten Vorwürfen wegen angeblichen Drogenhandels. Noch am Abend vor ihrem Tod habe ihre Mutter mit einer Freundin telefoniert, der sie von zwei Personen erzählte, die auf das Gelände ihrer Finca eingedrungen seien, erzählt die Tochter.

Zweifel an Selbstmordtheorie

Nach der Sichtung des Handys ihrer toten Mutter und Gesprächen mit Leuten aus der Gemeinde können sich die Kinder einen Selbstmord nicht vorstellen. Der Angestellten einer nahe gelegenen Tankstelle hatte sie wenige Stunden vor ihrem Tod versprochen, ihr später Eier der Hühner vorbeizubringen. Mit einem Bekannten verabredete sie sich, wegen eines Antrags auf Erweiterung ihrer Arbeitslosenhilfe nach Palma zu fahren.

Das Auto, ein Renault 5 GTL, stand unverschlossen auf dem Weg zum Haus, im Handschuhfach war Bargeld. Davon abgesehen, dass sich kein Testament der Toten im Haus fand, hätte ihre Mutter niemals die zuletzt verbliebenen sieben Hunde und acht Katzen einfach so ihrem Schicksal überlassen, nachdem sie ihr Leben den Tieren gewidmet hatte, meint Moreno.

Auch das Verhältnis zur Guardia Civil in Vilafranca, die für den Fall zuständig ist, war nicht das beste. Die Beamten waren wohl genervt von den ständigen Anzeigen der nimmermüden Tierschützerin - zuletzt habe sich ihre Mutter deswegen wegen Fällen von Tierquälerei direkt ans Gericht gewandt.

Dass Araceli Currás das Grundstück verkaufen wollte, davon zeugt ein aufgemalter Schriftzug an der Mauer neben dem Holztor, der dort offenbar schon seit Jahren prangt. „Zu verkaufen", steht dort auf Deutsch. Ihre Landsleute habe sie als Käufer nicht in Erwägung gezogen, meint ihre Tochter, mit den Deutschen habe sie sich besser verstanden. Was jetzt mit dem Grundstück passieren soll, darüber wollen sie und ihr Bruder erst nachdenken, wenn sie mehr über den Tod ihrer Mutter wissen.