Nicht nur das Wort Ombudsmann, das Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals in Schweden Erwähnung fand, ist nordischen Ursprungs - in Palma ist es auch die Amtsinhaberin selbst: Vor einigen Wochen ernannte die Stadtregierung eine Finnin zur defensora de la Ciudadanía. Sie heißt Anna Moilanen und kam mit Anfang 20 erstmals nach Mallorca, um einen Sommer lang als Reiseleiterin zu arbeiten. Weil es mit dem Medizin­studienplatz in ihrer Heimatstadt Oulu nichts wurde, beschloss sie, ihren Inselaufenthalt noch einmal um ein Jahr zu verlängern. Sie jobbte zunächst als Stewardess beim spanischen LTU-Ableger und schrieb sich dann an der Balearen-Universität für Vorschul- und Sozialpädagogik ein. Nach dem Abschluss machte sie noch einen Master in Entwicklungszusammenarbeit, arbeitete viele Jahre lang von der Insel aus fürs UN-Kinderhilfswerk Unicef - und hält Mallorca seit inzwischen drei Jahrzehnten die Treue.

Nun also ist die 53-Jährige Ombudsfrau der Bürger von Palma. Als solche muss sie sich nicht nur für deren Rechte einsetzen, sondern sich zunächst einmal deren Sorgen und Nöte anhören. Auf der Tagesordnung ganz oben stehen da Klagen über verdreckte Straßen und die nicht funktionierende Sperrmüll-Abholung, über lärmende Bars und andere Verstöße gegen die städtischen Verordnungen oder den unzureichenden öffentlichen Nahverkehr. In manchen Fällen leiten Moilanen und ihre drei Mitarbeiter die Bürger einfach nur an die zuständigen Stellen weiter, um auf schnellem Wege Abhilfe zu schaffen. In anderen Fällen werden sie selbst aktiv, um nach Lösungen zu suchen. „Denn in den meisten Fällen hat der Bürger recht, ist aber machtlos", sagt Moilanen.

In den vergangenen vier Jahren war der Posten vakant - nachdem der bisher einzige Ombudsmann in der Stadtgeschichte, Miquel Lladó, nach nur zwei Jahren im Amt 2012 überraschend verstorben war. Ebenso überraschend kam es für Moilanen, dass sie plötzlich als dessen Nachfolgerin im Gespräch war. „Ich wusste nicht mal, dass man im Rathaus meinen Namen kannte." Vorgeschlagen hatte sie ein Mitglied der konservativen Volkspartei (PP) - dabei steht die Finnin der PP ebenso wenig nahe wie allen anderen politischen Gruppierungen. Für den Podemos-Ableger Som Palma reichte die Empfehlung durch eine „korrupte Partei" allerdings aus, um sich bei der Ernennung zu enthalten. Alle anderen Parteien, egal ob links oder liberal, stimmten am Ende für sie. „Die Bürger von Palma hätten eine einstimmige Wahl verdient, aber jetzt ist es nun mal so gekommen", bedauert die Finnin.

Für Polemik hatte zunächst auch ihr Jahresgehalt von knapp 40.000 Euro gesorgt, das im Gesetz für den Ombudsmann vorgesehen ist - und das Moilanen anders als ihr Vorgänger auch kassieren wird. Lladó habe als Rentner eine Pension und weitere Einnahmen aus seinen Geschäften bezogen, rechtfertigt sie sich. „Außerdem verdiene ich nicht mehr als ein Stadtrat in der Opposition, und der repräsentiert wesentlich weniger Bürger als ich."

Auf sich aufmerksam gemacht hat Moilanen offenbar durch ihr langjähriges soziales Engagement auf der Insel. In den vergangenen beiden Jahren hatte sie sich rein ehrenamtlich dem Zentrum für Sonderpädagogik in Son Ferriol gewidmet, viele Jahre lang war sie außerdem in der Gefängnisseelsorge und in der evangelischen Gemeinde in Palma engagiert. Zuvor hatte die Finnin viele Jahre lang das Unicef-Büro auf den Balearen geleitet, zuletzt betreute sie für Unicef Spanien außerdem mehrere Projekte, darunter eines zum Kampf gegen Kinderpros­titution im Tourismus.

Als hierfür EU-Subventionen bewilligt wurden, die fortan mindestens wöchentliche Treffen in Madrid erforderlich machten, musste Moilanen sich entscheiden - zwischen dem Job und Mallorca. „Da verließ ich Unicef, denn mein Leben ist hier auf der Insel." Ihres und das ihrer 22-jährigen mallorquinischen Adoptiv­tochter mit Downsyndrom, die sie im Alter von drei Monaten aufnahm. „Sie ist das Beste, was die Insel mir gegeben hat", sagt Moilanen - die sich diesen Schritt lange überlegte, wie sie erzählt. „Ich habe hier schließlich keine Familie, da ist das eine große Verantwortung. Aber es war die beste Entscheidung meines Lebens."

Anpacken statt wegschauen, machen statt meckern lautet seit jeher Moilanens Devise. Sie könne es nicht ertragen, Ungerechtigkeiten oder Missstände zu sehen. „Ich muss da tätig werden." Ihre Tochter und der Kontakt zu anderen Eltern mit Kindern mit Behinderung haben sie noch enger mit der Inselgesellschaft zusammengeschweißt, erzählt die Finnin. „In einem Verein kämpfen wir gemeinsam dafür, dass unsere Kinder ein besseres Leben haben." Und aus dem gemeinsamen Engagement seien längst wunderbare Freundschaften entstanden.

Die Nähe zu den Mallorquinern hat Moilanen allerdings schon kurz nach ihrer Ankunft auf der Insel im Jahr 1985 gesucht. „Ich wollte die Zeit nutzen, um die Kultur und die Sprachen der Insel kennenzulernen." Dass es hierfür nötig war, die typischen Urlauberhochburgen wie Arenal und Palmas Gomila-Viertel, wo damals die Skandinavier ­abstiegen, zu verlassen, hatte sie schnell erkannt. „Ich gönnte mir den Luxus, mich zu verlieren und war von Anfang an sehr gut integriert."

Dass sie nun sogar zur Ombudsfrau von gut 400.000 palmesanos ernannt wurde, sei für sie dennoch eine außergewöhnliche Ehre - aber auch ein klares Signal der Mallorquiner, dass sie durchaus bereit sind, Ausländer in ihrer Mitte aufzunehmen. „Dass sie uns nicht reinlassen würden, ist nicht wahr, mein Fall beweist das - es liegt allein an uns", sagt Anna Moilanen. Wer sich für die Belange der Insel und ihrer Bewohner interessiere, werde auch akzeptiert. „Egal ob er schwarz oder blond ist."

Als Ombudsfrau will sie deshalb in den kommenden fünf Jahren nicht nur in den Stadtteilen Präsenz zeigen und sich mit Bürgern und Vereinen treffen. Gerade von den ausländischen Residenten erwartet sich Moilanen außerdem, dass sie sich mehr ins Inselleben einbringen. Denn oftmals, so scheint es ihr, gingen die Interessen der Ausländer nicht über ihre eigenen Belange hinaus. „Warum gibt es noch keinen Deutschen in der Denkmalschutzvereinigung Arca, warum gibt es in all den Hilfsorganisationen keine Schweden oder Briten? Warum gehen wir nicht mehr aus uns heraus?", fragt sich die Finnin.