Für Aufmerksamkeit sorgte die Gruppe schon beim Einchecken am Flughafen. Jedes Mal wenn einer der fünf jungen Männer durch die Sicherheitskontrolle schritt, piepste es. „Es waren die Stahlkappen unserer Arbeitsschuhe", sagt Tim Rosenkranz. Die jungen Männer aus Oldenburg, die für eine knappe Woche auf der Finca Ses Oliveres bei Llubí wohnen, sind zum Arbeitsein­satz nach Mallorca gereist. Und der ist Teil eines Austausches zwischen den Gemeinnützigen Werkstätten Oldenburg und Mater Misericor­diae, einem mallorquinischen Träger. Beide Organisationen betreuen und unterstützen Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung, betreiben Werkstätten und Wohnheime, aber auch Cafés, Läden und Hotels.

Christian Luks, Isad Muric, Jonas Söhlke, Tim Rosenkranz und Stefan Hapke werden bei der Olivenernte helfen. Es ist noch früh an diesem Montagmorgen (31.10.), aber die norddeutsche Gruppe hat schon die Eier der frei laufenden Hühner auf der Finca eingesammelt. Die mallorquinischen Kollegen werden sie reinigen, sortieren und für den Verkauf fertig machen. Die Oldenburger wohnen auf dem Gelände in einem Haus, das Mater sonst zur Ferienvermietung nutzt. Direkt daneben befinden sich die Felder mit 1.600 Olivenbäumen.

Der Reif liegt noch schwer auf dem Gras, der Nebel zieht langsam durch die Baumreihen. „Wir warten noch ein bisschen, bis es trockener wird", sagt Irene Andrés. Die gelernte Gärtnerin betreut die Olivenernte. Zuerst wird Kaffee gekocht, zur Stärkung, denn gleich wird es körperlich anstrengend. Die Oldenburger Gruppe ist gut vorbereitet: Tim hat sogar seine eigenen Handschuhe mitgebracht, grüne oder graue Arbeitsoveralls tragen sie alle. Die Männer zwischen 25 und 28 Jahren arbeiten in Deutschland im Gartenbau, sie wurden für den Austausch ausgewählt, weil die Olivenernte ihren Fähigkeiten entspricht. Stefan Böckmann und Frank Müller begleiten sie als Betreuer.

Irene Andrés hat ein kräftiges Organ und kann schreien. Das muss sie auch, denn sie wird den Traktor lenken und den Männern Befehle zurufen. „Ganz, ganz wichtig ist die Sicherheit", schärft sie immer wieder ein. Jeder der Männer bekommt einen mit Druckluft betriebenen Rechen in die Hand, ein langes Kabel verbindet diese Art „Baumkamm" mit dem Kompressor hinten auf dem Traktor. „Wenn ich hupe, dann müsst ihr zu mir schauen", schärft Irene Andrés den Gästen ein.

Jonas und Christian stellen sich links vom Traktor auf, Tim und Stefan rechts. Isad bleibt bei Frank Müller, denn er spricht nur Kroatisch und wenig Deutsch. Vorne, auf die Ladefläche des Traktors, steigt Rafa, ein Mallorquiner, der mit einem kleineren Kamm die Oliven aus den Bäumen bürsten wird. Es geht los: Irene dockt den Traktor am Baum an, umfasst den Baumstamm mit einer Vorrichtung, und mit einem Wusch zieht sich das plastikbespannte Netz, ähnlich den Flügeln einer Fledermaus, um den Stamm. „Damit keine Oliven auf die Erde fallen", erklärt die Mallorquinerin.

Die Rechen vibrieren, die Männer kämmen von oben nach unten, einige Oliven fliegen im hohen Bogen über die Plane. Tim muss ein wenig improvisieren. Der sportliche Mann hat eine Halbseitenlähmung, er stabilisiert geschickt den aplauso, wie der Rechen auf Spanisch heißt, in seiner linken Armbeuge und manövriert ihn mit dem rechten Arm. Die Oliven prasseln auf die Folie. Die Jungs flachsen, die Stimmung ist locker. Anstrengend? „Wir sind ganz anderes gewohnt", meint Christian.

Zehn Bäume schafft die Gruppe an diesem ersten Morgen. Dann ruft Manu Barceló die Männer zu sich.

Er ist für das Pressen des Bio-Öles zuständig. Es ist das erste Jahr, dass Mater eine eigene Presse hat, die Jahre davor lieferte man die Ernte in der Kooperative von Llubí ab. Manu muss gegen den Lärm der Maschinen reden, das Gebläse, um die Zweige von den Oliven zu trennen, brummt, der Waschgang zum Säubern rauscht. Manu nimmt es gelassen und erklärt den Männern ruhig, wie aus den eben geernteten Oliven ein hochqualitatives Öl der Kategorie Virgen extra wird.

Seit fünf Jahren besteht der Kontakt zwischen den Einrichtungen. Eine mallorquinische Gruppe war bereits in Oldenburg zu Besuch, die deutsche Gruppe ist schon zum zweiten Mal auf Mallorca. Stefan Böckmann, der die technische Leitung der Werkstätten in Oldenburg inne hat, wird sich die anderen Standorte von Mater ansehen. Neben der Finca Ses Oliveres betreibt die Organisation Hotels und Cafés und beliefert den Bio-Supermarkt Veritas mit ihren Produkten. Die deutschen Männer interessieren sich für die Arbeitsbedingungen der mallorquinischen Kollegen. Es sei ja nicht leicht, auf den sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu kommen, meint Tim Rosenkranz, der in Oldenburg außerhalb der Werkstätten arbeitet. Fernando Oliver, der den Austausch koordiniert, stimmt ihm zu. „Die spanischen Beschäftigten bekommen ein Grundeinkommen von 660 Euro, manche leben in der Einrichtung und zahlen eine geringe Miete, andere wohnen zu Hause." Die mallorquinische Gruppe, die sonst bei der Olivenernte hilft, hat heute Unterricht. Die Oldenburger Gäste werden sie in den nächsten Tagen bei der gemeinsamen Ernte kennenlernen.

14 Uhr, der erste Arbeitstag ist geschafft. Die Gruppe versammelt sich zum Mittagessen vor der Finca. Fernando Oliver bringt ein kleines Fläschchen mit frischem Olivenöl von der Presse. „Das ist von euch geerntet", sagt er. Auf die Frage, wie es ihm bisher auf der Insel gefalle, antwortet Tim Rosenkranz in norddeutschem Tonfall: „Läuft", und grinst breit.

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