Sie wirkt schüchtern, ja fast ein wenig menschenscheu. Doch wenn die 13-jährige María Puerto Fullana den Pinsel oder Farbtopf in die Hand nimmt, entstehen freie, fast wilde Bilder. „Hier habe ich Farbe mit Wasser in einem Beutel vermengt und ihn gegen die Leinwand geworfen." Der Farbfleck ist verlaufen, die flüchtigen Streifen und Spritzer verteilen sich über den hellen Hintergrund. „Dieses Bild habe ich ´Geschwindigkeit´ genannt", sagt María, „und das hier ´Langsamkeit´." Sie zeigt auf eine schwarze, asymmetrische Form.

María malt, seit sie vier Jahre alt ist. Mit der Muttermilch hat sie diese Neigung nicht aufgesogen, denn weder die Mutter, die als Storemanagerin einer großen Modefirma arbeitet, noch der Vater, der in der Abteilung Nuklear­physik der Universität der Balearen angestellt ist, bezeichnen sich als besonders künstlerisch kreativ.

Marías kleines Atelier im Keller des elterlichen Hauses in der Nähe von Esporles ist mit ihren Bildern gefüllt. An den Wänden stapeln sich Werke in verschiedensten Formaten, einige abstrakt, andere figurativ. Aktuell malt sie eine Serie auf Holz, viele Motive sind maritim. Das Bild mit dem schwarzen, von weißen Strichen durchzogenen Tintenfisch gehört zur Reihe „Sottomar". Bilder mit weißen Fischen auf grünem oder blauem Hintergrund stehen hinten an der Wand.

„Beim Malen kann ich mich ausleben. Wenn ich wütend über etwas bin, male ich, und danach geht es mir besser", erzählt sie. María hat schon einen Manager, ihren Vater. Er widmet Marías Arbeit jeden Nachmittag mindestens zwei Stunden. José Luis Puerto kam 2011 auf die Idee, einige Bilder seiner Tochter bei einem Wettbewerb einzuschicken. Die Bilder der damals Achtjährigen gefielen den Juroren. Seitdem heimst sie internationale Preise ein, tritt immer wieder in den Medien auf. Die Liste der vergangenen Wettbewerbe, die ihr Vater vorzeigt, ist lang. Allein für das kommende Jahr ist María bei sieben Wettbewerben angemeldet, darunter welche in Japan und Italien. An einigen von ihnen nehmen auch Profis teil.

Dabei ist die junge Malerin vor allem Autodidaktin. Die deutsche Kunsthistorikerin Uta Gritschke lebt in Palma. Sie kennt sich in der hiesigen Kunstszene aus und hat sich Marías Bilder näher angesehen. Gritschke begrüßt diese unvoreingenommene Herangehensweise: „Die Freiheit, mit der sie malt, ist toll, etwas absolut Erfreuliches. So malen Kinder, die mit abstrakter Kunst positiv konfrontiert wurden, die ermuntert wurden zu experimentieren mit Form und Farbe, ohne die Angst, etwas nicht korrekt darzustellen."

Der Antrieb, sich mit Farbe, Pinsel und Leinwand auszudrücken, kommt vor allem aus María selbst. Ihre Eltern lassen ihr freie Hand. „María ist schon so reif - sie selbst entscheidet, wann ein Bild vollendet ist. Manchmal lässt sie ein Werk monatelang ­stehen und setzt erst dann den letzten Pinselstrich", sagt ihr Vater. Damit sie sich technisch weiterentwickeln kann, ermöglichten ihr die Eltern Einzelunterricht bei den Künstlern Ricard Chiang und Carmen Cañadas. „Hier konnte ich meine Techniken in der realistischen Malerei verbessern", sagt María. Sie probiert Verschiedenes aus. Mal malt sie auf Leinwand, dann auf Papier, jetzt hat sie sich für Holz entschieden.

Den weißen Fisch auf Holz wird sie bei einem Wettbewerb in Tokio einreichen. Vielleicht wird auch bald der Airbus einer japanischen Fluggesellschaft mit einem Entwurf von ihr bemalt. Den Wettbewerbsbeitrag dafür hat sie vor wenigen Tagen abgeschickt, Tendenz abstrakt und bunt.

Die junge Mallorquinerin spricht leise und hastig, ihren weißen Malerkittel hat sie sich übergezogen, die braunen Haare zu einem hohen Zopf zusammengebunden. „Mit meinen Freunden spreche ich nicht gerne über meine Malerei", sagt sie, „da reden wir lieber über ´normale´ Sachen." Der Erfolg scheint ihr fast ein wenig peinlich zu sein. „Ein bisschen stolz bin ich natürlich", gibt sie zu, „der Rummel ist mir aber oft unangenehm." Wenn sie von ihren Ideen erzählt, hört man eine selbstbewusste junge Frau heraus. Zwischendurch steckt ihr Vater den Kopf zur Ateliertür herein. María winkt ihn mit einer fast ungeduldigen Handbewegung hinaus. Die junge Künstlerin ist ein Teenager, der sich langsam abnabeln möchte und gleichzeitig noch Kind ist.

Der Alltag der 13-Jährigen ist strukturiert. Nach der Schule stehen Hausaufgaben auf dem Programm. „María ist jemand, die in dem, was sie tut, exzellente Leistungen erreicht", erzählt ihr Vater. „Sowohl schulisch als auch außerschulisch. Wir haben sie zum Beispiel für rhythmische Sportgymnastik angemeldet, und sie war innerhalb kurzer Zeit ganz vorne mit dabei."

Druck kann hinderlich sein, wenn beim Malen kreative Prozesse in Gang kommen sollen. Ihr Vater versucht deshalb, ihr den Rücken frei zu halten. „Ich bin ihr Filter. Meine Tochter soll sich auf keinen Fall stressen. Ich organisiere ihre Termine, suche Wettbewerbe für sie heraus und schlage ihr die Themen vor. María alleine entscheidet, ob sie mitmachen möchte." Eine eigene Modekollektion hat die 13-Jährige auch schon. Das US-Label „Vida" vertreibt Halstücher und Taschen mit ihren Designs. „Als Erstes kommt die Schule, dann die Familie und Freunde und dann die Malerei. Wenn María von einem Tag auf den anderen damit aufhören möchte, dann ist das auch in Ordnung", versichert ihr Vater.