Wenn Pedro Barreto den Namen La Oroya ausspricht, dann überkommt ihn gleichzeitig Traurigkeit und das kalte Grausen. „Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, die vergifteter sind", klagt der 73-Jährige. Der eher unscheinbar daherkommende Mann ist der Erzbischof der vor allem von Quetschua-Indios bewohnten peruanischen Anden-Diözese Huancayo. In dem unwirtlichen, weil in 3.750 Metern Höhe gelegenen Minenort leben die Menschen fast ausschließlich vom Blei-, Kupfer-, Zink- und Silberbergbau. Für internationale Konzerne schinden sie sich in kilometerlangen Stollen in eisiger Kälte, draußen erwartet sie eine verwüstete Landschaft.

Der Jesuit studierte Philosophie in Alcalá de Henares, in der Nähe von Madrid, bevor er 1971 in Peru zum Priester geweiht wurde. Er sitzt an einem einfachen Tisch in einem karg eingerichteten Raum der Casa de la Iglesia, dem Kirchenhaus in der Altstadt von Palma. Er lächelt nicht huldvoll, sondern scheu, und erlaubt sich einen kurzen Witz über seine Frisur. An der Wand hängt ein kleines Schwarz-Weiß-Bild von Papst Franziskus.

Barreto hat auf dem Weg nach Rom einen Zwischenstopp auf Mallorca eingelegt und auf Einladung von Caritas in Manacor, Inca und Palma Vorträge über die ökologische Enzyklika Laudato si´ gehalten. „Es ist an der Zeit, verstärkt den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und dem Leid der Menschen anzusprechen", sagt er.

In der Anden-Diözese, der er seit 2004 vorsteht, ist dieses Problem mit Händen zu greifen: Seit 1928 wird hier Bergbau betrieben und die Umwelt geschunden. „Der Mantaro-Fluss, der durch La Oroya und Huancayo fließt, ist eine einzige Giftbrühe, Fische gibt es darin schon sehr lange nicht mehr." Die Luft sei so schlecht, dass man nachts vor Atembeschwerden kaum schlafen könne. Die umliegenden Berge sind weiß: „Das kann man sogar aus dem All erkennen, schauen Sie bei Google Maps nach, aber nicht vom Schnee, sondern von einer fünf Zentimeter dicken Kruste aus mikroskopisch kleinen Blei-Partikeln." Mit katastrophalen Folgen für die Gesundheit: Das Blut der Kinder enthalte viermal so viel Blei wie das Blut von Kindern in nicht verseuchten Gebieten.

„Wir müssen endlich begreifen, dass die Natur und der Mensch nicht zwei verschiedene Dinge sind, sondern zusammengehören", sagt Barreto. Sein Engagement hat ihn bei Minenkonzernen unbeliebt gemacht. Er hat schon mehrfach Morddrohungen erhalten.

Die päpstliche Enzyklika Laudato si´ wurde am 18. Juni 2015 in acht Sprachen feierlich veröffentlicht. Franziskus brachte damit auch seinen Unmut über die 20. UN-Klimakonferenz zum Ausdruck, die vom 1. bis 13. Dezember 2014 in Erzbischof Barretos Heimatstadt Lima stattgefunden hatte und keine greifbaren Ergebnisse brachte. Nach der Enzyklika fand vom 30. November bis zum 11. Dezember 2015 eine weitere Weltklimakonferenz statt. In Paris war man erfolgreich: Unter anderem wurde ein Klimaabkommen beschlossen, das die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad, vorsieht. Um dieses Ziel überhaupt noch erreichen zu können, muss die Welt die Nettotreibhausgasemissionen zwischen 2045 und 2060 auf null zurückfahren.

Vor Franziskus war die katholische Kirche nicht unbedingt durch ihr Engagement für die Umwelt in Erscheinung getreten. Dieses Thema überließ man Basisgruppen. Doch angesichts des immer dramatischeren Klimawandels setzte ein Umdenken ein. Und es ist radikal. Franziskus verurteilt in der Enzyklika einen „despotischen Anthropozentrismus" und spricht von der „Schwester Erde", die aufschreit unter ihrer grenzenlosen Ausbeutung. Er schreibt, „dass wir selbst Erde sind".

Die Katastrophe von Huarmey

Dass die Lage ernst ist, hat Erzbischof Barretos Land Peru erst vor Kurzem wieder erlebt: Auch die in der zweiten Märzhälfte von mehreren Schlammlawinen heimgesuchten Einwohner des im sehr trockenen Küstengebiet nördlich von Lima gelegenen Ortes Huarmey sind nach Ansicht des Kirchenmanns - wenn auch indirekter als in den Anden - Opfer der Veränderung der Umwelt durch den Menschen. Mehr als 80 Menschen starben in den Schlamm­massen.

„Die Folgen des Klimaphänomens El Niño werden durch den Treibhauseffekt immer verheerender", so der Erzbischof. Alle sieben Jahre verdrängt eine warme Meeresströmung den kalten Humboldt-Strom und führt dazu, dass es an der Küste des ­Landes zeitweise Bindfäden ­regnet: Erdrutsche, Schlammlawinen, Überschwemmungen sind dann die Folgen. Es sei eine schreiende Ungerechtigkeit, dass Peru nur 0,05 Prozent der weltweiten Treibhausgase ausstoße, aber anders als viele hauptverantwortliche Staaten mit voller Wucht mit den Konsequenzen zurechtkommen müsse, sagt Barreto. „In Huarmey sahen wir mal wieder, dass die Natur zurückschlägt, wenn wir sie schlecht behandeln."

Seinen Sinn für die Umwelt hatte er bereits als junger Bischof geschärft. „Zwei Jahre lang arbeitete ich im Amazonas-Urwald eng mit den Mitgliedern dortiger Indio-Völker zusammen", sagt Barreto. „Mich beeindruckte, wie sehr sie im Einklang mit der Natur leben." Gleichzeitig musste er dort mit ansehen, wie immer größere Flächen Wald gerodet wurden, um Palmen-Plantagen Platz zu machen.

Der Hirte aus dem fernen Land sitzt weiter am Tisch in der Casa de la Iglesia in Palma. Er hat sich viel Zeit genommen für die MZ-Reporter und lässt sich bereit­willig in einem der mittelalterlich anmutenden Innenhöfe fotografieren. Sobald er beim Vatikan in Rom ist, wird er mit anderen Bischöfen seines Landes mit Franziskus sprechen - auch über den Klimawandel. Zum Abschied sagt er noch etwas, das ihm auf der Seele brennt: „Letztendlich geht es doch um eines, und es drängt die Zeit: Wir müssen das Leben respektieren und immer das Wohl der Erde im Auge behalten."