Wenn Henning Krautmacher über die zunehmende Popularität des Schlagers in Deutschland spricht, überschlägt sich hörbar seine Begeisterung. „Der Pop hat den Schlager geheiratet", so der 60-jährige Frontmann der Höhner („Viva Colonia", „Wenn nicht jetzt, wann dann?") zur MZ. Klar, dass die Kölsche Spaß- und Karnevals-Band, die in kein Raster passt, im Zuge der Verschmelzung der Genres am Mittwoch (7.6.) bei der Palma-Sause „Schlager am Meer" des Zampanos Florian Silbereisen auftritt.

„Früher wäre es undenkbar gewesen, dass beispielsweise Xavier Naidoo mit Howard Carpendale singt, heute ist das gang und gäbe", freut sich Krautmacher. Er erklärt sich die Entwicklung des Schlagers vom verstaubten Fön-Image zur jetzigen Erlebniskultur damit, dass die „nachwachsende Generation keine Vorurteile" mehr habe. Zwar gebe es noch „ewig Gestrige", aber die würden „bald auch mitgerissen". Die „Zeit der Ressentiments" und des „faden Beigeschmacks" beim Hören dieser Musik sei halt endgültig vorbei. Außerdem habe sich die Qualität entscheidend verbessert. Krautmacher ist sich sicher, dass „die Mode, bei Schlagerkonzerten mit voller Leibeskraft mitzusingen, von Köln ausging."

Den neuen Trend habe Silbereisen rechtzeitig erkannt. Angesichts der Tatsache, dass selbst Teenager Schlager jetzt cool fänden, erkläre sich das Konzept des Events von selbst: „Etablierte und Nachwuchsstars treten zusammen auf", so Krautmacher. Er sieht Silbereisen als einen „Freund", „der immer auf jüngere Musiker setzte und damit Erfolg hatte". Ein Beispiel sei die Gruppe Feuerherz, die momentan spielend jeden Saal vollkriege.

In diesem Zusammenhang sieht Krautmacher die Tatsache, dass Silbereisens Lebensgefährtin Helene Fischer am Samstag (27.5.) beim DFB-Pokalfinale zwischen Dortmund und Frankfurt ausgebuht wurde, nur als Unfall. „Ein Fußballevent passt einfach nicht zu einer Schlagerdarbietung". Im Übrigen sei Fischer halt Dortmund-Fan, was den Frankfurtern mutmaßlich nicht gepasst habe.

So offen wie es in der neudeutschen Pop-Schlager-Kultur zugeht, die Höhner machen sich nicht gemein mit dem Ballermann. „Wir hatten das mal probiert, wollen das aber nicht wieder machen", so Krautmacher. Bei Silbereisen werde „nicht gegrölt", das sei ein „seriöser Rahmen" - populäre Unterhaltung mit Niveau halt. „Die Veranstaltung fördert die Musikkultur und tut der Insel gut."

Wenn die Höhner ihren Gassenhauer „Viva Colonia" schmettern („die Endfassung wurde im Hotel Lindner auf Mallorca eingespielt"), dann treten sie allerdings nicht komplett auf. „Saxophonist Jens Streifling hatte einen Meniskus-Abriss", so Henning Krautmacher. Was ihn aber nicht Trübsal blasen lässt. Er geht davon aus, dass Silbereisen („wir gehören quasi zu einer Familie") mit seinem Akkordeon einspringt.

Schlager am Meer: Wer auftritt, bis wann man reinkommt, was es kostet

Neben Florian Silbereisens seit etwa einem Jahr existierenden Trio Klubbb3 (mit dabei: der Niederländer Jan Smit und der Belgier Christoff De Bolle) und den Höhnern treten noch eine Reihe anderer Künstler bei dem Event auf. Urgesteine wie Insel-Größe Jürgen Drews („Ein Bett im Kornfeld" / 1976), Nicole (Eurovisions-Siegerin 1982 mit „Ein bisschen Frieden"), das eher in Österreich bekannte Duo Simone & Charly Brunner, aber auch schnittige Newcomer, die die Youngster kirre machen sollen.

Zu letzteren gehören unter anderem die aus Wolfsburg kommende ehemalige Punk-Jule und jetzt keltisch-sphärisch auftretende Oonagh (2006: „Scheißegal", 2016: „Märchen enden gut") und die „Deutschland-sucht-den-Superstar" (DSDS)-Siegerin von 2013 Beatrice Egli. Auch dabei ist der Deutsch-Spanier Álvaro Soler, der im Jahr 2015 mit seinem Hit „El mismo sol" einen Ohrwurm sondergleichen in den deutschsprachigen Ländern, in Italien und auch in Spanien landete. Nicht zu vergessen sind auch Olaf, der Flipper, die DSDS-Sechste von 2006 Anna-Maria Zimmermann und der Berliner Jörn Schlönvoigt. Als Reminiszenz an den Ballermann kommt Mickie Krause.

Die Sause am Moll Vell (Carrer del Moll, 11) beginnt um 21 Uhr, dauert bis etwa 23.30 Uhr und wird für den öffentlich-rechtlichen Sender MDR aufgezeichnet. Eingesetzt werden sechs Kameras, es werden fünf Kilometer Kabel verlegt. Laut dem Sender wird die Logistik mit mehreren 40-Tonnern auf Fähren von Barcelona nach Mallorca geschafft. 100 Personen vom MDR, dem Veranstalter und Technikfirmen wirken mit. Die Aufbau-Arbeiten beginnen am Montag (5. 6.), die Ausstrahlung ist für den 12.8. vorgesehen. Einlass-Ende ist 20.30 Uhr, 3.000 Zuschauer kann das Areal fassen. Der Eintrittspreis beträgt 33 Euro pro Person, wer zu zehnt kommt, zahlt 29,70 Euro (Tickets:

eventbrite.de). Angeboten werden nur Stehplätze.