Er hat sich Zeit genommen für ein Interview. Luis Fonsi sitzt in einem Hotelzimmer in Paris am Telefon. Der Latino-Star von der Karibikinsel Puerto Rico schaffte es, mit dem Song „Despacito" bislang auf mehr als zwei Milliarden Streams auf Youtube und Platz 1 bei Spotify in 17 Ländern zu kommen. In den Charts eroberte der eingängige Ohrwurm auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz den ersten Platz, in insgesamt 30 Ländern rückte er in die Top Ten auf. Der seit 1989 in Orlando im US-amerikanischen Bundesstaat Florida lebende 39-Jährige, der akzentfrei Englisch spricht und sich als Kind unter anderem von der Teenieband Menudo mit dem jungen Ricky Martin hatte inspirieren lassen, sieht dies als völlig unerwarteten Erfolg.

Kann es sein, dass „Despacito" einen Wechsel weg von den so viele Jahre weltweit schon dominierenden englischsprachigen Songs einleitet?

Das weiß ich nicht, aber ich hoffe, dass es so ist. Die Latino-Musik erlebt derzeit weltweit einen Höhenflug. „Despacito" bringt mich in die Welt hinaus. Zwar habe ich Songs gesungen, die in spanischsprachigen Ländern Nummer-1-Hits waren, aber „Despacito" erreichte kulturell und religiös ganz anders geartete Staaten. Der Song hat viele Menschen sehr positiv berührt. Es ist sehr schwierig, in einem so komplexen Markt wie dem englischsprachigen zu siegen. In den letzten 50 Jahren gelangten nur drei Latino-Songs so weit nach oben: „La Bamba", „Macarena" (von den Spaniern „Los del Río", d. Red.) und jetzt „Despacito". Das passiert nur einmal in jeder Generation.

Warum konnte „Despacito" so weit kommen?

Ein Patentrezept gibt es nicht. Das Wunderbare ist, dass du in dieser Branche nie vorher weißt, wann sich ein Song durchsetzt. Und das überrascht einen. Es gibt Songs, von denen du glaubst, dass sie eigentlich funktionieren müssen, was aber - sobald sie auf dem Markt sind - nicht passiert. Obwohl es kein Patentrezept gibt, zeichnet „Despacito" einiges aus, was funktioniert: eine eingängige Melodie, sich reimende Refrains und der Urban-Pop-Stil, wie ihn (der puertoricanische Rapper, Anm. d. Red.) Daddy Yankee pflegt.

Erinnern Sie sich daran, wie es war, als Sie den Song komponierten?

Ja. Ich komponierte ihn mit der gleichen Gitarre wie die romantischen Balladen. Ich hatte die Melodie im Kopf und stellte den Text nach drei oder vier Stunden zusammen mit meiner Freundin Erika Ender fertig. Danach ergab sich alles quasi von selbst.

Mahnen Sie mehr Gelassenheit auf der Welt mit dem Song an?

Ja. Wir leben in einer Welt, in der es keine Ruhe mehr gibt und in der wir alles sofort haben wollen. Wir sind an Unmittelbarkeit erkrankt. Ich glaube, dass es bestimmte Dinge gibt, mit denen wir gelassen umgehen müssen. Wir sollten die Telefone liegen lassen und die Landschaft, das Leben und die Liebe genießen. Das ist die Parallelbotschaft des Songs, der sich vor allem mit der Liebe eines Paares beschäftigt.

Wie kamen Sie denn zur Musik?

Die Musik war schon immer mein Leben. Sie hat mich immer begleitet, auch in meiner Kindheit. Ich hatte Klavier-, Gitarren- und Gesangsstunden, und das Tag für Tag. Für mich war immer wichtiger, Musiker als Prominenter zu sein.

Sie haben immer viel mit Frauen zusammengearbeitet ?

Ja, vor allem beim Komponieren. Ihre Perspektive ist wichtig für mich. Für fast alle meine Songs habe ich mich von Frauen inspirieren lassen. Sie helfen mir dabei, besser die zentrale Idee eines Songs auf den Punkt zu bringen. Diese Art des Arbeitens verleiht mir Sicherheit.

Der Reggaeton-Stil geht auf spezielle Weise mit Frauen um. Ist das machistische Musik?

Ich kann nur von meiner Musik reden. Meine Songs und Texte waren immer romantisch und hoben die Frau so hoch wie es nur geht auf einen Schild. In der Musik gibt es unterschiedliche Genres und Musiker. Es gibt sehr harte und gar nicht harte Songs. Das Schöne an der Musik ist, dass es sich um Kunst handelt und dass sich jeder wie er will ausdrücken kann. Danach können die Leute entscheiden, was sie hören wollen.

Was werden Sie bei Ihrem Konzert in Palma de Mallorca alles singen?

Es wird das zweite Mal sein, dass ich nach Mallorca komme. Erstmals war ich 2009 während meiner Tournee „Palabras del silencio" hier. Ich werde in meinem Konzert sämtliche meiner Erfolge darbieten.

Glauben Sie, dass ein Latino der nächste Präsident der USA werden kann?

Das würde mich freuen. Alles ist besser als Trump.

Das Konzert in der Stierkampfarena Coliseo Balear beginnt um 21.30 Uhr.