Wäre Gust Graas nicht gewesen, eine ganze Generation von TV-Zuschauern hätte Karlchen nicht kennengelernt, wüsste nicht, wer Hans Meiser ist. Anfang der 80er-Jahre hat Graas RTL in Köln gegründet. Geboren wurde der 92-Jährige in Esch an der Alzette in Luxemburg. 16 Jahre alt war er, als die Deutschen Luxemburg besetzten, er musste nach Linz in Österreich zum Arbeitsdienst, später auch nach Polen, wo er als berittener Kanonier eingesetzt wurde. Ihm gelang die Flucht, der Widerstand versteckte Graas in Luxemburg.

Nach dem Krieg studierte er Jura in Löwen (Belgien) und Paris, arbeitete als Anwalt in Luxemburg und wechselte 1952 zur CLT-RTL-Medien-Gruppe. Nebenbei gemalt hat er schon immer. Wir treffen Gust Graas in seinem Atelier in Pollença, wo er ein Ferienhaus besitzt. Dutzende Gemälde, Zeichnungen, und Skulpturen lagern in dem kühlen Steingebäude eines ehemaligen Bauernhofes. In wenigen Tagen findet eine Ausstellung mit vielen seiner Zeichnungen in der „Ahoy! Art Gallery" in Palma statt.

Sie haben Jura studiert, einen Radiosender und die Airline Luxair in Luxemburg gegründet, RTL auf Sendung gebracht, wofür Ihnen vielleicht nicht jeder dankbar ist, und Sie malen. Was sind Sie? Medienmogul? Unternehmer? Künstler?

(lacht) Ich hatte ein interessantes Leben. 20 Jahre war ich Präsident von Luxair, ich bin so viel durch die Welt gereist. Nach der Kulturrevolution war ich einer der ersten, die mit den Chinesen verhandelt haben. Die wollten damals einen Fernsehsender aufbauen, der Filme aus Amerika zeigt. Da es kein Copyright in China gab, haben die Amerikaner abgelehnt. Aber das Einzige, was ich heute noch mache, ist malen.

Sie gelten als Entdecker von Frank Elstner. Wie ist das passiert?

Er kam einfach. Frank Elstner war ein ganz junger Lehrer damals. Jeden Monat kam er mit einer neuen Idee. Bei 'Wetten, dass..?' habe ich ihm gesagt, er soll damit zum ZDF gehen. Damals waren wir noch nicht so weit. Ich bedaure heute noch, dass ich ihm nie angeboten habe, Fernsehdirektor zu werden.

Sind Sie heute noch befreundet?

Wir sind sehr befreundet. Durch ihn bin ich nach Mallorca gekommen. Er hatte uns damals zu seiner Hochzeit eingeladen, und wir haben uns hier ein Ferienhaus gekauft. 1989 sind wir dann auf die Insel gezogen und haben 15 Jahre hier gelebt. Das waren sehr glückliche Zeiten.

Wo leben Sie heute?

In Luxemburg, wo meine Familie lebt. Leider ist meine Frau vor sechs Jahren gestorben. Seitdem bin ich ein wenig isoliert von den Menschen.

Wie sind Sie damals auf die Idee gekommen, einen privaten Fernsehsender in Deutschland zu gründen?

Der Grund war Europa. Schon als Student habe ich eine Vereinigung ins Leben gerufen, die daran interessiert war, die Länder Europas zusammenzubringen. Nach dem Krieg war mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. RTL sollte dazu beitragen, Europa voranzubringen. Ich habe aus diesem Gedanken heraus viele Gesellschaften gegründet. Ich bedaure es, dass die Engländer Europa verlassen. Was dann geschieht, weiß man nicht.

Mit der Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten wurde die Anti-Europa-Bewegung ein wenig eingedämmt.

Das ist gut, aber was der alles auf sich geladen hat! Ich weiß nicht. Frankreich ist auch nicht so stark wie Deutschland. Früher habe ich ganz Europa gekannt. Die Politiker und Intendanten. Heute habe ich kein gutes Empfinden für Europa mehr.

Mit Helmut Kohl wurde ein großer Europäer zu Grabe getragen. Haben Sie getrauert?

Nein. Ich fand es übertrieben, was da gemacht worden ist. Auch, dass seine Söhne nicht dabei sein sollten, die Geschichte mit seiner zweiten Frau, alles sehr kompliziert.

Hatten Sie ein gutes Verhältnis zu Kohl?

Als ich Helmut Kohl das erste Mal bei einem Mittagessen getroffen habe, hat er erstaunlicherweise kein Wort gesagt. Er hatte wohl gerade Probleme. Aber später hatten wir ein gutes Verhältnis, er war sehr für unsere Sache. Nur sein Vorgänger, Helmut Schmidt, wollte auf gar keinen Fall einen privaten, kommerziellen Fernsehsender in Deutschland. Nur über seine Leiche, hat er mir damals gesagt. Fünf Jahre bin ich danach von Ministerpräsident zu Ministerpräsident gezogen, um die Lizenzen für die Sendefrequenzen auszuhandeln. Johannes Rau hat uns dann nach Köln geholt, da haben wir mit 33 Leuten bei RTL angefangen.

Schauen Sie noch Fernsehen?

Ich schaue meistens das deutsche Fernsehen. Aber für die Macher ist es schwieriger geworden. Sie haben auch durch das Internet sehr viel Konkurrenz.

Sie haben einmal gesagt, dass Ihre Bilder Ihr Gefühl für das Leben und dem Leben nach dem Tod ausdrücken. Sind Sie ein religiöser Mensch?

Ja. Ich gehe jeden Sonntag in die Kirche.

Was wollen Sie mit den vielen Werken anfangen, hier müssen ja Hunderte stehen!

Ich habe den Kindern gesagt, sie sollen alle Bilder verbrennen, die hier stehen.

Ist das nicht ein bisschen ex­trem?

Na, was sollen sie denn sonst damit machen? (lacht)

Ausstellung: „Gust Grass, Inspired by Mallorca" in „Ahoy! Art Gallery" Palma, Carrer de la Concepció, 6, 07012 Palma.