Ländlich gelegene Fincas mit einem kilometerlangen, holprigen Zufahrtsweg sind für Ralf zur Linde (47) kein Ausschlusskriterium. Der Mathelehrer, Programmierer und Spiele­erfinder aus Bielefeld lebt schließlich selbst in einem Ferienhaus, das nur umständlich über schmale Feldwege zu erreichen ist - aber eine „Top-Lage" hat, wie er sagt. Der Geschäftsmann mit markantem Kopf begrüßt uns in seiner neu erbauten Villa mit Pool zwischen Olivenbäumen auf einem 66.000 Quadratmeter großen Hügel zwischen Artà und Son Severa, den er sein Eigen nennt. Von hier erkennt man rund einen Kilometer Luftlinie entfernt eine kleinere Finca, mit der Ralf zur Linde 2006, zunächst ganz unbeabsichtigt, den Grundstein für seine Ferienhausvermittlung Fincallorca legte.

Die Finca erstand der frühere Lehrer und Dozent an der ­Bielefelder Universität mit dem Preisgeld für ein Bildungssoftwareprogramm, das er für seine Studenten geschrieben hatte. Da er sein neues Urlaubsdomizil nur in den Schulferien ­nutzte, wollte er das Haus die übrige Zeit im Jahr vermieten. Er erstellte eine Online-Seite mit dem Namen fincallorca.de („alle anderen Namen gab's ja schon") und beauftragte seinen Freund Julian Grupp, einen Online-Marketingexperten, die Seite auf Google nach oben zu bringen - gegen zwei Wochen freien Finca-Urlaub auf Mallorca.

Gesagt, getan. Ein Jahr später wurden auf Fincallorca bereits die Landhäuser der deutschen Nachbarn gegen eine Provision mit angeboten. Drei Jahre lang lief die Vermittlung mit rund 30 Häusern auf kleinem Feuer, bis Ralf zur Linde 2010 beschloss, den Mathejob an den Nagel zu hängen und stattdessen Ferienhäuser auf Mallorca zu vermitteln. Er öffnete das erste Büro in Bielefeld, später kam ein weiteres in Berlin dazu (jeweils 25 Angestellte), wo laut dem Selfmade-Geschäftsmann die besten Programmierer und Marketingexperten sitzen.

Die 30 Finca-Angebote wuchsen schnell auf ein Vielfaches, heute sind 1.200 Häuser auf Fincallorca gelistet, 91 Prozent gehören mallorquinischen, die restlichen neun Prozent deutschen Besitzern. „Am Haus selbst fassen wir nichts an, der Kunde bekommt eine Anfahrtsbeschreibung, und wir sorgen dafür, dass der Hausbesitzer zur richtigen Zeit am Gartentor steht, um die Gäste zu empfangen", so Ralf zur Linde.

In den Anfangsjahren saß der Deutsche mit sporadischen Mallorquinisch-Kenntnissen in den Wintermonaten noch selbst in den Bars in und rund um Artà und baute sein Netzwerk auf. Heute suchen Freelancer nach neuen Objekten, da die Nachfrage bei Fincallorca noch immer größer als das Angebot an Ferienhäusern ist. Ins Portfolio finden ausschließlich Objekte mit Ferienhauslizenz: „Ich möchte mich auf Mallorca als Saubermann aufstellen", so Ralf zur Linde. Die wachsenden Touristenzahlen sieht er kritisch und befürwortet daher die kürzlich von der Balearen-Regierung verabschiedete Bettenbremse. Sein Geschäft soll in den nächsten Jahren dennoch weiter wachsen: „Inselweit gibt es 12.000 Ferienhauslizenzen, da ist für uns noch Luft nach oben", sagt er, der auf seiner Homepage übrigens die Vermittlung von ­Ferienhäusern mit dem Verkauf von Immobilien kombiniert. Fünf Anfragen pro Tag kommen bei Fincallorca von Hausbesitzern rein, die ihr Anwesen über die Agentur vermieten möchten.

Aufgenommen werden aber nur 30 bis 40 neue Einheiten im Monat. Die Häuser, frei stehend und fast alle mit Pool, müssen anhand einer internen Checkliste mindestens 3,5 Sterne erfüllen. Objekte, deren Einrichtung beispielsweise zu antiquiert ist, fallen sofort durch. Ein Muss sind WLAN und Klimaanlage.

Wichtig ist für Ralf zur Linde und seinem Geschäftspartner Julian Grupp die Online-Präsentation der Unterkünfte. So wollen sie sich von Mitbewerbern wie Fewo und Airbnb abheben. Zu den umfangreichen Daten, die man auf der TÜV-zertifizierten Homepage zu jedem Haus findet, gehören neben hochwertigen Textbeschreibungen auch 50 hochaufgelöste Fotos, Walk-through-Videos durchs Haus, 3-D-Grundrisse, Drohnenvideos aus der Vogelperspektive, Bilder von den Besitzern sowie GPS-Daten des Objekts. Der letzte Clou sind selbst gedrehte Kundenvideos vor Ort, in denen die Gäste erzählen, wie sie ihren Aufenthalt auf der Mallorca-Finca erlebt haben. Umsonst müssen sie das nicht tun: Fincallorca zahlt für jedes Video 50 Euro.

Der Kunde sei heute viel anspruchsvoller als noch vor zehn Jahren, bemerkt Ralf zur Linde. „Wenn eine Fliese am Pool fehlt, wird das gleich per Handy fotografiert und gemeldet, nicht selten mit dem Gedanken an einen Minderungsanspruch." Beschwerden gibt Finca­llorca gleich an die Hausbesitzer weiter, schließlich ist die Agentur nur Vermittler. Jedem Besitzer steht es zudem frei, sein Haus auch auf anderen Portalen zu vermarkten. Fincallorca sorge im Durchschnitt für 70 Prozent Auslastung, die restlichen 30 Prozent würden von Fewo und Airbnb vermietet, erklärt Ralf zur Linde. Gerade lässt er eine App entwickeln, die es den Besitzern der Ferienhäuser noch leichter machen soll, Belegungszeiten durch andere Anbieter sofort an Fincallorca weiterzugeben.

Langweilig wird es dem Geschäftsmann so schnell nicht. Auf den Seychellen im Indischen ­Ozean vermittelt er seit 2011 ebenfalls Ferien­unterkünfte und zählt dort inzwischen zu den größten Reiseveranstaltern. Da sich das Geschäftsmodell offenbar gut bewährt, steht bereits das nächste Projekt kurz vor der Eröffnung: eine dritte Ferienhausagentur auf Mauritius. Es sei daher kein abwegiger Gedanke, das Mallorca-­Geschäft irgendwann mal zu verkaufen, so der Familienvater, der mit seiner vierten Frau und dem gemeinsamen Sohn wochenweise auf der Insel lebt. „Ich sehe mich als Künstler und möchte dafür wieder mehr Zeit haben", sagt Ralf zur Linde, der im Spieleverlag Ravensburg jedes Jahr ein neues Spiel herausgibt.

Zur Verabschiedung begleitet er die Besucher zum Tor und gibt noch eine singende Kostprobe seiner tiefen kraftvollen Stimme - eine weitere Seite des kreativen Finca-Liebhabers.1988 gründete er mit Freunden die A-cappella-Band Crystalairs, die seitdem mehrere Alben veröffentlicht hat und weltweit auftritt.