Was machen Anna-Maria Zimmermann, Peter Wackel oder DJ Ötzi, wenn ihnen die Ideen für neue Songs fehlen? Sie wenden sich an einen Spezialisten. An einen professionellen Textdichter­ wie Erich Öxler, Chef der Hitmix-Musikagentur.

Gut 800 Songs hat der 49-Jährige bisher verfasst. „Ich schreibe Lieder, seitdem ich 15 bin", sagt Öxler, als wir ihn im Restaurant Cel Blau am Megapark treffen. Hier laufen unter anderem die Stücke, die er getextet hat: „Ich will zurück zu dir / Hände hoch Malle" singt Newcomerin Isi Glück, mit „Schwarze Natascha" tritt Almklausi auf, und der Ballermann-Klassiker „König von Mallorca" stammt auch aus Öxlers Feder. „Als ich Drews und Costa Cordalis bei der ers­ten 'Wetten, dass?..?'-Sendung gesehen habe, die von Mallorca aus gesendet wurde, hat es bei mir 'klick' gemacht." ­Gottschalk hatte 1999 die beiden Ballermann-Stars damals als die eigentlichen Könige von Mallorca vorgestellt.

Noch in der gleichen Nacht schrieb Öxler, ohne jemals einen Fuß auf die Insel gesetzt zu haben, das Lied, welches heute bei keinem Ballermann-Auftritt von Drews fehlen darf. „Alles, was ich damals von Mallorca wusste, kannte ich nur aus den RTL2-Reportagen vom Ballermann." Darunter eine Menge Klischees von Sangría-Eimer-Saufen am Strand, zügellosen Partys, haufenweise herumliegenden Alkohol­leichen. „Als ich dann das erste Mal da war, war ich total überrascht, wie ruhig es eigentlich an der Playa zuging", sagt der gebürtige Augsburger. Das war dann im Jahr 2000, als Öxler an einer Fanreise teilgenommen hat, die Peter Wackel organisiert hatte. Auch für ihn hatte er damals schon Lieder geschrieben. Auf Mallorca knöpfte Öxler schnell Kontakte, schrieb ein Lied für den damaligen Bierkönig-DJ Chris Marlow. „Da habe ich gemerkt, wie wichtig die DJs hier für das Geschäft sind." Sie sitzen bei der Musik am Drücker. Und Öxler erkannte die Insel als Dreh- und Angelpunkt für Partymusik. „Wer im weitesten Sinne etwas mit Entertainment in Deutschland zu tun hat, der ist mindestens einmal im Jahr hier." Und noch einen Vorteil bietet die Insel: „Man ist hier schnell per Du." Das gebe es in Deutschland allenfalls auf After-Show-Partys.

So lief das Geschäft früher

Mittlerweile hat er seit drei Jahren ein Apartment auf Mallorca und ist gerade im Begriff, sich ein Büro einzurichten. Sein eigentliches Tonstudio betreibt er in seinem Heimatort Lauingen an der Donau (10.773 Einwohner), wo er schon 1997 für Wolfgang Petry Lieder („Das darf doch nicht wahr sein") geschrieben hat. Damals funktionierte das Geschäft noch anders, meint Öxler. „Man hat ein Demo aufgenommen und an die Künstler verschickt. Dann hat man gehofft, dass der Song funktioniert." Heißt, dass sich die Alben oder CDs verkaufen.

Verdient habe man an den Gebühren der Gema ­(Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte), die sich nach den verkauften Alben errechnen. „Beim Gema-Verteilungsschlüssel bekommt 30 Prozent der Komponist, 30 der Textdichter und 40 Prozent der Verlag, der sich um die Vergabe der nationalen und internationalen Rechte kümmert", erklärt Öxler. Der Sänger bekommt von dem Geld in der Regel nichts.

Möglichst viel aus möglichst vielen Töpfen abgreifen

Heutzutage sei das Verdienen aber nicht mehr so einfach, da immer weniger CDs verkauft würden. Stattdessen boomt der Streaming-Markt: 34,7 Prozent des Verkaufs (erstes Halbjahr 2017 insgesamt rund 740 Millionen Euro) machen Dienste wie Spotify, Deezer, Apple Music, Amazon Unlimited oder Napster aus. Ein Anstieg im Vergleich zum ersten Halbjahr 2016 um 21,8 Prozent. Das Problem: Die Streaming-Dienste nehmen weniger Geld ein. „Von rund 100.000 Streams kommen bei mir circa 280 Euro an. Da muss man gucken, dass man an den anderen Töpfen wie Gagen oder dem Merchandising etwas mitverdient." 360-Grad-Modell nennt sich das, alles dreht sich darum, die Scherben des zersplitterten Marktes einzusammeln.

Öxler hat sich angepasst. Wenn das Playstation-Spiel „Singstar" eine Ballermann-Edition he­rausgibt und ein Lied von Öxler verwendet werden soll, müssen die Produzenten für die Rechte zahlen. Außerdem schreibe er nicht mehr wie früher erst Songs und passt sie dann für einen Künstler an, sondern dichtet gezielt für eine Person.

Ein Problem sei auch, dass viele gute Song-Ideen schon mal da gewesen sind. „In den letzten drei Jahren gab es keine drei erfolgreichen Lieder, die einen witzigen Text hatten. Zurzeit ist alles nur noch döp, döp oder das Wort 'eskalieren' muss darin vorkommen", sagt Öxler. „Doch das wird den Leuten auch schnell auf den Keks gehen." Aber es gibt auch Hoffnung. „Himmelblaue Augen" von Anna-Maria Zimmermann zum Beispiel funktioniere am Ballermann, ohne dass eine Mallorca-Assoziation vorkommt. Weil der Song einfach gut sei.

Wie man letztendlich einen Hit schreibt, das kann auch Öxler nicht sagen. Er umschreibt es so: „Stelle dir vor, du stehst unter einem Apfelbaum, ein Apfel fällt runter und du greifst genau im richtigen Moment zu und fängst ihn." So ungefähr fühle es sich an, wenn man eine richtig gute Idee habe. Und manchmal wird aus dem Apfel, wie bei Jürgen Drews, eben eine Krone.