Wenn José Antonio de Haro hört, dass Freimaurer-Logen in Spanien noch lange nicht den Status wie in englischsprachigen Ländern erlangt haben, schaut er irritiert ins Leere. „Dort ist es eine Ehre, im Lebenslauf erwähnen zu können, Logenbruder zu sein", so der Sprecher der zur Gran Logia de España gehörenden Gran Logia de Baleares, die derzeit vom Großmeister Manel Rull geleitet wird.

Die Insel-Dependance gibt es erst seit genau 25 Jahren, denn jahrzehntelang davor - während der klerikalfaschistischen Franco-Diktatur - verfolgten dessen Schergen unter Mithilfe von katholischen Geistlichen die masones. „Sie verbreiteten alle möglichen Lügengeschichten, als würden wir Teufel sein und Kinder aufessen oder dergleichen!" José Antonio de Haro muss lachen, zumal fast sämtliche honorigen Gründungsväter der USA, George Washington eingeschlossen, bekanntlich Freimaurer waren, und auch der Befreier von Argentinien und anderen südamerikanischen Ländern, José de San Martín, einer der ihren war.

Immer wieder Hilfsaktionen

Dass es balearenweit noch immer nicht mehr als etwa 200 Logenbrüder und -schwestern gibt - verschwindend wenige verglichen mit den etwa drei Millionen in den USA -, wundert José Antonio de Haro angesichts der so lange Zeit verbreiteten Schauergeschichten nicht. Aber es gibt Fortschritte: Waren 2002 noch 60 Prozent der Logenmitglieder auf den Balea­ren Briten und Deutsche und nur 40 Prozent Spanier, so hat sich dieses Verhältnis inzwischen umgekehrt. Wobei die Gran Logia de Baleares auf Mallorca in fünf Einzellogen aufgeteilt ist - zwei spanischsprachige, zwei englischsprachige und eine deutschsprachige. Hinzu kommen Logen auf den anderen Inseln und einige bewusst laizistische Logen, die auch Frauen aufnehmen. Etwa 60 Menschen sind dort balearenweit Mitglieder.

Um allgemein als normale Mitmenschen ein für allemal akzeptiert zu werden, gehen die eher als schweigsam bekannten Freimaurer der Gran Logia de Balea­res zunehmend offensiver an die Öffentlichkeit - mit öffentlichen Diskussionen wie vor einigen Tagen im Programmkino CineCiutat mit dem ehemaligen spanischen Wissenschaftsminister und kanarischen Ex-Ministerpräsidenten Jerónimo Saavedra, Hilfsaktionen für NGOs wie Caritas oder Krebshilfe oder kulturellen Aktivitäten wie Konzerten und Filmvorführungen. „Unlängst zeigten wir den Film 'The Man Who Would Be King' von John Huston und mit Sean Connery", so José Antonio de Haro. Vorlage dafür war der berühmte Roman des britischen Freimaurers und Schriftstellers Rudyard Kipling (1865-1936). Was Hilfsaktionen anbelangt, so finanzierte die Gran Logia de Baleares im Sommer etwa Ferienaufenthalte von mallorquinischen Kindern mit arbeitslosen Eltern in Alicante. „Einer geschiedenen Frau mit drei Kindern zahlen wir die Miete", sagt de Haro.

Freiheit, Gleichheit, Toleranz

Dass die Freimaurer schon vor Jahrhunderten Prinzipien in Ehren hielten, die nunmehr das geistige Rückgrat der modernen Staaten der westlichen Welt bilden, ist José Antonio de Haro zufolge in Spanien noch gar nicht so sehr ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen. Im Jahr 1717 kamen Logen erstmals in England auf, nach der Französischen Revolution wurden sie als aufgeklärtes und dem wissenschaftlichen Fortschritt zugewandtes Gegengewicht zum frömmelnden und rückständigen Klerus immer populärer. „Wir stehen für Freiheit, Gleichheit, Toleranz, Humanität und dafür, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen", sagt er. „Jeder Freimaurer arbeitet permanent an sich selbst, um menschlicher zu werden."

In diesem Sinne sei es unerheblich, ob man Buddha, Allah, mehrere Götter oder den christlichen Gott anbetet. „Bei uns in der Loge ist es wichtig, an ein höheres Wesen zu glauben." Es ist außerdem unerheblich, welcher sozialen Schicht man entstammt. „Wir sind Kellner, aber auch Notare, Rechtsanwälte und Journalisten", sagt José Antonio de Haro. Die ausschließlich männlichen Mitglieder der Gran Logia de Baleares kommen jeden letzten Freitag im Monat im Logensitz in der Monterrey-Straße 67 (Tel.: 971-73 53 06) zusammen, wobei die Themen Religion und Politik tabu sind. Sie tragen dann Schürzen, die je nach hierarchischer Stellung unterschiedlich aussehen. „Während normale Logenbrüder weiße Schürzen tragen, trägt der Großmeister eine in den Farben Rot und Blau", sagt José Antonio de Haro. Man spricht über Themen, die jedes Mitglied vorher ausführlich vorbereitet hatte. „Ich etwa fertigte einmal mit einem Hammer und einem Meißel ein Rohr für ein Kabel an", sagt José Antonio de Haro. „Der Hammer steht dabei für die Kraft, der Meißel für Intelligenz und Ratio, und beide Elemente vereinen sich, um etwas Gutes zustande zu bringen." Darüber berichtete er in einer der Zusammenkünfte. Die Tatsache etwa, dass die Proportionen eines typischen hochmodernen Smartphones die gleichen wie die des berühmten Tempels von Delphi im alten Griechenland sind, habe er erst in der Loge gelernt, sagt José Antonio de Haro.

Weder Club noch Sekte

Dass Freimaurer inzwischen überhaupt so offenherzig wie de Haro sprechen, ist ungewöhnlich, aber im Zuge des langen Weges hin zur allgemeinen Akzeptanz in Spanien wohl nötig. „Wir sind weder ein Club noch eine Sekte noch Lobbyisten", definiert der Logenmann das Selbstverständnis der Freimaurer. „Wir agieren zurückhaltend, sind aber kein Geheimbund." In diesem Sinne sind Eigenwerbung und unaufgefordertes selbstbeweihräucherndes Gerede selbstredend tabu. „Kein Freimaurer wird Außenstehenden verraten, wer in seinem Vertrauenskreis dazugehört." Und: „Wer bei uns Mitglied werden möchte, muss selbst kommen, wir werben niemanden an."

Nach einem ersten Gespräch ist man in der Loge zwei Jahre lang Lehrling. So die Mitbrüder es für angebracht halten, steigt man mit der Zeit weiter auf in der Loge. Ein guter Logenbruder ist, wer ein ausgleichendes und positives Wesen hat, also nicht immerzu auf Streit aus ist, seine Neugier unter Beweis stellt, zu einem kohärenten Diskurs in der Lage ist, gut beobachten kann und nicht nachlässig (etwa unpünktlich) ist.

Das sind alles ehrbare Charaktereigenschaften, weshalb sich das Verhältnis zur katholischen Kirche in den letzten Jahrzehnten verbessert hat. „Es gibt immer mehr führende Geistliche, die sich nicht daran stoßen, wenn jemand zugleich Freimaurer und Christ ist", so de Haro. Besonders stolz ist er darauf, dass die Balearen-Regierung die Mitglieder seiner Loge in diesem Jahr erstmals zu den Feiern anlässlich des Balearen-Tages am 1. März einlud. Am 14. Februar davor war die Gran Logia vom Regionalparlament einstimmig als soziokulturelle Vereinigung eingestuft worden.

Öffentlich treten die masones demnächst am 23.11. auf: Sie legen am Denkmal des nicaragua­nischen Dichterfürsten Rubén Darío (1867-1916), eines Freimaurers, in Palma einen Blumenkranz nieder. „Jetzt werden wir endlich als normale Menschen gesehen", freut sich Logenbruder José Antonio de Haro.