So viel Kontinuität gibt es selten auf Mallorca. Seit 37 Jahren ist Joan Mayol der oberste Artenschützer der Balearen. Der Beamte, der 1973 bei der Gründung des Umweltschutzvereins Gob beteiligt war, versuchte sich auch zwischenzeitlich als Politiker. Seine Amtszeit als Umwelt- und Landwirtschaftsminister dauerte aber nur ein Jahr, von 1999 bis 2000. Dann trat er nach Bauernprotesten während einer Dürrezeit zurück. Nebenbei hat sich der Biologe dem Schreiben von Büchern gewidmet: eines über die Vögel der Balearen, zum Beispiel, oder ein weiteres über das hiesige Olivenöl. Letzteres kommt nicht von ungefähr: Seit 2006 betreibt Mayol mit seinem Bruder Martí zusammen eine Olivenplantage in der Nähe des Krankenhauses Son Llàtzer. Die dort hergestellten Öle, unter anderem der Sorte „Verderol", werden auf der ganzen Insel, aber auch in Deutschland verkauft. Ein Lieblingstier hat der 63-Jährige auch: Es ist der Eleonorenfalke. „Er wurde nach der sardischen Regentin Eleonora benannt, die im 14. Jahrhundert Gesetze zum Schutz von Greif­vögeln erließ", sagt er.

Herr Mayol, wenn man das alles so liest - Feuerbakterium, Tigermücken, Hufeisennattern, Ziegen -, gibt es ganz schön viele Plagen auf Mallorca. Wie konnte es so weit kommen?

Das sind alles eingeführte Arten. Hier ist es wichtig, die Per­spektive zu behalten. Von allen eingeführten Arten schaffen es durchschnittlich zehn Prozent, sich einem neuen Lebensraum anzupassen. Und nur ein Prozent macht wirklich Probleme. Die Ziegen sind übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine eingeführte Art entwickeln kann. Sie wurden vor Hunderten Jahren bewusst eingeführt und bis vor wenigen Jahren in der Landwirtschaft der Tramuntana eingesetzt. Erst als die aufgegeben wurde, sind die Tiere zum Problem geworden. Andere Tiere werden als Haustiere eingeführt und werden schnell zur Bedrohung, wenn sie entlaufen, wie Nasenbären oder Waschbären. Dies ist aber eine Ausnahme. Heute werden durch den globalisierten Handel viele Arten zufällig eingeführt. (Häufig als blinde Passagiere an Bord von Handelsschiffen, Anm. d. Red.).

Gibt es Schätzungen, wie viele neue Arten jährlich auf Mallorca neu eingeführt werden?

Nein.

Welche Plage bereitet Ihnen zurzeit am meisten Sorge?

Eindeutig das Feuerbakterium. Es betrifft ja nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch wild wachsende Pflanzen. Und dieses Bakterium hat das Potenzial, die Landschaft mittelfristig radikal zu verändern. Allerdings möchte ich weder alarmieren noch zu optimistisch sein. Natur bedeutet immer auch Wandel. Wir haben manchmal dieses Bild, dass sie statisch ist. Aber schauen Sie, als vor 4.000 Jahren der Mensch auf die Insel kam, rottete er die

Höhlenziege Myotragus aus. So richtig bedauert wird das heute auch nicht mehr.

Wenn man diese Entwicklungen betrachtet, erscheint die Vorstellung, man könne eine Insel besser vor bedrohlichen Arten schützen, wie ein Mythos.

Nein, es ist kein Mythos. Möglich ist es schon. Theoretisch. Aber natürlich ist eine Insel, auf der jährlich mehrere Millionen Menschen landen und täglich Hunderte Tonnen an Gütern abgeladen werden, kein wirklich abgeschnittener Ort. Wobei wir sicherlich unser Potenzial an Kontrollen und Maßnahmen nicht ausgeschöpft haben.

Vor über einem Jahr berichtete die MZ über einen Fall, in dem einer Residentin auf der Insel fünf Mangusten entlaufen waren. Sie riefen damals zur Suche auf, da die katzenartigen Raubtiere potenziell gefährlich für einheimische Arten sind. Haben Sie sie gefunden?

Nein, ich habe nie wieder von ihnen gehört. Wie gesagt, nur zehn Prozent der eingeführten Tierarten können sich anpassen. In dem Fall scheint es zum Glück nicht geklappt zu haben.

Sie sind seit 37 Jahren im Amt. Wie viele Arten sind in dieser Zeit auf Mallorca ausgestorben?

Oh, das kann ich nicht genau sagen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass mehr Arten wiederangesiedelt wurden als ausgestorben sind, etwa das Purpurhuhn oder zuletzt der Habichtsadler. Oder wir haben dafür gesorgt, dass Lebensräume wieder für Tiere zugänglich wurden. Zudem hat sich das Bewusstsein verändert. Heutzutage würde zum Beispiel niemand mehr einen Geier töten. Dafür sind neue Probleme entstanden.

Zum Beispiel?

In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Stromanschluss auch von abgelegenen Häusern und Fincas vorangetrieben, ohne dass man darauf achtete, dass Vögel durch die Leitungen Stromschläge erleiden können. Heute arbeiten wir mit dem Stromversorger Endesa zusammen, um wenigstens die gefährlichsten Orte zu isolieren. Und alle neuen Strommasten sind heute sicher.

Wie läuft eigentlich der Arbeitsalltag eines Artenschützers ab?

Es ist hauptsächlich Papierkram. Ich nenne es Ökobürokratie (lacht). Nein, mal im Ernst: Meine Aufgaben, in Zusammenarbeit mit meinem Team, bestehen darin, Probleme zu erkennen, sowohl was bedrohte Arten als auch bedrohende Arten angeht, und für die jeweilige Situation Lösungsvorschläge zu entwickeln. Ein großer Teil meiner Arbeit ist zudem die Koordination mit anderen Stellen der öffentlichen Verwaltung. Raus aufs Land komme ich seltener, als ich gern würde. Ein bis zwei Mal die Woche schaue ich mir dann die Lage vor Ort an.

Immerhin. Was haben Sie sich vergangene Woche angeschaut?

Ich habe mir das Nest eines Habichtadlers angeschaut, keine 15 Minuten vom Ministerium im Gewerbegebiet Son Castelló entfernt. Es ist sehr befriedigend zu sehen, dass von einer Spezies, die in den 60er-Jahren ausgerottet wurde, nun wieder sechs Paare auf der Insel sesshaft sind.

Sie waren vor fast 20 Jahren im ersten Linkspakt Umweltminister, sind aber nach nur einem Jahr wegen Bauernprotesten zurückgetreten.

Ach, da kamen viele Faktoren zusammen. Es hatte sich eine Situation ergeben, in der es einfach nicht mehr ratsam war, weiterzumachen.

Wäre die Bauernlobby heute noch stark genug, um einen Minister zu stürzen?

Das war damals eine politisch motivierte Medienkampagne. Die Bauern wurden von der konservativen PP aus der Opposition heraus instrumentalisiert. Zudem gab es Unstimmigkeiten in der Koalition. Aber Schwamm drüber. Es ist lange her.

Gerade haben wir eine Linksregierung. Sind diese Koalitionen eigentlich umweltbewusster als die Konservativen?

Eindeutig. Auch wenn sich natürlich die konservativen Parteien ebenfalls verändert haben. Als etwa 1991 der Natio­nalpark Cabrera gegründet wurde, kündigte die PP an, ihn wieder aufzulösen. Und sie haben es doch nicht gemacht. Heute würde keiner mehr ernsthaft vorschlagen, den Nationalpark aufzulösen. Oder ein Naturschutzgebiet zu bebauen. Ich glaube, es gibt in der Hinsicht einen echten gesellschaftlichen Wandel. Die Parteien folgen da der öffentlichen Meinung.

Wie hat sich die starke Besiedlung der Insel in den vergangenen Jahrzehnten auf den Artenschutz ausgewirkt?

Nun, es gibt durch eine ständig wachsende Bevölkerung auch immer mehr Probleme. Der ­Wasserverbrauch steigt, ebenso die Müllproduktion. Das ist normal und muss gelöst werden. Aber die Ausländer auf Mallorca haben auch zu einem Wandel der Mentalität beigetragen.

Inwiefern?

Ich habe da eine Anekdote: Vor vielen Jahren lernte ich einen Fischer auf Ibiza kennen, einen äußerst angenehmen Mann, der sich gut mit der Natur auskannte. Der hatte aber die Angewohnheit, im Herbst die Küken von Falken zu essen. Irgendwann erzählte er mir, er habe damit aufgehört. Sein Nachbar, ein Deutscher oder Engländer, habe ihm gesagt, das sei wie Katzen zu essen. Auch dass die BBC in den Anfangstagen des Farbfernsehens eine Dokumentation zur Vogelwelt auf Mallorca in Auftrag gab, die hier später an vielen Schulen gezeigt wurde, hat dazu geführt, dass die Mallorquiner gesehen haben, dass ihre Umwelt durchaus auf Interesse stößt. Wenn ein Bauer hier einen Vogel tötete und sah, dass jemand anderes diese Vögel mit dem Fernglas beobachtete, dann hat das sicherlich zu einem Umdenken geführt.

Sie sind mittlerweile selbst Bauer und bewirtschaften eine Olivenplantage. Wie kam es dazu?

Als mein Vater 2006 starb, haben mein Bruder und ich eine Finca von unserem Vater geerbt. Wir wollten sie in irgendeiner Form nutzen, um zumindest die ­Erhaltungskosten des Grundstücks reinzuholen.

In den vergangenen Jahren hat das mallorquinische Olivenöl eine Renaissance erfahren.

Das stimmt, und wir sind noch lange nicht da, wo wir mal waren. Im 17. und 18. Jahrhundert war Olivenöl der Hauptexportartikel der Insel.

Was geschah dann?

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Steuer auf Olivenöl verzehnfacht. Viele Bauern sind dann auf Wein und andere Pflanzen umgestiegen. Zum anderen wurde viel Öl in die spanischen Kolonien geschickt. Als diese nach und nach unabhängig wurden, ging ein Markt verloren. Gleichzeitig hatte der Umstand, dass die Kolonien alles kauften, dazu geführt, dass man bei der Produktion nachlässig wurde und das Öl immer schlechter wurde. Was hier dann in den 70er- und 80er-Jahren produziert wurde, war einfach nur ranzig. Erst danach ging es langsam aufwärts. Die Kooperative Sóller und der damalige Landwirtschaftsminister Pere Morey sorgten dafür, dass die Produktion verbessert wurde. Und als ich Landwirtschaftsminister war, habe ich die geschützte Herkunftsbezeichnung für Olivenöl eingeführt. Damals hatte ich noch keine Ahnung, dass ich es selbst mal einsetzen würde.

Haben Sie auf der Plantage schon Probleme mit dem Feuer­bakterium?

Nein, Gott sei Dank. In der Umgebung von Palma, wo wir unsere Finca haben, hat es bisher meines Wissens noch keine Fälle gegeben. Natürlich kann es sein, dass es auch da ankommt. Aber ich glaube ohnehin, dass wir damit werden leben müssen. Genauso wie die kalifornischen Olivenbauern, die damit schon seit hundert Jahren zu tun haben.

Sie gehen in spätestens zwei Jahren in Rente. Ihr Wunsch für den Artenschutz auf Mallorca?

Wenn wir den Rhythmus der vergangenen Jahre beibehalten, können wir sehr stolz sein. Als ich anfing, gab es keine Naturschutzgebiete, keine Naturparks und nur wenige geschützte Arten. Die meisten der damals am stärksten bedrohten Tiere haben sich weitgehend erholt. Ich würde mich freuen, wenn das so in den nächsten 40 Jahren weitergeht. Und umso mehr, wenn ich es auch noch miterleben darf.