Ob zu Hause auf dem Sofa, in der Pause auf dem Schulhof oder zum Leidwesen vieler Eltern am Esstisch: Viele Jugendliche können die Hände kaum noch vom Smartphone lassen. Auf Mallorca gab es einen Fall, da ist ein Junge von zu Hause ausgerissen und hat sich bei Freunden versteckt, weil seine Eltern ihm das Smartphone wegnehmen wollten. Therapeutin Joana María Solano kümmert sich um solche Fälle, zehn bearbeitet sie zurzeit. Seit Juni 2017 hilft sie in Palma Jugendlichen, die eine Sucht nach dem Smartphone entwickelt haben. Sie arbeitet für die Stiftung Proyecto Hombre, die sich eigentlich um Drogensüchtige kümmert. Seit 30 Jahren organisiert man in 27 Zentren in Spanien Therapien. Jetzt bietet man auch Familien Unterstützung an, bei denen das Handy zum Problem wird.

Laut spanischem Gesundheitsministerium sind 18 Prozent der 14- bis 17-Jährigen von der neuen Handy- und Internetsucht betroffen, die man kurz „Maids" nennt - „Mobile and Internet Dependency Syndrome". Zu „Maids" gehören auch andere Süchte: „Es gibt Jugendliche die glauben, ohne Videospiele nicht leben zu können", so die Therapeutin. Kids, die deshalb tagelang ihr Zimmer nicht mehr verlassen, bezeichnet man mit dem japanischen Begriff Hikikomori. Auch der Bereich der Online-Glücksspielsucht falle in die Kategorie der „Maids".

Nach Erkenntnissen des Psychologen-Verbandes in Spanien hatten 48 Prozent der 14- bis 17-Jährigen, die mehr als fünf Stunden am Tag am Handy verbringen, schon einmal mit Depressionen oder Selbstmordgedanken zu kämpfen. Die Nutzer werden auch immer jünger, bereits ab 9 Jahren würden viele Kinder ein eigenes Smartphone besitzen, so Joana María Solano. „Das Gerät ist inzwischen das beliebteste Geschenk von Eltern bei Kommunionsfeiern", sagt sie.

Ein erstes Anzeichen dafür, dass sich eine Abhängigkeit entwickelt habe, sei bereits, wenn das Kind das Handy abends mit ins Bett nehmen würde und nicht mehr schlafen könne. Als Folge davon könnten sich die Kinder in der Schule wegen des Schlafmangels nicht mehr konzentrieren. Ein beratendes Gespräch sei ratsam, wenn der Jugendliche aggressiv reagiert, sobald man ihm das Handy entziehen wolle. „Dann wird es Zeit, zu uns zu kommen." Solano berichtet von einem Fall, bei dem ein Mädchen die Mutter gebissen habe, als die Erwachsene dem Kind das Handy wegnehmen wollte. Eine Veränderung in der Kinder-Erziehung würde die Sucht noch verschlimmern. Dazu gehöre das sogenannte Kleiner-Kaiser-Syndrom. „Wenn Kinder von den Eltern verwöhnt werden und fast alles dürfen, entwickeln sich manche Jugendliche zu einem regelrechten Haustyrannen", sagt Joana María Solano. Diese Tendenz sei vor allem im Mittelstand zu beobachten. „Viele Eltern sparen bei sich selbst und nehmen sogar Kredite für Schulbücher auf, schenken ihren Kindern aber Smartphones im Wert von 1.000 Euro." Diese Eltern wüssten gar nicht, wie sehr sie ihren Kindern mit dieser Nachsichtigkeit schaden. „Für Kleine-Kaiser-Kinder ist die Anstrengung kein Wert mehr an sich", so Joana María Solano. Die Gewalt, die diese verwöhnten Gören gegenüber ihren Eltern ausüben, habe sich in den letzten Jahren in Spanien verdreifacht, so die Therapeutin. ­Eine Verhaltensregel, die sie in ihren Therapien vermitteln will, sei: „Ein Handy gehört grundsätzlich nicht ins Kinderzimmer." Das müssten gerade die Eltern lernen. Sie spricht dabei von einer „Umerziehung", die beim Proyecto Hombre vorgenommen werde. Die Eltern sollten ihren Kindern am besten von Anfang an klarmachen, dass selbst ein geschenktes Smartphone nur geliehen sei. Außerdem empfiehlt sie, sogenannte Kontroll-Apps zu installieren, mit denen man das Nutzungsverhalten der Kinder nachvollziehen könne. Anbieten würden sich dafür die Programme „Pocket Nanny" oder „Family Tracker".

Ebenso sollten handyfreie Zeiten bestimmt werden, etwa bei gemeinsamen Unternehmungen wie einer Wanderung. Selbst wenn das Kind über Langweile klagen würde, sollte man ihm nicht sofort ein Handy in die Hand geben. „Auch Langeweile kann die Kreativität von Kindern fördern."