Kurz vor seinem 30. Geburtstag kam Georg Berres in die Nervenheilanstalt. „Klapse", wie er selbst sagt. Depressionen, Burn-out, das ganze Paket. „Ich war nur noch eine leere Hülle." Heute, 14 Jahre später, ist davon nichts zu spüren: Berres, den alle nur „Bauchi" nennen, empfängt die MZ in seinem Wohnmobil. Er lacht gern, ist offen, ein sympathischer Kumpeltyp.

"Wir retten Häuser"

Auf den ersten Blick ist Bauchi der typische Hippie: langhaarig, locker, tiefenentspannt. Auf den zweiten Blick merkt man: Bauchi will etwas bewegen, ist informiert, reflektiert, liest gern. Kein Wunder, dass er in der MZ vom Fall des Deutschen las, dessen Chalet an der Playa de Palma von Hausbesetzern eingenommen wurde. Sofort war sein Interesse geweckt - Bauchi ist selbst in der Hausbesetzerszene auf Mallorca aktiv. Obwohl er das Wort besetzen nicht gern hört. „Wir besetzen ­Häuser nicht, wir retten sie."

Die Ärzte hätten damals, im Jahr 2004, zu ihm gesagt, er solle sich mit sich selbst beschäftigen. „Das habe ich getan. Wohl mehr, als ihnen lieb ist", sagt Bauchi und lacht sein ansteckendes Lachen. Bis heute ist Nachdenken über sich und die Welt das, was Bauchi am liebsten tut. Allerdings mit einer gänzlich anderen Sichtweise als damals. Statt aufzugeben, erschuf er sich einen neuen Lebensentwurf. Frei von gesellschaftlichen Konventionen, frei von Zwängen - das genaue Gegenteil dessen, wie er bisher gelebt hatte. Denn eigentlich führte Bauchi mal ein recht bürgerliches Leben im rheinländischen Düren: Wohnung, Ehe, ackern von morgens bis abends. „Egal, ob in meiner Zeit als angestellter Schreiner oder als selbstständiger Tätowierer: Mein Leben bestand daraus, zu arbeiten und anderen gerecht zu werden", erinnert er sich.

Möglichst lebenswert Leben

Heute ist seine Philosophie, das Leben möglichst lebenswert zu leben. Seine einzige Regel: „Wenn du das, was du machst, so machst, dass keiner ein Problem damit hat, dann kannst du machen, was du willst." Vom Kopfmensch sei er Stück für Stück zum Bauchmensch geworden. Zum Bauchi eben. Besitz und Standortgebundenheit seien dabei oft hinderlich - ein Wohnmobil dagegen verspreche Freiheit.

Es war 2014, als Bauchi erstmals mit seinem mobilen Zuhause nach Mallorca kam. Am Hippie-Strand Cala Varques stieß er auf die alternative Hausbesetzerszene. Als der Winter kam, stiegen sie in ein leer stehendes Haus in Binissalem ein. „Aber die Strukturen gefielen mir nicht, ich mag Gemeinschaft, aber jeder sollte stets unabhängig bleiben", resümiert er. Und mit Gegeneinander und Hie­rarchie habe er es auch nicht so. Nach kurzer Zeit stieg er aus. „Geschlafen habe ich sowieso im Wohnmobil."

Sie renovierten auf eigenen Faust

Wenig später wurde er mit Freunden auf eine Villa in Port de Pollença aufmerksam. Ebenfalls leer stehend, angeblich seit rund 20 Jahren. „Die Türen waren auf. Wir brechen nie ein", stellt er klar. Mit kriminellen Banden möchte er nicht verglichen werden. „Wir machen nicht kaputt, wir helfen." Zwei Wochen lang brachten die Freunde das verfallene Anwesen auf Vordermann, säuberten, reparierten, strichen an. Dann kam die Tochter des Besitzers, die Polizei im Schlepptau. „Natürlich waren wir direkt bereit zu gehen.

Wir stellen keine Besitzansprüche. Uns geht es um nichts anderes, als in dem Moment mietfrei zu wohnen und dafür dem Haus etwas zurückzugeben", sagt er. Und tatsächlich: Die Tochter des Besitzers sei angetan gewesen von dieser Sichtweise - zumal sie sah, was die Eindringlinge bereits im Haus geleistet hatten. „Ihr Vater am Telefon war aber nicht so begeistert. Also mussten wir gehen."

Kein Bankkonto, keine Krankenversicherung

Was blieb, war die Idee, es weiter zu versuchen. „Als Win-win-Situa­tion für alle Beteiligten", wie Bauchi sagt. Die Idee des I.?H.?R. war geboren, kurz für Intergalaktisches Hilfs- und Rettungskommando. Ja, der Name klinge bewusst nicht ganz seriös, schiebt Bauchi schnell ein. Er solle ausdrücken, dass sich die I.?H.?R.-Agenten um Grenzen genauso wenig kümmern wie um Nationalitäten. „Wir sehen alle Lebewesen als Brüder und Schwestern. Wir wollen diesen geschundenen Planeten wieder schön machen, wo es nur geht, um dieses Paradies zu genießen."

Seit zehn Jahren ist der Dürener nicht krankenversichert, hat kein Bankkonto, keinen Personalausweis. Hartz IV bezog er nur eine kurze Phase in Deutschland. „Gefallen hat mir das nicht, aber ich sehe es als Stipendium." Im Gegenzug stellt er alle Bücher und Texte, die er schreibt - über das Leben und wie es sein könnte - kostenlos ins Internet. Um etwas zurückzugeben, wie er sagt.

Geld gibt er nur aus, wenn er welches hat

Die einzige Steuer, die er zahlt, ist die Kfz-Steuer für seine „Serenity", das treue Wohnmobil. Das Geld, das er für Benzin, Essen und natürlich seinen Hund Titos braucht, verdient Bauchi sich mit gelegentlichen Tattoos und Renovierungsarbeiten bei Bekannten. Betteln musste er nie. Früher habe er stets auf die Gehaltsabrechnung am Monatsanfang hingefiebert, um Fixkosten begleichen zu können. „Heute gebe ich nur Geld aus, wenn ich welches habe." So einfach sei das. Und wenn der Sprit ausgehe, bleibe er eben an einem schönen Küstenparkplatz stehen. Oder auf einem besetzten Grundstück.

Den Bürgermeister von Santa Margalida haben Bauchi und seine Freunde bereits vom I.?H.?R. überzeugt, er stellt ihnen ein verlassenes Terrain in Can Picafort zur Verfügung. „Wir sehen uns als unbürokratische, unkomplizierte Dienstleister", so Bauchi. Immer wieder ist er auf der Suche nach weiteren verfallenen Häusern. Auf Mallorca seien die leicht zu finden. Bei willigen Eigentümern wird es schwieriger. „Wie schön wäre es, wenn sie Teil einer Gemeinschaft werden könnten, in der sie die Hilfe finden, um ihrem Besitz nicht dabei zugucken zu müssen, wie er immer wertloser wird?"Auf Youtube kann man ihn sich ansehen

Auf seinem Youtube-Kanal hält Bauchi Anhänger des I.?H.?R. auf dem Laufenden, mittlerweile hat er Zuschauer aus ganz Europa. Doch so sehr ihn die Bewegung begeistert - seine Unabhängigkeit will Bauchi nicht aufgeben. „Es war immer mein Traum, einmal die Welt zu umsegeln." Bis Ende Juni sei seine „Serenity" noch versichert. Danach werde er seinen Traum verwirklichen. Ein Schiff hat er noch nicht. „Aber ich weiß, dass sich irgendjemand findet, der mir seines zur Verfügung stellt." Angst müsse niemand haben. „Ich werde es gut behandeln."