Die heiße Flüssigkeit auf dem warmen Apfelstrudel mit Vanilleeis kommt Udo Mühmer verdächtig vor. „Da ist doch kein Alkohol drin? Sin alcohol?", fragt er den Kellner im gut besuchten Café Alt Wien in Santa Ponça. „Nein, nein, ganz sicher ist da kein Alkohol drin", antwortet der Befragte und lächelt verlegen. Udo Mühmer löffelt sich ein großes Stück in den Mund und nickt. „Kein Alkohol", sagt er zufrieden, wendet sich dem MZ-Reporter zu und flüstert: „Ich hätte es auch schon längst gerochen. Aber hast du gemerkt, wie hier alle die Ohren gespitzt haben?"

Alkoholsucht ist eine Tabukrankheit. Hier auf der Insel noch viel mehr als in Deutschland, glaubt Udo Mühmer. Der 63-Jährige ist seit vielen Jahren trockener Alkoholiker und einer der wenigen Ansprechpartner für Deutsche auf der Insel, die die Kontrolle über ihre Sucht gewinnen wollen und sich sprachlich oder auch sonst nicht fit genug fühlen, um sich allein ins spanische Gesundheitssystem zu begeben. „Den Leuten zu helfen, ist so etwas wie meine Langzeit-Therapie", sagt Mühmer. Vor mehr als zehn Jahren hat er die Suchthilfe Mallorca gegründet, die im Grunde nur aus ihm, seiner Frau und der Telefonnummer 660-17 36 86 besteht. „Wir haben leider seit Kurzem nicht einmal mehr ein Büro. Wäre toll, falls uns da jemand weiterhelfen könnte", sagt er.

Neues Büro gesucht

Einen Raum für den Papierkrieg könne er gut gebrauchen. Seine Treffen finden aber meist draußen statt. In einem Café, bei jemanden Zuhause oder auch in einer Höhle - acht der von ihm Betreuten wohnen in Höhlen bei Cala Blava. Er kümmere sich um insgesamt 165 Frauen und Männer, zwei Sorgenfälle seien darunter, von denen er noch heute einen besuchen werde.

„Man kann mich eigentlich rund um die Uhr anrufen, aber ich setze mich auch nicht sofort in den Bus und fahre los." Es komme darauf an, in welchem körperlichen Zustand sich der Anrufer befinde. Aber man solle sich nichts vormachen: „Die meisten sind ein Wrack." Es gebe auf Mallorca nun einmal nicht wie in Deutschland an jeder Ecke Suchthilfegruppen. Auch die Einlieferung ins Krankenhaus sei schwieriger. „Mich wollten die gerade letzte Woche mit einem Fall wieder nach Hause schicken, der war kurz vorm Kollabieren und hatte schwere Krämpfe." In solchen Situationen bleibe er hartnäckig.

Eine Entgiftung mit Medikamenten dauere normalerweise 14 Tage - so lange bleibe hier niemand im Krankenhaus. Dann wendet sich Mühmer an deutsche Ärzte, wie zum Beispiel die vom Deutschen Facharztzentrum in Santa Ponça. Bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen hat man im Facharztzentrum gesammelt und einen Teil der Spenden der Suchthilfe zukommen lassen. „So etwas hilft enorm weiter", sagt Udo Mühmer. Ansonsten arbeite er als ausgebildeter Suchthelfer ehrenamtlich und verdient sich seinen Lebensunterhalt als Handwerker.

Die Gründe, warum jemand zur Flasche greift, seien immer gleich: „Langeweile, Frust, Probleme. Das Trinken gehört auf der Insel zum Alltag." Viele wohlhabende Residenten beginnen den Tag mit Champagner zum Frühstück, andere holen sich die 2-Liter-Pakete Wein aus dem Eroski. Gerade sorgte in den Medien in Deutschland für Furore, dass der Ex-Radprofi Jan Ullrich angeblich wieder zu trinken begonnen hat. „Für mich ein typischer Fall, dass sich jemand seine Probleme nicht eingestehen will." Das aber sei unabdingbar. „Entweder macht es im Kopf klick, oder eben nicht."

Kontakt zur Suchthilfe Mallorca: Tel.: 660-17 36 86