Als der Film „Spiel und Leidenschaft" (Bahía de Palma) mit Elke Sommer in der Hauptrolle 1962 in den spanischen Kinos gezeigt wurde, löste er wegen einer Bikini-Szene am Strand von Calvià Empörung unter den Sittenwächtern aus. 57 Jahre nach den Dreharbeiten traf die MZ die Schauspielerin in Port d´Andratx, wo sie zu Gast bei der „Welt der Wunder TV"-Talkshow von Raphaela Ackermann war. Elke Sommer nimmt kein Blatt vor dem Mund, wenn Sie über das Älterwerden, Erotik, ihre geliebten Tomaten-Pflanzen, den Vater und ihre Malerei spricht.

Sie haben gerade eine Talkshow mit Raphaela Ackermann, der Schwester von Thomas Gottschalk, gedreht. Was war das Thema?

Ich - moi (auf Französisch, Anm. d. Red.).

Sind Sie zum ersten Mal hier in der Ecke von Andratx?

Nein, als wir vor 100 Millionen Jahren „Bahía de Palma" drehten, war das hier in der Gegend. Peter Ustinov hatte hier eine Unterkunft, nicht weit entfernt vom Meer, den haben wir besucht. Mein damaliger Mann ist damals von den Felsen aus voll in die Quallen reingesprungen. Ustinov stand da und hat sich totgelacht.

Sie waren die erste Frau, die in Spanien auf der großen Leinwand in einem Bikini zu sehen war.

Ich glaube, ja. Ich habe das aber auch nur gehört. Es war ja eigentlich kein Bikini, wie man ihn heute kennt. Das war ein Zweiteiler. Da war alles gut drin verpackt, da hingen keine Pobacken raus, da gab es keinen String, wie es ihn heute gibt - das sieht ja süß aus, bei jungen Mädchen. Es gab kein Dekolleté und nix.

Trotzdem galten Sie spätestens ab dem Zeitpunkt als blonde Sexbombe. Hat Sie das geärgert?

Die Leute wollten eben auch das in mir sehen, die vermeintliche Sexbombe - so idiotisch! Ich habe den Begriff immer gehasst, mein ganzes Leben. Was ist das überhaupt, sexy? Sexy ist so ein Scheißwort. Sexy ist gar nichts, tits and ass. Anziehend, erotisch ist etwas anderes. Das sind Bewegungen, Augen, die Aura, wie man mit jemanden umgeht.

Waren Sie sich damals beim Dreh bewusst, dass diese ungewohnte Freizügigkeit einen Skandal auslösen würde?

Nein, dessen waren wir alle uns nicht bewusst. Für mich war der Zweiteiler nur Garderobe, die Szene am Strand hatte auch mit meiner Rolle nichts zu tun.

Die Kirche hat den Film als höchst gefährlich eingestuft und davon abgeraten, ins Kino zu gehen ...

Wirklich? Ich bin Pfarrerstochter und selbst sehr gläubig.

Ihren Vater haben Sie schon mit 14 Jahren an einer schweren Krankheit verloren.

Mit 15, ich bin am 5. November 15 geworden, und im Januar ist er gestorben. Er war ein sehr stolzer Mann. Seine Familie, bestehend aus meiner Mutter und mir, hatte nichts zu essen. Wir waren ja Flüchtlinge aus Berlin, da kamen die Bomben runter. Diese Art des Lebens hat ihn im späteren Leben eingeholt.

Aus Ihrer Jugend gibt es Bilder, auf denen Sie die Sachen der Nachbarjungen auftragen.

Ja, das waren die Renaults. Das waren zwei Jungs. Aber das hat mich überhaupt nicht gestört. Mein Papa hat damals gescherzt, als ich mit den kurzen Hosen herumgelaufen bin: Eigentlich ist er ja ein hübscher Kerl. Aber die Beinchen, was soll nur aus diesen dünnen Beinchen werden?

Waren Sie als Mädchen eher burschikos?

Nein, ich war so, wie ich heute bin. Nur habe ich sehr viel mehr dazugelernt und bin älter geworden. Ich war immer ehrlich, immer geradeaus.

Kess?

Ne, eigentlich nicht. Eher scheu, tief drinnen. Ich wollte immer Freude bereiten, die Eltern zum Lachen bringen. Ich wollte, dass die Klassenkameraden einen okay finden. Und dann später, dass das Publikum im Theater mit mir lachen und weinen kann. Ich möchte meinen Mann glücklich machen, meine Tiere und Pflanzen.

Unter dem Tisch liegt ein kleiner Mischlingshund, mit dem ihr Mann Wolf Walther gerade spazieren war. Seit 1993 sind die beiden verheiratet.

Haben Sie noch mehr Tiere?

Im Moment haben wir nur die Kleine, die anderen, die sind alle aus dem Tierheim, sind gestorben. Der große, eine Mischung aus Dobermann und Rottweiler, ist 21 Jahre alt geworden. Die kleine wird an meinem Geburtstag zehn. Sie kommt auch aus dem Tierheim und sollte gekillt werden.

Aus einem Tierheim in Mallorca?

Aus Los Angeles. Sie ist sehr beschützend. Wenn Sie jetzt schnell auf mich zukommen würden, dann würde sie Sie beißen.

Was verbindet Sie heute noch mit Mallorca?

Ich habe eigentlich überhaupt keine Verbindung mehr zu Mallorca, außer, dass ich viele Menschen kenne, die hier leben, oder teilweise hier leben. Ich wurde ein paar Mal eingeladen zu dem Filmfestival, aber ich hatte keine Zeit.

Sie haben ein Haus in Los Angeles, eines in Süddeutschland. Wo verbringen Sie die meiste Zeit Ihres Lebens?

Wir sind im Winter in Los Angeles, im Sommer in Deutschland. Nach 96 Filmen und 58 Theaterstücken können wir uns das leisten. Ich bin eine Leberin geworden. Ich genieße das Leben und den Zustand, nicht irgendwo sein zu müssen. Immer unterwegs zu sein - das ist so, als ob man Tomaten pflanzt, sie aber niemals ernten kann und am Ende isst ein anderer deine Tomaten. Da kriege ich einen Hass. Wirklich! Jetzt habe ich meine eigenen Tomaten. Und ich habe gesehen, wie sie wachsen und rot werden. Das ist eigentlich ein idiotischer Vergleich, aber für mich ein ganz ernster.

Elke Sommer will sich eine Zigarette anzünden, ihr Mann zückt das Feuerzeug. „Ich mach´s selber, Bärli", sagt sie. Wolf Walther brummelt:.„Nee, ich machs selber, ist viel Wind."

Wie gehen Sie mit dem Älterwerden um?

Beim Älterwerden geht es mir nicht um die Konfrontation mit dem Spiegel, dass man noch eine Falte entdeckt. Das ist mir vollkommen wurscht, ich sehe toll aus für mein Alter, und das weiß ich. Die Falten an der Stirn verdecke ich ein bisschen mit dem Pony, und wenn der Wind bläst, dann sieht man sie halt. Ich war nie eitel in dem Sinne. Nicht so schön am Älterwerden ist, dass der Körper degeneriert. Das ist wie bei meinem geliebten Audi, den ich 20 Jahre gefahren habe. Da braucht man plötzlich einen neuen Auspuff, dann quietscht es hier, dann geht da etwas kaputt. Als junger Mensch denkt man nicht so viel über das Älterwerden nach. Gerade in letzter Zeit sehe ich aber, dass der Infantilismus, also das Kindsein, bei älteren Leuten wiederkommt. Wenn der Körper nicht mehr mitmacht, wie beim Franz jetzt ...

... Franz Beckenbauer?

Ja, wir spielen immer noch bei seinem Golf-Turnier. Unser Beckenbauer hatte eine schwere Operation am Herzen und an den Hüften und am Knie. Er kann also sein geliebtes Golf nicht mehr spielen, darf sein Weinchen nicht mehr trinken, und er wird kindlicher, sanfter. Aber nicht kindisch, das ist etwas ganz anderes.

Inwiefern?

Kindlich hat nichts mit dem geistigen Zustand zu tun. Aber die Kopfform verändert sich, das Gesicht wird schmaler, die Augen größer, die Haare werden weniger. Wenn man einen älteren Herren sieht, die Haare weg, nur noch so ein kleines Kränzchen. Ich sehe da eine Vergleichbarkeit zwischen Kindern und älteren Menschen.

Sommer ist nur Ihr Künstlername, eigentlich könnten Sie sich Baroness von Schletz nennen. Warum verzichten Sie darauf?

Auf den Titel?

Ja. Es gibt Menschen, die kaufen sich solch einen Titel.

Das finde ich so etwas von armselig. Mein Papa hat schon früh zu mir gesagt: ´Elkele, das brauchen wir nicht.´ Er war ein toller Mann. Also hat der Titel nie eine Rolle gespielt. Aber wenn man sich solch einen Titel kauft, muss man sich ja auch adaptieren. Vom Benehmen her, von der Sprache her. Gut ist das doch nur für die, die den Titel verkaufen. Vielleicht brauchen die ja auch so einen Adoptiv-Depperle aus finanziellen Gründen.

Sie malen schon seit vielen Jahren. Was möchten Sie mit Ihren Bildern, mit Ihrer Kunst ausdrücken?

Was ich fühle, wo ich gerne sein möchte, mit wem ich gerne sein möchte. Wovor ich Angst habe, was mir Freude gibt. Angst ist die schlimmste Emotion, die ein Mensch haben kann. Wenn ich ein Bild kreiere, dann habe ich keinen Regisseur, keinen Produzenten, keinen, der mich beleuchtet. Das kommt aus meinem Herzen.

Wovor fürchten Sie sich?

Da gibt es viele Sachen. Wenn man sehr jung ist, dann ist man fearless, wie die Amis sagen - also ohne Furcht. Ich war so, bin Autorennen gefahren, habe mir die Hände zerquetscht, unsägliche Sachen gemacht. Einfach wegen des Machenwollens. Ich glaube, dass jeder Mensch vor etwas Angst hat, ganz egal, welches Alter er hat. Krank zu werden ist das Erste, glaube ich. Einen Unfall zu haben. Zu verarmen, arm zu bleiben ...

Was ist das schönste Kompliment, was man Ihnen manchen kann?

Kommt darauf an, ob das ein Mensch auf der Straße ist, oder jemand, den ich kenne. Aber ich denke: Ich möchte dich öfter sehen, ich möchte öfter mit dir zusammen sein. Das finde ich schön.