Techno ist ein vergleichsweise neues Genre. Ende der Achtzigerjahre in Detroit entstanden, waren seine zentralen Akteure immer jung. Dass sie altern, ist eine neue Erfahrung. Was sich dabei herauskristallisiert hat: DJs gehen nicht wie Models oder Sportler einer Professionalität mit Verfallsdatum nach. Viele Beispiele zeigen, dass sich dem Klischee des oder der dauerfeiernden und irgendwann ausgebrannten DJ (der tragische Tod von Avicii im Alter von 28 Jahren ist dafür ein Extrembeispiel) eine routinierte Professionalität entgegensetzen lässt. So können einige DJs den Job auch 20 Jahre und länger machen.

Die in München aufgewachsene gebürtige Berlinerin Monika Kruse (47) ist so ein Beispiel: Seit 1991 legt sie auf. Am Sonntag (19.8.) führt sie ihr Weg nach Son Fusteret zum Origen Fest. Dort wird sie vor rund 8.000 erwarteten Besuchern auf Ibiza-House-Legende Carl Cox einstimmen. Oder ihn sogar ablösen. Bekannt genug, um selbst als Headlinerin zu gelten, ist sie.

Dass sie das Auflegen nie als langfristigen Beruf geplant hatte, erzählte sie in einem Interview mit dem Online-Magazin „Resident Advisor": „Ich habe es nie als eine Möglichkeit für mein ganzes Leben gesehen. Ich habe mein Studium geschmissen und dachte ,Okay, ich versuche es für die nächsten paar Jahre. Es macht jetzt Spaß, und wenn ich 35 bin, höre ich auf und suche mir einen richtigen Job.'" Doch dazu kam es nie: Kruses 35. Geburtstag verstrich und „es gab nicht die Option aufzuhören. Ich dachte mir ,Das bin ich. Das ist es, was ich mein ganzes Leben lang machen wollte.'"

Bereits mit 13 gab sie ihr gesamtes Taschengeld für Schallplatten aus. Als sie mit der Schule fertig war, hatte sie so schon eine kleine Plattensammlung. DJ zu sein lag ihr jedoch fern. Kruse sagte im Interview mit dem Magazin „Meoko", sie sei zu schüchtern gewesen. Weibliche Vorbilder gab es nicht. Bis sie bei einem Prince-Konzert Sheila E. am Schlagzeug sah: „Ich hatte noch nie eine Frau am Schlagzeug gesehen. Sheila E. so zu sehen, da dachte ich ,Ja, vielleicht kann ich das wirklich machen.'" Zudem bestärkte ihr damaliger Freund sie darin. Er half ihr ganz konkret dabei, ihren ersten Auftritt in einer Münchner Bar zu bekommen. Sieben Jahre später konnte sie erstmals ihre Miete von den DJ-Gagen zahlen, wenn auch „nur die Miete einer sehr billigen Wohnung".

Monika Kruse tourt immer noch Wochenende für Wochenende durch die Welt. Auf eine billige Wohnung muss sie sich nicht mehr beschränken. Wie es sich für eine DJ ihres Kalibers gehört, ist sie auf großen Bühnen zu Hause. Der Amnesia Club auf Ibiza oder die Time Warp in Mannheim, bei der sie schon seit Anbeginn in den 90er-Jahren regelmäßig spielt: Son Fusteret reiht sich da in Größe und Eventcharakter durchaus ein.

Ihr Sound kann sich in einem solchen Umfeld gut entfalten: Reduziert und basslastig, aber mit feinen Abstimmungen der Tonlage, sodass aus dem minimalistischen Arrangement ein schwingender Groove entsteht. Musik zum Feiern. Vom Tempo her, rund 130 Beats per minute, ist das eindeutig Techno. Aber es ist weniger hart, trickelt sanfter. Deswegen funktionieren ihre DJ-Sets auch in kleineren Clubs, die sie weiterhin bespielt.

In Clubs, dort ist auch ihre unregelmäßig stattfindende Partyreihe „No Historical Backspin" zu Hause. Die gründete Kruse im Jahr 2000, als in Deutschland Gewalttaten aus Fremdenfeindlichkeit und Homophobie zugenommen hatten. Ein mit ihr befreundeter DJ war beispielsweise vor einem Auftritt verprügelt worden, weil er schwarz ist. Bei Kruses Partys gehen die Einnahmen an eine Stiftung zur Unterstützung von Opfern solcher Gewalttaten. Sie will ein Statement für eine inklusive Clubkultur setzen, die nicht vor politischer Meinungsäußerung zurückschreckt. Die letzte Party ist allerdings drei Jahre her. Angesichts der aktuellen politischen Lage in Deutschland wäre bald wieder eine angebracht.

Vielleicht verhindert dies aber auch der Zeitmangel. Der Alltag als tourende DJ lässt wenig Zeit und Ruhe. Zudem betreibt Kruse neben ihrer Arbeit als DJ ihr eigenes Label Terminal M. Früher erschienen dort viele Tracks von ihr, heute hat sie ihre Arbeit als Produzentin heruntergefahren. Sie legt vor allem auf. Dabei versucht sie auf ihre körperliche und mentale Gesundheit zu achten. In Interviews redet sie ungewöhnlich offen darüber: „Wenn du auflegst, ist der Druck sehr hoch. Deswegen ist es mir sehr wichtig, mich einen Schritt zurückzunehmen." Yoga, Natur, Meditation - vieles hilft ihr dabei. Monika Kruse macht vor, wie man im Technobusiness altert. Sonst wäre sie wohl nicht schon 20 Jahre dabei. Und das mit Erfolg.

Origen Fest mit Carl Cox, 19.8. ab 16 Uhr in Son ­Fusteret, Tickets ab 60 Euro.