Auf einem kleinen Beistelltisch, links neben dem Eingang des stattlichen Hauses in s'Alqueria Blanca, steht eine eingerahmte Fotografie: Der Stardesigner Alexander McQueen ist da zu sehen. Er hat seine Arme um einen älteren Herren und eine ältere Dame gelegt. „Das sind meine Eltern", sagt Sebastian Pons. Vielleicht verkörpert dieses Foto wie kein anderes die beiden Welten des 46-Jährigen. Auf der einen Seite Sebastià Pons, der Sohn einer Bauernfamilie. Auf der anderen Sebastian Pons, die rechte Hand von Alexander McQueen, dem Enfant terrible der Modewelt, der sich 2010 das Leben nahm.

Dieser Pons also. Der Anfang der 90er-Jahre auszog, weil er keinen Bock hatte auf das, was Mallorca ihm damals zu bieten hatte: „Es gab entweder die Arbeit mit meinem Vater auf dem Feld oder die Möglichkeit, in Cala d'Or in Hotels ausgebeutet zu werden." Mit einem Stipendium ging er nach London, studierte am renommierten Saint Martins College Modedesign, schloss einen Bachelor und einen Master jeweils mit Auszeichnung ab. „Ich wollte mir einen Namen machen. Und natürlich den Leuten zu Hause beweisen, dass ich es draufhatte. Wenn ich schon weggegangen war."

Kleidung aus dem Second Hand Shop

Beim Besuch der MZ trägt er ein lachsfarbenes Shirt, eine Hose in Tarnfarben und FlipFlops. Das meiste, was er anzieht, kaufe er schon seit Studienzeiten in Secondhand-Shops, erzählt er. Hier in seinem Haus, in dem früher seine Großeltern wohnten, hat er sich seine Zentrale gebaut. Ein Atelier und ein Showroom, der Rest sind Privaträume. Von hier arbeitet er mit einem kleinen Team an der Rückkehr ins Rampenlicht der Modewelt. Es ist kein schlechter Zeitpunkt. Erst im Juni erschien die Doku „McQueen", in der Pons eine wichtige Rolle spielt, der aus der Innenwelt der Kreativzentrale des Briten erzählen kann. Er war ohnehin gerade wieder in den Medien präsent. Da hieß es zuschlagen.

Anfang des Jahrtausends ging er mit dem anderen bekannten mallorquinischen Modedesigner, Miguel Adrover, nach New York. Sie zerstritten sich. Pons kehrte auf die Insel zurück, igelte sich ein. Er fing an, Unterricht zu geben, erst an der Designschule in Palma, seit ein paar Jahren in Barcelona. Es wurde ruhig um ihn. Wenn er Aufträge annahm, dann waren es eher private Arbeiten, bei denen sein Name nicht erschien. „Ich war nie aus der Modewelt weg", sagt er. „Ich war nur nicht im Rampenlicht." Anfang Juli stellte er im Hotel San Francesc in Palma seine neue Kollektion „Muchache" vor. Mit Betonung auf dem „e" hinten, das eine eindeutige Geschlechterzuweisung unmöglich macht. Es ist ein kleines Attentat auf die Regeln, die wohl die meisten Menschen der Mode zuschreiben. Die Klamotten sind: Unisex. One-Size-Fits-All. Einzelstücke.

Und, gemessen an dem, was man sonst für Mode von renommierten Designern zahlen kann, relativ günstig, die Preise fangen bei 75 Euro an - in 25-Euro-Schritten geht es bis 800 Euro hoch. „Die Leute sagten: Deine Sachen sind nur für junge Leute mit perfekten Körpern. Und leisten kann sie sich auch niemand. Ich dachte: Jetzt zeige ich's euch." Er fährt mit seinem Zeigefinger an der Naht eines Stückes entlang. „Frauen können es als Kleid tragen, Männer mit einer Hose als längeres T-Shirt."

Kein Abfall bei der Produktion

Doch die Idee, dass jeder, vom 20-jährigen Bankangestellten bis zur 80-jährigen Großmutter, die Klamotten aus „Muchache" anziehen könnte, war nicht der Hauptgedanke der Kollektion. „Mode braucht heutzutage eine Botschaft", sagt Pons. Seine Botschaft ist Nachhaltigkeit. Alle Kleider, Röcke und Shorts sind aus einem Stück geschneidert. Das Schnittmuster ist quadratisch. „Wenn man Kurven schneidet, fällt ein Stück Stoff weg, das man nicht mehr gebrauchen kann", erklärt er das Konzept des „Zero Waste".

Das klingt natürlich erst mal, als ob Pons seine Kundinnen und Kunden in Kartoffelsäcke steckt. Aber die Klamotten, die aus Stoffen gefertigt sind, die er im Laufe der Jahre gesammelt hat, schmiegen sich unheimlich gut an den Körper derer, die sie tragen. Unabhängig von Körperform oder Alter. Es wirkt, als ob die Träger die Kleidungsstücke in einen Kontext setzen statt andersrum.

Strotzt vor Enthusiasmus

Pons' Bart und seine Haare sind grau. Alt wirkt er deswegen nicht. Er strotzt vor Enthusiasmus, versprüht Selbstvertrauen. Er betont gerne seine einfache Herkunft. Er kann es sich leisten. Wer was erreicht hat, kann auf bescheidene Wurzeln mit Stolz zurückblicken. Und sich darauf berufen. Pons kann die Welten miteinander verbinden. An einem Tag den pregó, die traditionelle Festrede zu den Dorffeierlichkeiten in s'Alqueria Blanca halten, dabei den Namen McQueen nur nebenbei erwähnen. An einem anderen Tag mit Vivienne Westwood und anderen Größen aus der Modewelt in einer Villa auf der Insel eine Party feiern.

Es ist fast niedlich, wenn Pons aufzählt, wie viele Leute jeweils bei der Messe zu den Dorffesten sowie zu seinem pregó Klamotten aus „Muchache" trugen. Als ob er ein Junge aus dem Dorf wäre, der gerade sein Abschlussprojekt vorgestellt hat, statt ein gestandener Designer, der mit Stella McCartney studiert hat und eine Zeit lang in der wegweisenden Denkfabrik der Modewelt gearbeitet hat.

Verbundenheit zur Insel

Dass es ihm wichtig ist, dass die Menschen aus dem Dorf „Muchache" tragen, zeigt Pons' Verbundenheit zu seiner Insel. Denn die US-„Vogue" hat schon über die Kollektion berichtet. „Das bedeutet, dass die einflussreiche Chefredakteurin Anna Wintour den Artikel abgesegnet hat", sagt Pons, um noch mal die Bedeutung zu betonen. Warum sollte es ihn also interessieren, ob eine junge Mallorquinerin in einem kleinen Dorf ihr Erspartes ausgibt, um sich für 125 Euro eines seiner Kleider zu kaufen? Weil es Pons um die Kultur der Insel geht und er sie schon immer in seinen Arbeiten integriert hat. Im Studium brachte er von Heimaturlauben Stoffreste und alte Knöpfe mit, die er bei seiner Oma in einer Schublade gefunden hatte. „Meine Kommilitonen haben mich sofort gefragt, wo ich so abgefahrenes Zeug herbekomme", sagt er grinsend. Und auch „Muchache" ist im Geist der Insel gedacht. Es ist vielleicht keine Mode, um ins Büro zu gehen. Aber für den Tag am Strand oder - wenn man kann - auf einem Boot sind die weiten Schnitte, je nach Körpergröße, und die luftigen Stoffe ziemlich reizvoll.

Genau deshalb ist es wichtig, dass die Leute in der Heimat es auch tragen. Genau deshalb redet Pons in seinem pregó nicht über McQueen oder das wilde Leben im London der 90er-Jahre. Weil er eine Modeindustrie sieht, die aus dem Ruder gelaufen ist „Große Marken wie Gucci produzieren doch längst nicht mehr für ein europäisches Publikum", sagt er. „Dafür gibt es zu viel Geld in Asien oder in arabischen Ländern. Da werden die Entwürfe angepasst."

Die Grundlagen der Mode

Ohnehin hat Pons seine Probleme mit der Modeindustrie. Nicht nur mit der „Fast Fashion" à la Zara, zu der „Muchache" in vielerlei Hinsicht der Gegenentwurf ist. Auch bei seiner Lehrtätigkeit am Instituto Europeo di Design in Barcelona bemerkt er teilweise abstruse Beweggründe für

das Studium: „Viele meiner Studenten wollen mit dem geringsten Aufwand berühmt werden", sagt er. „Wenn ich sie frage: 'Was mögt ihr am wenigsten an der Mode?', dann sagen sie: 'Nähen und Schnittmuster erstellen.' Dabei sind das doch die beiden Grundlagen der Mode!" Gerade Studenten, die so denken, hätten am meisten Probleme, die Inhalte seines Lehrfachs „Nachhaltigkeit" zu begreifen. „Sie fühlen sich in ihrer Kreativität begrenzt, wenn sie die Kleidungsstücke nicht mit Accessoires zuballern können."

Dass auch die nachhaltigsten Stücke aber auch irgendwann langweilig werden können, hat Pons bei „Muchache" bedacht. Zum nächsten Zara muss man deshalb aber nicht laufen. „Alle Stücke sind so geschnitten und genäht worden, dass man sie jederzeit zu etwas anderem umnähen kann", sagt er. „So wie es meine Großmutter früher gemacht hat.