Ein Hund läuft ohne Leine einige Meter vor seinem Herrchen den Gehsteig in einem Stadtteil von Inca entlang, stoppt und verrichtet sein Geschäft mitten auf der Straße. Der Besitzer schlendert an ihm vorbei - ohne die Exkremente aufzusammeln. Mit seinem Verhalten hat er soeben gegen zwei Punkte der Gemeindeordnung der Kleinstadt verstoßen. Ana Alba hat das Geschehen aus der Ferne beobachtet, geht auf den Mann zu und macht ihn freundlich auf sein fehlerhaftes Verhalten aufmerksam. Ihre Stimme hebt sie dabei nicht an. Auch ihre Hände hält sie still und wahrt immer ausreichend Abstand zu dem Mann - etwa einen Meter. So hat sie es auf dem Einführungs-Lehrgang des Rathauses für die neuen agentes cívicas, eine Art Zivil-Patrouille, gelernt.

Alba ist Teil der elfköpfigen Gruppe aus Frauen über 55 Jahren, die seit Kurzem durch die in fünf Gebiete aufgeteilte Stadt Inca läuft und auf rücksichtsloses Benehmen hinweist.

Es ist ein Projekt, das das Rathaus der Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt SOIB organisiert.

Auf die Idee, dass Frauen in der Stadt Patrouille laufen, ist man nach einem ähnlichen Projekt gekommen, bei dem durch das Rathaus beauftragte Helfer für mehr Ordnung im Park El Serral de ses Monges gesorgt haben. Die Grünfläche wird vor allem am Wochenende zum Grillen und Picknicken benutzt. Dabei kommt es immer wieder vor, dass Müll liegen bleibt, öffentliche Tische oder Bäume beschädigt oder die Toiletten stark verschmutzt hinterlassen werden, erzählt Silvia Gaya aus der Umwelt-Abteilung des Rathauses. Man habe gute Erfahrungen mit den Patrouillen gemacht, wollte das Projekt ausweiten und dabei noch Langzeitarbeitslosen helfen.

Die Teilnehmer des zunächst auf sechs Monate beschränkten neuen Projekts sind allesamt ältere Frauen, die seit Langem arbeits- und einkommenslos sind. Ana Alba etwa hat schon seit elf Jahren keinen festen Job mehr. „Mit 57 Jahren ist es für mich schwierig, eine feste Anstellung zu finden. Für viele Posten braucht man auf der Insel Fremdsprachen-Kenntnisse oder eine bestimmte Ausbildung. Ich hatte leider nicht die Möglichkeit, zu studieren", sagt die Frau aus Córdoba. Als das Arbeitsamt sie angerufen und ihr vom Projekt erzählt hat, fand sie es sofort spannend.

Sie mag es, dass sie nun zwischen 8 und 15.30 Uhr endlich wieder eingespannt ist: „Außerdem fühlt es sich gut an, der Gemeinschaft nützlich zu sein. Und draußen bin ich sowieso gerne." Auch die Stimmung im Team sei gut. Durch ihre frühere Arbeit als Putzfrau und Zimmerkellnerin in Hotels hat Alba Probleme mit der Hüfte. Die Tätigkeit als Bürger-Beamtin ist für sie aber problemlos machbar: Gemütlich den Ort, Plätze, an denen sich viele Menschen aufhalten, ablaufen und ab und an einen Anwohner auf gegen die Gemeindeordnung verstoßendes Verhalten hinweisen. Neben den vielen nicht beseitigten Hundehaufen fallen darunter oft auch Müllbeutel, die von Privatpersonen in den öffentlichen Papierkörben statt den Containern entsorgt werden. Auch Anwohner, die ihre Hunde im Auto gelassen, Wasser auf die Straße gekippt oder ihre Wäsche dort aufgehängt haben, weist Alba freundlich zurecht.

Damit sie und ihre Kolleginnen von den anderen Bewohnern ernst genommen werden, tragen sie eine blaue Uniform mit einem Aufdruck des Rathauses und Caps. Strafzettel ausstellen oder Anzeige erstatten dürfen sie deswegen trotzdem nicht. Das bleibt weiterhin Sache der Polizei. Die Aufgabe der agentes cívicas ist es lediglich, zu informieren und auch darauf zu achten, dass ein Bürger nicht wiederholt gegen die Regeln verstößt. Per App (línea verde) können die Ordnungshüterinnen einige Vorfälle der Stadt melden. „Etwa, wenn eine Beleuchtung nicht funktioniert, Sperrmüll am falschen Platz abgestellt wurde oder Wasser austritt." Über die Anwendung kann man auch Fotos hochladen, die dem Rathaus zugespielt werden. Von dort aus würde dann jemand geschickt werden.

Die Mitbürger würden, so Alba, auf die uniformierten Frauen vor allem mit Neugier und Fragen zum Projekt reagieren. „Viele sind uns dankbar für die Arbeit, die wir machen." Selten komme es vor, dass ein Bürger die Frauen nicht ernst nimmt und seinen Hund weiter „so ausführt, wie er will". Wirklich aggressive Zwischenfälle habe es laut Alba bisher nicht gegeben. Beim Pilotprojekt im Park Serral de ses Monges allerdings hatte einer der Freiwilligen nach einem Steinwurf durch einen Unbekannten Verletzungen am Kopf erlitten. Das war Lehrgeld für den anfangs erwähnten Rhetorikkurs.

Noch bis Januar wird Alba im Zweierteam mit ihren Kolleginnen durch Inca patrouillieren. „Ziel ist es, dass die Frauen im Laufe des 102.000 Euro teuren Projekts wieder einen Job finden, sich an einen festen Arbeitsrhythmus gewöhnen und Selbstbewusstsein gewinnen", erklärt Esperanza Crespí, ebenfalls Projekt-Verantwortliche im Rathaus. Danach werden elf neue Frauen eine Chance bekommen, falls weiter Gelder zur Verfügung gestellt werden.