Wenn Bekannte Estefania Panther fragen, wie sie freiwillig und ohne einen Cent dafür zu verdienen, 600 bis 800 Stunden pro Jahr für ihren Nebenjob aufbringen kann, entgegnet die 47-Jährige stolz, dass sie sehr wohl etwas bekommt: ein Lächeln und viel, viel Dankbarkeit. Außerdem ermöglicht ihr die Selbstständigkeit einen gewissen Spielraum bei der Zeiteinteilung: Panther betreibt in Alcúdia mit ihrem Mann einen Souvenir-Shop. „Das ist natürlich ein großer Vorteil", sagt sie.

Die Frau, die in England geboren wurde und mit neun Monaten nach Mallorca kam, leitet seit 14 Jahren die Ortsgruppe der Protección Civil aus Alcúdia. Die Zivilschutz-Gruppe wird von der Rettungsleitstelle der balearischen Landesregierung koordiniert, die wiederum dem Landesministerium für öffentliche Verwaltung untersteht. Die Aufgabenbereiche sind mit denen des deutschen Technischen Hilfswerks vergleichbar. Panther organisiert die Einsätze der insgesamt 23 Mitglieder ihrer Truppe. Wie auch sie arbeiten die meisten Freiwilligen nicht im Rettungsdienst. „Wir haben sowohl Studenten als auch Elektriker sowie Ingenieure oder Ärzte bei uns", so Panther. Tritt ein Notfall ein, stellt sie ein Team zusammen, indem sie die Leute einzeln anruft. Je nach Beruf seien die Mitglieder unterschiedlich qualifiziert und verfügbar. „Nicht alle sind beispielsweise für einen Brandfall ausgebildet." Um alle mobil zu machen, schickt sie einfach eine Nachricht in die Whatsapp-Gruppe. „Die Kameradschaft sei außergewöhnlich", so Panther. „Es ist wie eine zweite Familie."

Die insgesamt 1.100 Freiwilligen der Balearen, von denen 770 auf Mallorca arbeiten, unterstützen sowohl die Beamten der Feuerwehr, der Guardia Civil, der Orts- oder Nationalpolizei als auch die des balearischen Umweltministeriums sowie die weiterer Organismen. Oft sind sie als Erstes vor Ort, wenn es beispielsweise nahe dem Wohnort eines Mitglieds einen Waldbrand gibt. Dann sperren sie das Gebiet ab, evakuieren Gebäude, alarmieren die Einsatzkräfte der Notrufzentrale 112 und versuchen den Brand bis zu deren Eintreffen unter Kontrolle zu halten. Auch bei jedem anderen Vorfall, in dem Personen in Not oder verschwunden sind, machen sie häufig die ersten Interventionen. Manchmal sind sie auch präventiv im Einsatz, etwa bei Sportevents zur Regelung des Verkehrs zusammen mit der Polizei oder Dorffesten als Erste-Hilfe-Anlaufstelle.

Der große Einsatz

Die Flut-Katastrophe im Oktober von Sant Llorenç forderte auch von der Protección Civil einen noch nie dagewesenen Einsatz ab. Celso Turrado leitet erst seit einem Jahr die Ortsgruppe der kleinen Gemeinde und wurde bei dem Unglück voll gefordert. Er war schon da, bevor die erste große Flutwelle den Ort überschwemmte. Anwohner hatten ihn wegen zwei vollgelaufener Keller gerufen. Als der 34-Jährige und seine Freundin, die auch bei der Zivilschutzeinheit arbeitet, eine Pumpe holten und sich zu den Kellern begaben, war der Sturzbach bereits stark über die Ufer getreten und hatte Autos weggeschwemmt.

Sofort rief Turrado bei der Einsatzzentrale an und sperrte mit seiner Partnerin die Straßen ab. An Seilen watete er durch die Wassermassen. Als die Flut immer weiter anstieg und er Hilfeschreie von unerreichbaren Plätzen aus hörte, wusste er, dass es Todesopfer geben würde. „Ich habe drei Tage lang nur etwa zwei Stunden geschlafen. An Nach-Hause-Gehen war nicht zu denken." Gegen die starken Schmerzen in den Knien, die durch den Strom der Wassermassen entstanden, wurde ihm jeden Tag Schmerzmittel gespritzt. Oft werde er seit seinem Einsatz von Menschen auf der Straße aus Dankbarkeit umarmt.

35 der mallorquinischen Zivilschutz-Gruppen waren am Tag der Katastrophe oder an denen danach zusammen mit den Beamten anderer Organismen im Einsatz. „An den Unglückstagen gab es keine strikte Trennung der Rettungseinheiten mehr. Jede ist mit der anderen verschmolzen", erinnert sich Cristina Macías. Sie koordiniert die Einheit von der Rettungsleitstelle der balearischen Landesregierung aus. Ihre Aufgabe ist es auch, die Freiwilligen zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie bei ihren Rund-um-die-Uhr-Einsätzen wie etwa in Sant Llorenç durch bocadillos und Wasser wieder zu Kräften kommen können. Also hat sie im Falle von Sant Llorenç auch Estefania Panther beauftragt, mit reichlich Essen und Trinken aus Alcúdia einzutreffen.

Ein anderer Großeinsatz der freiwilligen Helfer war im November 2017 der Brand an Bord einer Fähre der Gesellschaft Algerie Ferries, die nach Port d'Alcúdia umgeleitet wurde. Das Schiff mit etwa 600 Personen musste evakuiert und die Menschen versorgt werden. „Eine besondere Herausforderung war, dass die meisten Muslime waren. Auf kulturelle Gegebenheiten versuchen wir bei unseren Einsätzen natürlich auch einzugehen, in diesem Fall etwa mussten wir Halal-Essen besorgen."

Zivilschutz-Gruppen gibt es auf Mallorca seit 1995. Mittlerweile gibt es auf den Balearen 55 Freiwilligen-Gruppen, 42 davon auf Mallorca, sieben auf Menorca, fünf auf Ibiza und eine auf Formentera. Je nach Größe einer Gemeinde haben sie unterschiedlich viele Mitglieder. Calvià etwa ist mit rund 60 insgesamt eine der größten. Bezahlt wird das Projekt zum einen durch ein jährliches Budget der jeweiligen Rathäuser. 100.000 Euro stehen allen Gruppen der Balearen insgesamt pro Jahr von der Regierung zur Verfügung. Die Ausbildungskosten sind separat zu sehen.

Wer mitmachen will, muss 18 Jahre alt sein, darf keine ansteckende Krankheit haben, muss für die angebotenen Dienste geeignet sein und eine 30 Stunden umfassende Kurzausbildung machen. Jeder der Helfer wird mit Uniformen und Schutzkleidung (Regenjacken, Brandschutzjacken) ausgestattet. Man sollte natürlich Spanisch sprechen können.

Weitere Infos: www.bit.ly/proteccionCivil