Bei der Frage, warum sie Sängerin geworden ist, schießen Carmen Jaime die Tränen in die Augen. Die 49-Jährige streckt ihre Hände vor, als ob sie etwas Wertvolles und gleichsam Empfindliches in ihnen weitergeben möchte. „Auf der Bühne gebe ich dem Publikum mein Herz, meine Seele", sagt sie. „Uff, warum ich jetzt so emotional reagiere, weiß ich auch nicht."

Die gebürtige Mallorquinerin war 20 Jahre alt, als befreundete Musiker sie bei einer Feier auf einer Finca überredeten, auf der Bühne für die Gäste zu singen. „Die Musik kam zu mir wie ein Wunder." Tagsüber arbeitete sie als Grafikdesignerin, nachts bespielte sie erst mit der befreundeten Rockband „Local Ocho" die Bühnen Palmas, später gründete sie die Blues-Gruppe „Too Much Morrow".

Als 1993 ihr Vertrag als Grafikdesignerin ausläuft, beschließt sie, sich voll und ganz der Musik zu widmen. 2004 kommt ihr zu Ohren, dass Rainhard Fendrich, der Sänger und Moderator aus Österreich, auf Mallorca eine CD aufnimmt und eine spanische Sängerin sucht. „Ich habe vorgesungen und sie haben mich sofort genommen." Zusammen mit Fendrich nimmt sie den Song „Soy tu vida" auf. Sie begleitet ihn auf seiner Tour, auch nach Berlin. „Wir sind in der Universität der Künste aufgetreten und die Leute sind aufgestanden und haben mitgesungen."

Berlin gefällt ihr auf Anhieb. Als der deutsche Gitarrist Michael Gechter auf einem Konzert auf Formentera vorschlägt, zusammen mit dem Bassisten HD Lorenz ein Trio zu gründen, um regelmäßig in der deutschen Hauptstadt zu spielen, sagt sie sofort zu. „Carmen Jaime Berlín Connection", nennen sie sich und spielen eine Mischung aus Jazz, Blues, Rock. 2006 verbringt sie sechs Monate in Berlin, das Trio tritt regelmäßig in der Ufa-Fabrik auf. „Ich liebe das Publikum in Berlin, Deutsche sind wie ein Spiegel. Man kann sehr genau sehen, ob ihnen die Musik gefällt oder nicht."

Auch auf Mallorca baut sie ihre Karriere weiter aus, sie spielt auf privaten Feiern, Hochzeiten, widmet sich mit ihrem Projekt „Illencs" der mallorquinischen Musiktradition. Im Dezember 2018 erfüllt sich ein Traum von ihr: Sie darf den Sybillengesang in der Kathedrale vortragen. Seit gut einem Jahr leitet sie einen gemischten Chor in Can Pastilla, jeden Mittwoch ab 18 Uhr kann man im Club Nautico vorbeischauen. Und auch sie selbst lernt immer weiter hinzu, in Barcelona macht sie gerade einen Master an der Universität, um als Musik-Therapeutin zu arbeiten. „Musik ist eben mehr als nur Kunst. Sie begleitet unser ganzes Leben."