„König-Döner" prangt auf einem Werbeschild auf dem Vordach des wenig originell wirkenden Imbisses an Cala Ratjadas Hauptstraße Eleonor Servera. Nichts deutet darauf hin, dass hier einst die wohl kultigste Bar untergebracht war, die der kleine Küstenort im Nordosten von Mallorca je hervorgebracht hat: die Wikiki-Bar, betrieben von dem Berliner Anarchisten Hugo Cyrill Kulp Boruch. Vielen deutschen Mallorca-Bewohnern ist der Lebenskünstler, der 1933 auf der Flucht vor den Nazis ein knappes Jahr in Cala Ratjada verbrachte und das Dorf ganz schön aufmischte, unter seinem Künstlernamen Jack Bilbo ein Begriff. Mallorquiner dagegen wissen kaum etwas über den Abenteurer. Erst jetzt, rund 70 Jahre nach der Erstveröffentlichung 1948, hat der lokale Kulturverein "Associación Cultural Cap Vermell" veranlasst, Jack Bilbos Autobiografie vom Englischen ins Katalanische zu übersetzen. Der Bohemien soll auch den Einheimischen in Erinnerung bleiben.

Dass Bilbo seinerzeit für viel Aufsehen im Dorf sorgte, ist überliefert. In der Wikiki-Bar lief moderne Jazzmusik, Männlein und Weiblein kamen sich näher, man trank und feierte. Kein Treffpunkt für streng-katholische Dorfbewohner, wohl aber für die vielen ausländischen Exilanten. „Jack Bilbo kam nach Cala Ratjada, weil es am weitesten von Palma entfernt und dementsprechend weit weg von den Nazi-Spionen war", sagt Biel Mir. Der Katalane lebt seit Jahren in Capdepera und interessiert sich für die Ortsgeschichte. Der Kulturverein hat ihn als Übersetzer angeheuert. „Jack Bilbo hat noch mehrere andere Autobiografien vor und nach dieser geschrieben, und es kommt häufig zu Diskrepanzen zwischen den Versionen. Aber ob man seine Geschichten glaubt oder nicht, ist zweitrangig. Denn wenn man Abenteuer mag, haben seine Erzählungen die richtige Mischung aus Unterhaltung und Kuriosität", so Mir. Tatsächlich machte Bilbo sich bereits vor seinem Mallorca-­Aufenthalt einen Namen, als er der Welt weismachen wollte, er habe als Leibwächter des Kult-Ganoven Al Capone gearbeitet.

Von Cala Ratjada zog es den hochgewachsenen, mit Tattoos übersäten Deutschen nach Katalonien, später unterstützte er die Anarchisten im spanischen Bürgerkrieg und floh dann vor Franco nach Großbritannien. Von dort ging es nach New York und Frankreich, bevor er Anfang der 60er-Jahre nach Berlin zurückkehrte und dort „Käpt'n Bilbos Hafenspelunke" eröffnete. Jack Bilbo starb 1967. „Er war Kneipier, Künstler, Autor, Bildhauer, Galerist, Philosoph, Psychologe und Reisender. Er war Egozentriker, aber bewahrte auch immer den Willen, die Schwächsten zu verteidigen. Nichts zeigt diese Vielseitigkeit besser als seine Memoiren", sagt Biel Mir.

„Jack Bilbo: Una autobiografia", Edicions Documenta Balear, 520 Seiten, 24 Euro (Katalanisch). Die deutsche Übersetzung des englischen Originals von 1948 erschien 1963 und heißt „Jack Bilbo. Rebell aus Leidenschaft".