Hört man sich jetzt die Dialoge an oder betrachtet man die Gegend? Es sind zwei Welten, die da in „Familie Wöhler auf Mallorca" am Samstagabend (23.2.) in der ARD aufeinanderprallten - die Tramuntana-Landschaft mit ihren Trockensteinmauern, Olivenbäumen, Ziegen und Mönchsgeier einerseits, die Endlos-Streitereien der deutschen Metzger-Familie über die Wahrung der Tradition und die enttäuschten Erwartungen andererseits. Schimpfend und grollend wandert sie durch die Mallorca-Kulisse und hält sich dabei an alle Regeln der öffentlich-rechtlichen Familienunterhaltung, inklusive Happy End. Die Insel ist eine Verpackung, aber eine omnipräsente, schöne: außen Tramuntana, innen Familienknatsch. Und: Nach den Einschaltquoten zu urteilen, hat der Film Anklang gefunden. "Familie Wöhler auf Mallorca" schaffte es am Samstag mit 4,41 Millionen Zuschauern hinter der "Tagesschau" und der "Sportschau" auf Rang 3. Der Marktanteil lag bei 14,9 Prozent.

Überspitzt formuliert, könnte man den Film auch ohne Ton genießen und nur die Bilder betrachten. Kameramann Jalaludin Trautmann hat den Nordwesten Mallorcas praktisch komplett in stimmungsvollen Bildern eingefangen, und jeder Urlauber darf sich an seine eigenen Ausflüge erinnern. Allerdings ist auch die Filmmusik hörenswert. Die sonst bei mallorquinischen Landschaften obligatorische spanische Gitarre, die eigentlich so gar nicht zur Insel gehört, ist auf ein Minimum beschränkt. Dafür gibt es gleich drei Western-Klassiker des italienischen Komponisten Ennio Morricone, „My name is nobody", „Farewell to Cheyenne" und „Für eine Handvoll Dollar". Die Tramuntana als feindliche Steppenlandschaft, in der sich die Familienmitglieder verirren, die Füße verstauchen, ums Erbe streiten und duellieren - das entschädigt für andere Schwächen des Films.

So mancher Zuschauer hätte wohl lieber gesehen, wie Harald Krassnitzer als Wiener Tatort-Kommissar auf Mallorca ermittelt statt als unglücklicher Metzgerssohn Klaus Wöhler über die Zucht von Schweinen zu schwärmen. So mancher Ausrutscher der ansonsten durchaus mit überraschenden Wendungen aufwartenden Story wäre einem dann erspart geblieben. Zum Beispiel die peinlichen Klischee-Tunten, die am Gipfel warten und einer 80er-Jahre-Komödie entsprungen zu sein scheinen, inklusive derber, homophober Sprüche („Hinterlader").

Aber mit einem anderen Plot wären freilich auch die Mallorca-Bilder weniger idyllisch ausgefallen - wobei aus dramaturgischen Grenzen ordentlich die Geografie verschoben wird. Da findet zum Beispiel die Anfahrt vom Flughafen ins Bergdorf Valldemossa über die Serpentinenstraße von Sa Calobra statt - die Kurven rund um den „Krawattenknoten" machen sich offenbar besser als Einstiegsszene. Nach einer Rast an der Steilküste von Sa Foradada - der Ort ist auch ohne den berühmten Lochfelsen im Bild zu erkennen -, setzt die Familie nochmal zu einer Bergüberquerung an, obwohl Deià keine Stunde Fußmarsch entlang der Küste entfernt ist. Und nach einem Wanderunfall werden Klaus und Sohn Mark (Tino Mewes) ins Krankenhaus Sant Joan de Déu in Coll d'en Rabassa geflogen. Das Hospital ist zwar in Wirklichkeit auf Reha-Maßnahmen spezialisiert, liegt aber einfach schöner als Son Espases, nämlich direkt am Meer.

Auch wenn es die Mallorquiner nur zu Nebendarstellern schaffen, kommt die Insel gut weg, es geht ziemlich authentisch zu. So darf eine Mallorquinerin, über deren Ziegen Krassnitzer im Wald stolpert, auch einige Worte in der Inselsprache loswerden. Zu oft kommen sonst in solchen Fällen deutsche Schauspieler zum Einsatz, die mit ihrem bemühten spanischen Akzent eher an Italiener erinnern. Und man erfährt so einiges über Mallorca. Zum Beispiel, dass coto de caza Jagdgebiet heißt. „Wenn es knallt, einfach die Köpfe einziehen", rät Familienoberhaupt Helmut Wöhler (Michael Gwisdek). Auch an die richtige Aussprache von Ortsnamen wie Deià oder Lluc tasten sich die Protagonisten heran. Und in Valldemossa darf Krassnitzer ein Pa amb Oli genießen und schwärmen: „Ich muss jetzt unbedingt eine Sobrasada probieren, aus cerdo negro".

Später, während der Wanderung, hält er dann auch ein echtes schwarzes Schwein in den Armen und wird von dem Ferkel sogleich angepinkelt. Ein Fleck breitet sich auf dem Hemd aus. Eigentlich geht es in der Szene um den Familienstreit, der sich hier seinem Höhepunkt nähert. Aber man schaut nur auf den Fleck. Wer jetzt nicht auf die Dialoge hört unddas Hemd im Blick behält, kann sehen, wie dieser zwischen den Schnitten der Szene ein Eigenleben zu entwickeln scheint. Einmal reicht er bis zum Hosenbund hinunter, dann hört er wieder deutlich darüber auf. Anschlussfehler hin oder her - Die Zuschauer nahmen in jedem Fall mit, dass die Tramuntana wunderschön ist. Oder wie das Familienoberhaupt sagt: „Mächtig viel Gegend hier!"

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