Zehn Jahre lang hat Carolina Mbomio in London bei der Modekette H&M im Markenmanagement gearbeitet. Bis sie den Konsum und die Massenproduktion nicht mehr aushielt. „Spätestens, nachdem ich zu Besuch in meinem Heimatland Äquatorialguinea war, habe ich mir geschworen, dass ich nur noch eine Arbeit ausüben werde, die ich auch mit meinem Gewissen vereinbaren kann", sagt sie - und kündigte. Doch seit gut einem halben Jahr ist ihre Begeisterung für Mode wieder entfacht. Denn im August 2018 lernte sie auf Mallorca den Brasilianer Michael Marcellus kennen - und mit ihm die Möglichkeit, Mode und Nachhaltigkeit zu verbinden.

Eigentlich ist es kein richtiges Atelier, in dem der 28-Jährige Marcellus seine Kleider entwirft und schneidert, auch wenn alles in den Räumlichkeiten in Palmas Altstadt einladend und funktional wirkt. „Es ist die Wohnung unseres gemeinsamen Freundes Antoni Pedraza. Er hat uns einander vorgestellt und übernimmt jetzt den Verwaltungskram", so Mbomio. Sie selbst kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und die Verbreitung der erst vor wenigen Monaten gegründeten Marke Mimo Upcycling, unter dessen Label Marcellus seitdem gebrauchte Stoffen verarbeitet.

„In Deutschland und Skandinavien können sich viele etwas darunter vorstellen, was wir machen. Aber hier in Spanien sind viele schon beim Thema Secondhand skeptisch", sagt Mbomio und erklärt: Beim Upcycling wird ein Kleidungsstück benutzt, um ein anderes daraus zu fertigen. „Zum Beispiel dieses Kleid hier", sagt Marcellus und hält ein mehrfarbiges Kleid in die Höhe. Tatsächlich besteht es aus verschiedenen, aneinandergenähten Jeansstoffen, die einst zu Hosen verarbeitet waren. „Beim Customizing dagegen wird ein bestehendes Objekt mit zusätzlichen Materialien aufgepeppt, so wie hier", fügt er hinzu und deutet auf ein Jeansjacke, deren Rückenfläche er mit rosafarbenem Paillettenstoff bestickt hat. Für Mimo Upcycling macht der junge Brasilianer beides - immerhin ist die Philosophie dahinter dieselbe: Benutzt werden ausschließlich gebrauchte Stoffe, ganz nach dem Motto: wiederverwerten statt wegschmeißen.

„Die kaufen wir entweder bei der Caritas oder der Heilsarmee oder bekommen sie von Freunden geschenkt, die ihre alten Hosen nicht mehr anziehen", so Marcellus. Er wirkt schüchtern, ganz anders, als seine auffällig kombinierte Kleidung, der Undercut und die frech zu einem Dutt zusammengeknoteten Dreadlocks erahnen lassen. Erst als die MZ ihn für ein kleines Fotoshooting vor die Kamera holt, blüht er auf, strahlt und posiert. „Ich wollte schon immer etwas Kreatives machen. Fotografie oder Mode, das war mir schon lange klar", berichtet er. Seit er 2012 in seiner Heimatstadt Rio de Janeiro mit dem Designstu­dium begann, entwirft er in seiner Freizeit Mode - und setzte fast von Anfang an auf das Upcycling-Konzept. „Gerade in Brasilien, wo viele Menschen wenig Geld haben, ist Up­cycling ein durchaus gängiges Konzept."

Trotzdem zog es Marcellus vor gut anderthalb Jahren nach Europa. Erst arbeitete er in Frankreich als personal shopper, dann in Madrid. Nach Mallorca kam er vor einem Jahr. Den Mut, die Idee der eigenen Modemarke wieder aufzugreifen, machte ihm Mbomio. Im August belegten die beiden einen städtischen Gründerworkshop, seitdem sind sie hoch motiviert bei der Sache. „Wir sind kurz davor, unseren Online-Verkauf zu starten", so Mbomio stolz. Derzeit können Kunden sich über die sozialen Netzwerke inspirieren lassen und die Ware dort per Nachricht anfordern. Lange Bildergalerien zeigen die extravaganten Jeanskleider, -blusen, -taschen und -ponchos sowie die schicken Pullover und Jacken, die Marcellus mit bunten Stoffelementen aufgepeppt hat. „Die Preise liegen etwa zwischen 20 und 30 Euro", sagt Carolina Mbomio.

Auf Anfrage sind auch Termine im Atelier möglich, dann können auch eigene Kleidungsstücke zum Aufhübschen mitgebracht werden. An jedem letzten Samstag im Monat stellt Mimo Upcycling zudem auf dem „Tira'm els trastos"-Markt in Santa Catalina aus. „Upcycling ist keine Mode­erscheinung, sondern ein Lebensstil", so Mbomio. Gerade junge ­Leute würden diesen Weg einschlagen. „Wer einmal damit anfängt, der kauft sich keine Neuware mehr."

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