Thomas Niederste-Werbeck hätte uns durch seinen zauberhaften Patio in sein Haus bei Artà führen können - einfach, um ein bisschen anzugeben. Wir hätten uns dann durch die doppelflüglige Holztür in der aus groben Steinen errichteten Ummauerung auf den Weg durch den Vorgarten gemacht, in dem die Blätter der Agapanthus (Schmucklilien) wuchern, eine alte Steineiche im Sommer Schatten spendet und der Wandbrunnen leise vor sich hin plätschert. Nach der in einem Rundbogen aus Natursteinplatten eingefassten Eingangstür hätte uns der 55-jährige Kreativdirektor und Einrichter dann seine exotische Schmetterlingssammlung zeigen können, die beiden Stühle des Möbeldesigners Hans C. Wegner (1914-2007), die ihn schon seit 30 Jahren begleiten, oder er hätte uns auf das mit Wildleder bezogene, eigens für ihn angefertigte Sideboard in der Eingangshalle aufmerksam gemacht. Hat er aber nicht. Denn Thomas Niederste-Werbeck hat Stil. Dazu gehört auch, dass er beim MZ-Besuch nicht auf dicke Hose macht, uns lieber in einem schlichten aber schicken Flanell-Outfit begrüßt und wir durch die Garage ins Haus gehen. Die Schuhe behalten wir an.

Neues Buch mit Traumfincas

Am Dienstag (12.3.) ist das Buch „Mallorca mit Stil" erschienen. Auf 192 Seiten (39,98 Euro) werden mit vielen Fotos Häuser und Wohnungen vorgestellt, bei denen man lieber nicht nach dem Quadratmeterpreis fragt. Thomas Niederste-Werbeck, der lange in Chefpositionen für Zeitschriften wie „Architektur & Wohnen", „Salon", „Häuser" oder „Dogs" gearbeitet hat, hat das Vorwort verfasst und Tipps zum Shoppen und Erleben auf der Insel beigesteuert. Auch sein Haus ist Teil des Buches.

„Als ich 14 Jahre alt war, haben mich meine Eltern zum ersten Mal mit auf die Insel genommen, um Urlaub im Hotel La Residencia in Deià zu machen", sagt er. Seitdem hat es ihn immer wieder nach Mallorca gezogen. Bis er schließlich 2016 nach langer Suche zusammen mit seinem Mann Frank sein Traumhaus fand. „Wir haben es als Neubau übernommen, es fehlte nur noch die Küche; Fenster und Garten waren noch nicht fertig", sagt Thomas Niederste-Werbeck. Besonders geschätzt hätten sie die großen Räume, die ineinander übergehen. Dazu komme die perfekte Mischung aus Tradition mit den sichtbaren Dachbalken oder den Bodenfliesen aus mallorquinischen Marès-Stein, die sich in einer modernen Umgebung mit großzügig geschnittenen Fenstern einfügen. Sergi Bastidas, ein Architekt aus Barcelona, der seit 40 Jahren auf Mallorca lebt, hat das Anwesen entworfen. „Ein Haus ist wie eine Liebesbeziehung, und am besten ist es Liebe auf den ersten Blick", sagt Thomas Niederste-Werbeck. Die Liebe ist noch gewachsen, seitdem er es nach seinem Geschmack eingerichtet hat.

Sehnsucht nach haptischen Dingen

„Ich mag klar strukturierte Räume mit wenigen Möbeln und ausgesuchten Gegenständen, die eine Geschichte erzählen", sagt er. Den im Garten gefundenen Panzer einer Schildkröte zum Beispiel, der jetzt Dekoration ist. Einen ausgestopften Eisvogel hat er bei einem Trödelhändler in Dänemark gekauft, „das war mal ein Präparat für Schulklassen." Und bei seiner Schmetterlingssammlung findet sich ein Nachtfalter mit dem Totenkopf aus dem Film „Das Schweigen der Lämmer" - das Geschenk einer Freundin. In die ansonsten luftig gestalteten Räume setzt Thomas Niederste-Werbeck rustikale Gegenstände, wie den grob bearbeiteten Holztisch im Esszimmer, der auf einem afghanischen Wollteppich ruht, über den man am liebsten barfuß laufen möchte. „In einer zunehmend technischen und visuellen Welt ist das Bedürfnis nach haptischen Dingen groß, die man anfassen und spüren kann", sagt er. Der frei stehende Arbeitsblock in der Küche hat eine polierte Steinoberfläche, die Schränke sind aus gekalkter Eiche.

„Ich würde mich nicht Innenarchitekt nennen, aber mein Wissen ist aufgrund meines beruflichen Werdeganges groß." In Artà hat er kurz nach dem Einzug 2016 ein Büro samt Showroom angemietet, um unter den Namen „TNW Design" Kunden in Sachen Inneneinrichtung zu beraten. „Dabei kann es um ein einzelnes Zimmer gehen oder auch um eine 500-Quadratmeter-Finca", sagt er. Das Beratungs-Angebot sei auf Mallorca groß und reiche von goldenen Wasserhähnen bis zur puristisch verspielten Einrichtung. Er halte sich lieber an einen Stil, der Leichtigkeit vermittle.

Ein Weg über Unwege

Dass er seine Leidenschaft zum Beruf machen konnte, sei dabei ein Weg über Umwege gewesen. Nach dem Abitur und Wehrdienst als Sanitäter wollte der gebürtige Gelsenkirchener erst einmal Mediziner werden. Der Vater war Personalmanager und im Vorstand der Rheinmetall und Jagenberg AG, seine Mutter Bankkauffrau. Auch wenn sich seine Eltern durchaus für Design interessiert haben, galt Innenarchitektur zu der Zeit doch als brotlose Kunst. „Bis zum ersten Staatsexamen habe ich Medizin studiert, mich darin aber nie wirklich wiedergefunden." 1987 brach er ab und wurde Blumendekorateur in Hamburg. „Wir hatten viele wohlhabende Kunden an der Alster, haben Möbelhäuser und Messen dekoriert."

1989 zog er nach London, um Kunstgeschichte bei dem Auktionshaus Christie's zu studieren. „Da wurde mir klar, dass ich mich vor allem für Kunstobjekte interessiere." Als er 1992 fertig war, suchte man bei „Architektur & Wohnen" jemanden, der sich um „kreative Belange" kümmerte. Das war sein Einstieg in die Welt der Hochglanzmagazine. Ein Höhepunkt war sicherlich, als der Hundeliebhaber mit seinem Konzept eines hochwertigen Hundemagazins einen Ideen-Wettbewerb gewann. Die Zeitschrift „Dogs" war geboren.

Boris Beckers Finca hat keinen Stil

Heute arbeitet er immer noch für diverse Wohn-Magazine in Hamburg, hat darum in Husum eine kleine Bleibe. Doch mehr und mehr Zeit verbringt er auf Mallorca. „Besonders im Winter bin ich gerne hier, wenn man im Dezember noch in der Sonne frühstücken kann und die Straßen leer sind." Dann geht er viel mit seinen beiden Terriern Buddy und Cooper spazieren. „Einmal sind wir bis zur Finca von Boris Becker gelaufen, die hat auf jeden Fall keinen Stil", sagt er.

Und wenn es doch einmal regnet, dann räumt Thomas Niederste-Werbeck gerne auf. Die Japanerin Marie Kondo hat mit ihrem Buch „Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert" und der Netflix-Serie „Aufräumen mit Marie Kondo" einen weltweiten Trend ausgelöst. „Auf meinem Schreibtisch darf es ruhig chaotisch zugehen, zu Hause schätze ich aber Klarheit und Struktur", sagt Thomas Niederste-Werbeck. Ein aufgeräumter Kleiderschrank könne durchaus für einen Glücksmoment sorgen.

Der schönste Ort auf dem Anwesen

Zum Ende unseres Besuches zeigt Thomas Niederste-Werbeck uns noch einen seiner Lieblingsorte auf dem vier Hektar großen Anwesen. Es ist der eingangs erwähnte Patio mit der Steineiche, den er für uns aufschließt. „Hier ist es selbst im Sommer schön kühl, der ideale Platz, um herunterzukommen oder unter der Steineiche ein bisschen zu arbeiten." Bei genauerer Betrachtung ist es tatsächlich eher ein Ort, um anzukommen, als einfach nur hindurchzulaufen.

Das Buch (192 Seiten) ist im Callwey-Verlag