Manche Pflanzen gedeihen im Schatten besonders gut. Pilze zum Beispiel gehen eine Symbiose mit Bäumen ein, für beide Arten ist die Beziehung nicht überlebensnotwendig, aber fruchtbar. Auch im sozialen Biotop Ballermann finden sich solche nützlichen Verflechtungen. Wenn ab Donnerstag (11.4.) wieder das Bier durch die Zapfhähne des Megaparks rauscht, profitiert davon unweigerlich das Cel Blau. Das Restaurant liegt keine zehn Meter vom Hinterausgang der Großraumdisko entfernt, und die Terrasse ist ein beliebter Treffpunkt der Stars und Sternchen, die im Megapark ein- und ausgehen.

Es ist der Zwerg im Schatten des Megaparks. Seit 1984, viel länger als die Großraumdisco, gibt es schon das Cel Blau (deutsch: Blauer Himmel) in der Carrer del Llaüt, 40. „Mein Vater hat das Geschäft vor fast 35 Jahren eröffnet, seitdem befindet es sich in Familienhand", sagt Ramón Sierra. Der 35-Jährige ist der Servicechef und arbeitet hier seit 18 Jahren in Vollzeit. Als die MZ ihn am Donnerstagnachmittag besucht (4.4.), nimmt Megapark-Besitzer Bartolomé Cursach gerade mit Teilen seines Managements Platz, um einen café cortado zu trinken. Das komme öfter vor, sagt Ramón Sierra. Von den Lizenzstreitigkeiten um den Megapark oder dem Ermittlungsstand gegen Cursach will der Wirt nichts wissen. „Es ist doch immer das Gleiche. Geld und Politik. Kommt das zusammen, gibt es Probleme", sagt er.

Als kleiner Bub an der Playa

Er spricht lieber über seine Kindheit, die er an der Playa verbracht hat. Sein Vater zog 1960 aus der Region Extremadura in Westspanien nach Mallorca. „Aus denselben Gründen wie viele Festlandspanier. Er hat Arbeit gesucht." Antonio Sierra (heute 67) verdiente sein Geld als Kellner in Arenal, sparte fleißig und mietete sich eine Garage des Gebäudes Cel Blau, um daraus eine Bar zu machen. „Ich kann mich an die Anfangsjahre natürlich nicht erinnern, aber mein Vater beschreibt sie immer als eine gute Zeit", so Ramón.

Sehr genau im Gedächtnis behalten hat Ramón Sierra, wie er mit den anderen Kindern an der Playa gespielt hat, bis heute lebt die Familie nur zwei Seitenstraßen vom Cel Blau entfernt. Dort, wo jetzt der Megapark steht, befand sich bis zum Jahr 2000 ein Biergarten, der zum Hotel Los Angeles gehörte. „Es gab dort kleine Springbrunnen, und ich bin mit meinen Freunden um die Tische getobt. Die Urlauber riefen: 'Kinder, Kinder! Raus!', sagt Ramón Sierra auf Deutsch. „Wir haben dann aus Luftballons Wasserbomben gemacht und auf die Leute geworfen."

Straßen voll Verrückter

Es sei eine andere Playa gewesen, damals. Klar, Tourismus habe es hier schon immer gegeben. Aber einen anderen Schlages. „Man hat auch damals Alkohol getrunken, nur nicht so wie heute", sagt Ramón Sierra. Sowohl was die Gäste als auch was der Umgang zwischen den Gastronomen betreffe, sei es familiärer zugegangen. Spielende Kinder würde er heute hier kaum noch wahrnehmen. „Der Megapark verkörpert ein ganz anderes Konzept von Tourismus", sagt Ramón Sierra. Eines, das auf Masse, auf junge Leute ausgelegt ist. Die Folge: „Im Sommer sind die Straßen voll Verrückter."

Auch er habe manchmal Ärger mit schreienden und betrunkenen Urlaubern, die bei ihm etwas essen wollen. Die schicke er dann weiter zu McDonald's oder Burger King,„¡Fuera!" (Raus!). Wird die Situation allzu brenzlig, holt er sich auch mal Hilfe von der Security aus dem Megapark. Noch so ein Punkt, wo er von der Nachbarschaft profitiere. Ab und zu gehe er nach seinen 13- bis 14-Stunden-Schichten auch rüber, um sich mit Freunden zu treffen. „Ich kenne viele Mitarbeiter, wir trinken mal ein Bier. Oder zwei. Oder fünf", sagt Ramón Sierra und lacht. Bei aller Nachbarschaftsliebe sei es aber wichtig, dass sich das Cel Blau seine Unabhängigkeit bewahre.

Das neue Konzept des Restaurants

Seit drei Jahren sei sein Vater Antonio im Ruhestand - na ja, „más o menos", sagt der Sohn. Sein Bruder Diego (28) leitet die Küche, seine Mutter Consuelo (58) hilft aus, und der Papa schaut öfter mal nach dem Rechten. Insgesamt sind sie mit Angestellten zu sechst. „Wir haben grundlegend renoviert und eine neue Speisekarte", sagt Ramón. Es gibt frittierte Sardellen, Tintenfisch, Serrano-Schinken aber auch Hamburger, asiatische Gerichte aus dem Wok. „Die Deutschen wollen immer Tapas essen. Aber Spanier freuen sich über Abwechslung", sagt Ramón Sierra. Die Hamburger seien bei beiden Nationen sehr beliebt. 70 Prozent der Kundschaft würde mittlerweile aus Spaniern bestehen. „Wir haben neuerdings auch im Februar und März geöffnet, wenn kaum Urlauber an der Playa sind." Das habe sein Vater nie gemacht. Geschlossen habe das Cel Blau nur noch im Dezember und Januar.

Mickie Krause voll des Lobes

Aber, na klar, so richtig ins Schwitzen kommt Ramón erst Ende April, wenn der Megapark öffnet. Dann bewirtet er auch die, die dort auftreten. „Richtig toll finde ich Mickie Krause. Er kommt seit vielen Jahren zu uns, bringt seine ganze Crew mit und ruft 'Ramón! Wir brauchen 20 Bier. Aber schnell, wir müssen gleich arbeiten!' Das sind gute Leute. Sie haben es immer ein bisschen eilig, aber sind sehr sympathisch." Mickie Krause gibt das Kompliment auf MZ-Anfrage gerne zurück: „Im Cel Blau wird auf Schnickschnack verzichtet, und trotzdem fühlt man sich wohl und willkommen, was natürlich ganz entschieden an Ramón und seiner Familie liegt. Ein Bier oder Orangensaft vor dem Auftritt ist hier Pflicht!"

Sängerin Isi Glück lobt: „Ich liebe es, vor meinen Gigs mein Bierchen dort zu trinken und mit Ramón und Diego ein bisschen zu quatschen." Auch Künstler Lorenz Büffel - „von außen sieht es klein und unscheinbar aus, jedoch verbirgt sich dort eine großartige Küche" - trifft man dort regelmäßig im Schatten des Megaparks. Und wo Schatten ist, ist bekanntermaßen ja auch immer Licht.

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