Selbst seine Kritiker auf Mallorca und dem spanischen Festland konnten nicht umhin, Jordi Évole Respekt für seine journalistische Leistung zu zollen. Am 31.3. lief in seiner Sendung „Salvados" (Gerettet) sein Interview mit Papst Franziskus. Viereinhalb Jahre hatte er versucht, den Termin zu bekommen. Ein 44-jähriger Katalane, politisch eher links, mit Bart und Wuschelfrisur, saß dem heiligen Vater gegenüber und konnte endlich die Frage stellen: „Ist es Blasphemie, Lionel Messi als Gott zu bezeichnen?"

Dass Évole mal als einer der renommiertesten Journalisten des Landes gelten könnte, hätte wohl niemand gedacht, der seine ersten Auftritte im TV gesehen hat. Als Sidekick „El follonero"(der Radaumacher) von Talkshow-Größe Andreu Buenafuente nahm Évole ab Anfang des Jahrtausends Politiker und Prominente auf den Arm. 2008 bekam er eine eigene Sendung, um den Quatsch im Wahlkampf jenes Jahres fortzusetzen. Aus dieser ersten Sendung entwickelte sich sein heutiges, mehrfach preisgekröntes Format.

Es sei die Wirtschaftskrise gewesen, die ihn gezwungen habe, einen ernsteren, investigativeren Ansatz zu wählen, sagte Évole 2013 in einem Portrait der „New York Times". „Wären wir weiter die Humor-Schiene gefahren, hätte man uns schnell als belanglos abgetan." Er fing an, politische Skandale aufzudecken, setzte politische Gegenspieler für Doppelinterviews zusammen - und machte mit seiner eigenen Mischung aus rigoroser Vorbereitung und charmanter Naivität großes Fernsehen. Das Humorvolle ist ihm dabei nicht abgegangen, auch wenn er sich nie scheut, konfrontativ in ein Interview zu gehen, wie etwa im Fall von Nicolás Maduro, dem venezolanischen Präsidenten, den er im Februar nicht mit der Behauptung davonkommen ließ, in Venezuela würden keine Journalisten verhaftet.

Die Interviews mit bekannten Politikern erzeugen sicherlich die größte Aufmerksamkeit. Évoles Stärke als Interviewer zeigt sich aber vor allem im Gespräch mit weniger berühmten Menschen. Weil er zuhören kann, weil er weiß, wann er zu schweigen hat. Und wann Empathie statt journalistischer Neugier vonnöten ist. Etwa, als er mit einer Gruppe Jugendlichen auf einer Mauer sitzt und über Sex spricht. Eine 18-Jährige erzählt fast beiläufig von einem Partner, der sie missbrauchte. Évole lässt das gerade Gehörte sacken. Es entsteht eine fürs Fernsehen unbequem lange Pause. Er blickt sie an: „Wie geht es dir, Julia?"

Natürlich ist der Schnitt hier entscheidend. Die Kamera zeigt die konsternierten Gesichter der anderen Jugendlichen, schneidet Ansichten auf die Hochhäuser in der Umgebung dazwischen. Der Verdacht der Dramatisierung liegt nahe. Évole bestreitet das gar nicht: „Der Schnitt birgt automatisch das Risiko der Manipulation ", sagte er 2017 der Online-Zeitung „Público". „Ich glaube nicht an die Objektivität, aber an die Ehrlichkeit. Der Schnitt darf nicht dazu dienen, eigene Glaubenssätze zu bekräftigen."

Eine gewisse Distanz zwischen ihm und den Interviewten sei wichtig, sagte Évole 2013 in einem Fernsehinterview mit seinem alten Mentor Buena­fuente. „Gleichzeitig muss es einen Pakt zwischen mir und den Befragten geben, der auf Vertrauen beruht. Wenn jemand nach dem Interview sagt, er bereue einen Satz, der ihm rausgerutscht sei, habe ich normalerweise kein Problem damit, ihn rauszuschneiden. Zumindest nicht, wenn die Richtung des Gesprächs dadurch nicht komplett verdreht wird."

Der Papst hatte ihm vorab eine Bedingung gestellt. Er wolle nur über Flüchtlinge und Migration reden. Évole hielt sich nicht immer daran. Als ihn der Papst während des Gesprächs daran erinnerte, sagte Évole: „Dann lassen Sie uns über einen berühmten Einwanderer sprechen." Und stellte die Frage nach Lionel Messi.

Am 5.5. läuft um 21.30 Uhr auf La Sexta die letzte Folge dieser „Salvados"-Staffel. Über den Inhalt ist noch nichts bekannt. Vergangene Sendungen unter www.lasexta.com/programas/salvados