Fast 25 Jahre nach seinem noch heute viel gelesenen Bestseller „Queridos mallorquines" (1995), einer Art Gebrauchsanweisung für den Umgang mit dem gemeinen Mallorquiner, hat Carlos García-Delgado unter dem Pseudonym Guy de Forestier erneut zugeschlagen. In „Queridos catalanes" porträtiert er in vielen Anekdoten die Katalanen. Das Buch ist auf Spanisch und unter dem Titel „Estimats catalans" auch auf Katalanisch erhältlich (Olañeta Editor, 15 Euro). García-Delgado ist Architekt und selbst Sohn eines Andalusiers und einer Katalanin.

Woher kam die Motivation, „Queridos catalanes" zu schreiben?

Vor allem natürlich daher, dass ich mich selbst als Katalane sehe, obwohl ich immer sage, dass ich aus drei Hälften bestehe: einer katalanischen, einer mallorquinischen und einer andalusischen. Alles, was in den vergangenen Jahren rund um den Katalonien-Konflikt passiert ist, betrifft mich direkt. Und es ärgert mich, dass sich Katalanen und die übrigen Spanier im Grund überhaupt nicht kennen. Mit dem Wissen über den anderen beginnt das Verständnis. Der Reichtum an unterschiedlichen Kulturen in Spanien, aber auch in Europa, birgt ein Potenzial, das wir nutzen müssen. Wir können alle von den anderen lernen. Für mich ist Europa nicht Europa, solange wir die Vielfalt nicht wirklich nutzen.

Was können wir in Ihrem Buch lernen?

Die Leser sollen verstehen, dass das, was in Katalonien passiert, ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Mentalitäten ist. Katalanen und Spanier nutzen unterschiedliche Codes. Wenn so etwas passiert, haben die Beteiligten zwei Möglichkeiten: sich zu streiten oder den interessanteren Weg zu wählen, nämlich die Unterschiede im positiven Sinne zu nutzen. Wenn sich jemand für die Stärken von anderen interessiert, erfährt er eine Bereicherung. Statt zu konfrontieren, lernt er. Der Vorteil ist, dass sich beide Seiten dadurch vielleicht eines Tages doch verstehen können.

Welche Stärken und Schwächen haben die Katalanen für Sie?

Stärken sind der sogenannte seny, also eine gewisse Besonnenheit, und die Verabscheuung jeglichen Exzesses. Auf der anderen Seite steht ein starker Hang zu Anarchie und Individualismus. Den gibt es bei vielen Spaniern, aber vor allem bei den Katalanen. Diese Eigenschaft erschwert das gegenseitige Verständnis.

Worin unterscheiden sich Katalanen und Mallorquiner?

Die Katalanen haben insgesamt ein sehr negatives Bild von Spanien. Das ist auf Mallorca so nicht verbreitet. Und sie ähneln am ehesten den Deutschen. Wenn sie etwas sagen, dann meinen sie es meist auch so. Der Mallorquiner kennt mehr Möglichkeiten sich auszudrücken, hat viel mehr feine sprachliche Nuancen.

Sie generalisieren sehr stark. Auf der einen Seite der Katalane, auf der anderen der Spanier. Ist das zulässig?

Ich glaube, man darf und muss sogar generalisieren, wenn es um dieses Thema geht. Ich bin überzeugt, dass alle Katalanen, wie auch alle anderen Völker, Wesenszüge aufweisen, die sich sehr ähneln.

Wie kommt es, dass man gerade in Spanien so viele unterschiedliche regionale Identitäten antrifft?

Das habe ich mich auch gefragt, denn seit der Ankunft der Römer vor rund 2.000 Jahren lief in Spanien immer alles auf eine Vereinheitlichung hinaus. Nach den Römern kamen die Westgoten, dann die Araber, später die Bourbonen und Franco. Immer sollte Spanien als Einheit gesehen werden. Aber die Erklärung ist wohl, dass wir unsere Charakterzüge und Identität noch aus der Zeit davor bewahrt haben. Die Geschichtsschreiber Plinius oder Strabon haben schließlich schon vor den Eroberungen durch Griechen und Römer von den regionalen Eigenheiten der Iberer geschrieben, wie etwa von den Tanzkünsten der Mädchen aus Cádiz.

Gibt es aus Ihrer Sicht eine Lösung für den Katalonien-Konflikt?

Ich bin optimistisch, die Lage ist doch absurd. Die Unabhängigkeit ist auf jeden Fall nicht die Lösung. Beide Seiten müssen voneinander lernen und versuchen, ihre unterschiedlichen Codes zu verstehen. Ich bin überzeugt, dass sich alles ändern würde, wenn die Medien endlich aufhören würden, nur über die Fehler und Schwächen der jeweils anderen und stattdessen über ihre Stärken zu schreiben. Und der zweite Weg führt über die Schulen. Wenn Medien und Schulen ihre Einstellung ändern würden, könnten wir schon in fünf Jahren über eine Einigung im Konflikt sprechen.

Was könnten die Schulen dazu beitragen?

Die Schüler müssen die unterschiedlichen Mentalitäten in Spanien vermittelt bekommen, wie etwa die andalusische, die galicische, die mallorquinische. Und auch die jeweilige Sprache lernen.

Sie haben auch ein Projekt mit dem Titel „Queridos alemanes" begonnen. Wie sieht es damit derzeit aus?

Das würde ich sehr gerne zu Ende führen. Ein paar Kapitel sind aber bereits fertig. Zwei Kollegen von mir und ich haben dafür bereits rund 50 Interviews mit Deutschen auf Mallorca geführt. Ich habe unglaublich viel gelernt in diesen Gesprächen, aber wir haben das Projekt leider unterbrochen.

Was ist Ihnen an den Deutschen, die Sie interviewt haben, aufgefallen?

Mich hat das kulturelle Niveau beeindruckt, das praktisch alle Interviewten aufwiesen, nicht nur die, die ein Studium hinter sich hatten. Auch die häufig sehr guten Umgangsformen und Erziehung sind mir aufgefallen. Dann gibt es natürlich die Stereotypen, die sich zum Teil bewahrheitet haben. Zum Beispiel, dass die Deutschen generell ernsthafte Menschen sind. Interessant für mich war die häufigste Antwort auf die Frage: Warum leben Sie auf Mallorca? Ich dachte eigentlich, die Leute sagen: wegen des Klimas. Aber sie haben vor allem die andere Art zu leben hervorgehoben. Manche sagten, in Deutschland kannst du nicht mal bei Rot über eine Ampel gehen, ohne dass dich alle schief anschauen.

Kennen Sie die Deutschen inzwischen so gut, dass Sie eine Gebrauchsanweisung schreiben könnten?

Man kennt nie jemanden so gut, wie es wünschenswert wäre. Aber ich glaube, ich kenne die Deutschen inzwischen ganz gut. Ich habe mehrere gute Freunde, die aus Deutschland kommen. Wobei ich eines sagen muss: Ich glaube, beim Deutschen ist der Sinn für Humor etwas unterentwickelt. Es gibt viele britische Komödien, sehr gute französische. Aber deutsche? Da muss man lange überlegen.