Wenn Josep Ramón Balanzat an das Älterwerden auf Mallorca denkt, sieht er es genau vor sich: ein großes Haus in ländlicher Gegend, mit separaten Wohnungen samt Kochnischen, Gemeinschaftsbereichen und Garten. In den Nachbar­apartments wohnen ausschließlich Bekannte und Freunde. Man trifft sich regelmäßig zum Essen in der großen Gemeinschaftsküche und entschließt spontan, wer was unternehmen möchte. Einen Tagesausflug vielleicht? Einen Malworkshop am Nachmittag im Werkraum? Oder lieber einen gemeinsamen Theaterbesuch am Abend? Balanzat will ein Leben in Gemeinschaft, aktiv, selbstbestimmt.

Nein, einsam ist Balanzat nicht. Der Ibizenker wohnt seit elf Jahren im ganz normalen Eigenheim auf Mallorca, ist verheiratet, hat zwei Kinder und steht als Lehrer mitten im Berufsleben. Trotzdem denkt der 56-Jährige seit Längerem darüber nach, wie das Älterwerden für ihn aussehen könnte. Eines weiß er ganz sicher: „Ich will weder meinen Kindern zur Last fallen, noch in einem Altersheim geparkt

werden", betont er.

Vor mehreren Jahren sah er eine Reportage über das Wohnprojekt „Trabensol" in Madrid. Auch hier wohnen ältere Menschen - Alleinstehende und Paare - gemeinsam mit Freunden in einem großen Gebäude, inklusive Hausbibliothek, Gemüsegarten, Sport- und Relax-Räumen. „Dort setzen sie genau das um, was mir vorschwebte. Also dachte ich: Warum nicht Ähnliches auf Mallorca starten?" Balanzat erzählte seiner Frau und Freunden von der Idee. Spätestens nach einem Infotreffen mit Verantwortlichen von „Trabensol" im Club Diario de Mallorca im Mai 2016 waren sie genauso Feuer und Flamme wie zahlreiche andere Menschen, die von der Idee erfuhren. Es war die Geburtsstunde des alternativen Wohnprojekts Kanostra Habitatge Cooperatiu, dem sich mittlerweile rund 50 Menschen auf Mallorca angeschlossen haben und das Balanzat als Vorsitzender leitet - auch wenn die Vorstellungen bisher noch nicht in die Wirklichkeit umgesetzt wurden. Noch sucht die Gruppe ein geeignetes Gebäude.

„So etwas geht nicht so schnell, da muss man Geduld haben", sagt Cata Loshuertos. Sie ist eine von denen, die durch die Infoveranstaltung von der Projekt-Idee erfuhr. Mittlerweile ist sie die Sekretärin der Gemeinschaft - und fühlt sich freundschaftlich mit den anderen verbunden. „Obwohl wir noch nicht zusammen wohnen, unternehmen wir regelmäßig etwas miteinander", berichtet sie. Ausflüge, gemeinsame Essen, sogar Wochenendtrips starten die rund 50 Interessenten. „So können wir uns immer besser kennenlernen und gemeinsam überlegen, wie wir gerne wohnen würden."

Die Kinder der 67-Jährigen sind bereits erwachsen und aus dem Haus, sie jedoch fühlt sich noch lange nicht alt. „Ich möchte gerne weiter aktiv sein. Und zwar so lange wie möglich." Dass die Gesundheit einem irgendwann einen Strich durch die Rechnung machen kann, weiß Loshuertos nur allzu gut. Ihr Mann hat Alzheimer, ist pflegebedürftig.

„Auch davor verschließen wir bei Kanostra natürlich nicht die Augen", so Balanzat. Von Anfang an soll es mehrere Pflegezimmer geben, in denen medizinisches Personal diejenigen betreut, die nicht mehr in ihren eigenen Wohnungen wohnen können. „Aber alles soll innerhalb unseres Wohnkomplexes bleiben, um die Kranken nicht aus der Gemeinschaft auszuschließen." Vorgegebene Strukturen wie in einem Seniorenheim will man in jedem Fall vermeiden. „Wir wollen uns eben nicht diktierten Essensplänen und Freizeitveranstaltungen unterordnen, sondern stets selbst entscheiden, was wir wann und wie unternehmen, essen, machen und tun wollen", so Cata Loshuertos.

63 Jahre alt sind die Mitglieder von Kanostra derzeit durchschnittlich, einige sind bereits im Ruhestand, andere wie Balanzat noch berufstätig. „Etwa 60 Prozent sind alleinstehende Frauen, der Rest Paare. Ein paar Mallorquiner sind dabei, aber auch viele Festlandspanier und ein paar Ausländer", erzählt Loshuertos. „Das Interesse ist groß, vor allem bei Menschen, die nicht in festen Dorfgemeinschaften integriert sind."

Mittlerweile habe man Wartelisten einführen müssen. „Am liebsten würden wir uns ein Gebäude in ländlicher Gegend errichten, wir haben schon viele Terrains besichtigt, aber es ist schwierig, dort alle Baugenehmigungen zu bekommen", so Balanzat. Deshalb schaue man nun auch nach zum Verkauf stehenden Hotels, die man für die Kanostra-Zwecke umbauen könnte. „Angedacht ist, dass das Gesamtgebäude Eigentum der Kooperative bleibt, den einzelnen Parteien aber ein lebenslanges Nutzungsrecht einräumt", so Loshuertos. Beim Tod des Bewohners bekämen die Erben das zuvor eingezahlte Geld zurück und die Wohnung könnte an jemand anderen weitergegeben werden. „Realistisch gesehen wird es noch mindestens zwei Jahre dauern, bis wir wirklich etwas gefunden, renoviert und einzugsbereit gemacht haben", so Balanzat. Bis dahin will sich die Gruppe weiter regelmäßig zu Freizeitaktivitäten verabreden. Aktiv und selbstbestimmt eben.

Kontakt zu Kanostra Habitatge Cooperatiu:

www.facebook.com/KaNostraHabitatgeCooperatiu/