Ein Liebesroman, der auf Mallorca, der Trauminsel der Deutschen, spielt? Klingt schnell nach seichter Lektüre, aber „Wie eine Welle im Sand" hat durchaus Tiefgang. Dabei wird die Insel als Teilkulisse in leisen und feinen Nuancen beschrieben, jenseits klassischer Mallorca-Klischees. Das Buch ist Julia C. Werners Debütroman, erklomm im April sofort die Kindle-Bestsellerliste und steht dort bislang auf Platz eins. Die 47-jährige Wahlberlinerin aus Baden-Württemberg ist Soziologin und veröffentlichte bisher unter Pseudonym romantische Heftromane.

Worum geht es in Ihrem Roman?

Ich würde ihn als spirituelle Liebesgeschichte bezeichnen. Die Handlung findet zum Teil auf Mallorca im Winter statt, ein Teil spielt in Deutschland. Im Mittelpunkt stehen Pauline und Leander, beide in den Dreißigern, die sich zufällig auf der Insel kennenlernen und eine Affäre beginnen. Aus ihren anfangs völlig unverbindlichen erotischen Treffen wird langsam Liebe, dazu müssen beide aber einen außergewöhnlichen Umweg gehen. Zunächst mimt sie, die nicht nur eine gescheiterte Beziehung, sondern auch den Verlust eines ungeborenen Kindes verarbeiten muss, eine Femme fatale. Auch er gibt sich als ein anderer aus, als ein erfolgsverwöhnter Schriftsteller, dabei arbeitet er, von Selbstzweifeln geplagt, gerade mal an seinem ersten Roman. Beide Protagonisten durchlaufen eine starke innere Entwicklung, in der sie für die Liebe erst frei und empfänglich werden müssen, bevor sie nicht als Superhelden, sondern als Menschen mit all ihren Fehlern und Verletzungen zusammenfinden.

Warum glauben Sie, dass die Menschen gerne zu Ihrem Buch greifen?

Generell ist das Genre Liebesroman gefragt, und hier ist es vielleicht die spirituelle Note, die hinzukommt: Die Handlung geht darüber hinaus, nur Mr. oder Mrs. Right zu finden und gemeinsam ein Haus bauen zu wollen. Es geht um die große Frage: Wer bin ich überhaupt? Jenseits von Rollen und Vorstellungen. Viele Menschen spüren einen diffusen Drang, sich irgendwie von einer gesellschaftlichen oder familiären Last befreien zu wollen, suchen eine tiefere Sinnhaftigkeit jenseits von Konsum und Karriere. Das treibt auch Heldin und Held des Romans um. Das Leitmotiv, das in die Geschichte eingewoben ist, lautet: Erst wenn unsere Masken fallen, hat die Liebe eine Chance. Die Sehnsucht nach materiellen Dingen ist bei vielen Menschen befriedigt, doch was kommt danach? Wir haben Sehnsucht nach uns selbst, wir wollen wissen, wer wir eigentlich sind. Die inneren Entwicklungen der beiden Protagonisten treffen vielleicht den Nerv der Zeit.

Warum spielt Ihr Buch in der ersten Hälfte auf Mallorca?

Ein Grund ist, dass ich die Insel schon oft besucht habe und sehr mag. Außerdem glaube ich, dass die Leser bei der Lektüre gerne an schöne Orte entführt werden wollen. Mallorca ist für viele der Inbegriff einer Trauminsel auch gerade deswegen, weil sie greifbar ist und viele Deutsche sie gut kennen. Es gibt auf Mallorca eine Menge Menschen, die sich dort ein neues Leben aufgebaut haben. Mallorca ist ein Ort für Neubeginn, Erholung, Besinnung, Kreativität, all das, was meine Protagonisten dort auch suchen.

Was verbindet Sie mit Mallorca?

Eine gute Freundschaft mit einer Autorin und eine Handvoll Menschen, die ich dort kennengelernt habe und gern besuche. Ich mag es, Spanisch zu sprechen, auch wenn viele Einheimische Mallorquin reden, was ich kaum verstehe. Auf Mallorca kann ich eine große kreative und spirituelle Kraft wahrnehmen. Schreiben, Meditieren, lange Spaziergänge, Yoga unter freiem Himmel, all das geht hier für mich viel leichter als in Deutschland.

Sie haben das Buch zum Teil auf Mallorca geschrieben. Können Sie etwas zum Schreibprozess erzählen?

Meine Ideen tauchen einfach auf, wie aus dem Nichts: Darüber schreibe ich! Beim zweiten Hinsehen entdecke ich oft Parallelen zu meinen eigenen Lebenserfahrungen, Menschen und Orte, die ich kenne, die dann abgewandelt in eine große Handlung eingewoben werden und die sich dann nach und nach verfeinert. Fürs Schreiben brauche ich vor allem Ungestörtheit, in Berlin ist das nicht ganz einfach. Deswegen gab es immer wieder längere Aufenthalte auf Mallorca, wo ich entspannt, von der Umgebung verwöhnt und doch konzentriert am Stück bei meiner Freundin in Illetas arbeiten konnte.

Sie haben bereits romantische Liebesromane unter Pseudonym geschrieben, wieso schreiben Sie jetzt unter Ihrem Namen?

Heftromane sind unterhaltende schöne Geschichten, die immer gut ausgehen, aber sie sind eben kein richtiges Buch, sondern etwas Leichtes, allein schon wegen des Papiers und der Haptik. Thematisch und inhaltlich bedienen sie feste Lesegewohnheiten der Leser, und fast immer schreiben die Autoren unter Pseudonym. Ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen, bedeutet hingegen eine viel größere Freiheit für den Autor und auch mehr Verantwortung für den Inhalt. Mein Output begann mit Kurzgeschichten, es folgten die Heftromane und nun ein erster richtiger Roman. Es ist ein neuer Abschnitt für meine Arbeit als Schriftstellerin, und dafür verwende ich nun meinen echten Namen.

Haben Sie Lieblingsstellen im Buch?

Ja, zum Beispiel die mit der Welle im Sand. Am winterleeren Strand von Mallorca, die blaue Stunde naht, das Wasser streichelt das Land mit seinen sanften Wellen, Pauline und Leander haben ein Rendezvous und sitzen eng nebeneinander auf einer Decke. Ihre Gedanken fließen. Beide wissen, sie spielen bisher nur miteinander, und versuchen zaghaft, dem wahren Ich des anderen auf die Spur zu

kommen.

Wie kamen Sie auf den Titel „Wie eine Welle im Sand"?

Der Titel steht für die Vergänglichkeit und Schönheit des Lebens. Es ist ein Sinnbild, über das Pauline auf Mallorca tief sinniert. Zu sehen, wie nah alles beieinander liegt, Freude und Schmerz, Leben und Tod, Licht und Schatten. Die Dinge sind nicht getrennt. Das zu begreifen gehört zum inneren Heilungsprozess der Heldin.

Wird es eine Fortsetzung geben?

Es ist denkbar. Im Moment arbeite ich an einem anderen Roman, aber ich hätte Lust, noch mal in die Welt der Protagonisten einzutauchen, da gäbe es etwas zum Weitererzählen.

Werden weitere Bücher auf Mallorca spielen?

Ja, ganz sicher. Es passiert wie von selbst, dass mir Mallorca vor dem inneren Auge in der Handlung erscheint, wenn es darum geht, die Protagonisten woanders als zu Hause sein zu lassen.

„Wie eine Welle im Sand" ist Anfang April im Verlag Tinte & Feder erschienen und kann bei www.amazon.de als E-Book und Taschenbuch bestellt werden. 312 Seiten, ab 7,99 Euro.