Egho Saye legt seine Tanzpartnerin Larissa Siqueira in einer Tanzschule in Palma de Mallorca zügig, aber trotzdem sachte nach hinten über sein Knie. Dabei umschlingen seine Hände den Rücken der 16-Jährigen und geben ihr Halt. Mit Sayes Hilfe und gut trainierten Bauchmuskeln drückt sich die Brasilianerin dann elegant wieder nach oben. Direkt im Anschluss, das sagen ihr die führenden Handbewegungen des 15-Jährigen, soll sie ihren Kopf und Oberkörper erst zur Seite hin kreisen lassen und dann in Richtung seines Oberkörpers abrollen. Die langen offenen Haare der Brasilianerin unterstreichen ihre Bewegungen. Immer wieder fährt sie sich mit ihrer Hand durch ihre Mähne. Ihr Kopf ist schon etwas rot. Auch ihrem Tanzpartner läuft der Schweiß von der Stirn. Kein Wunder bei den vielen Akrobatik-Elementen, Drehungen und Kopfbewegungen, die eben genau typisch sind für den Tanz, den die beiden seit einem Jahr praktizieren: Zouk, genauer gesagt Mzouk.

"Zouk" kommt aus dem französisch-basierten Kreol und bedeutet „Party". Der Tanz hat sich unter anderem in Brasilien aus Lambada entwickelt und hieß zunächst Lambazouk. Mzouk ist die Mallorca-Version, die auf Jefferson Costa de Oliveira zurückgeht. Der Brasilianer, den die Szene-Mitglieder hierzulande Gegê oder maestro (Meister) nennen, kam 1991 nach Mallorca. Damals hatte ihm eine Tanzagentur ein Jobangebot für eine Show mit brasilianischen Traditions-Tänzen gemacht. Als er Lambada hier in den Diskos tanzen wollte, merkte er schnell, dass die Menschen keine Ahnung hatten, wie sie sich zu der Musik bewegen sollten. So kam er auf die Idee, Kurse zu geben. Mit dem Zouk-Tanz als Basis entwickelte der Tanz- und Capoeira-Lehrer auf der Insel die lokale Version, die sich immer weiter vom Lambazouk entfernte. „Als ich 1993 in Brasilien zu Besuch und dort tanzen war, fragten die Leute mich, ,Was ist das für ein Tanz?' Da wurde mir klar, dass ich eine neue Richtung, den Mzouk, geschaffen hatte", sagt Costa de Oliveira. „Mit dem ball de bot (mallorquinischer Hüpftanz, Anm. d. Red.) haben Lambada und Mzouk nicht viel zu tun", scherzt der 53-Jährige.

Genau Hinspüren ist angesagt

Die Basis, durch die sich der Stil des Tanzes von anderen unterscheidet, bilden beim Mzouk vier Grundschritte namens „Primer paso", „Cuarto paso", „Quinto paso" und „Desplaza". Bei den „pasos" spielt vor allem die Gewichtsverlagerung von einem auf das andere Bein, das Nachziehen eines Beins und die Gradzahl der Drehung eine Rolle. Die „Desplaza"-Bewegung funktioniert nur nach hinten. Teil von ihr ist zudem die eingangs beschriebene Welle, die ein Tanzpartner mit seinem Körper nachempfindet. Kopfbewegungen sind sehr charakteristisch für (M)zouk. Dabei arbeiten die Tänzer stets mit der Schwerkraft, und der obere Teil ihres Kopfes zeigt zunächst in Richtung Boden. Die Besonderheit an der mallorquinischen Version ist unter anderen, dass die Grundschritte nicht von vorne nach hinten, sondern seitlich gesetzt werden.

„Wie man Mzouk tanzt, ist etwas schwer zu erklären", gibt Tanzschülerin Larissa Siqueira zu. „Man muss jedenfalls immer ganz genau auf kleinste Bewegungen des führenden Tanzpartners achten. Für mich ist Tanzen wie Sprechen. Die Grundschritte sind die Buchstaben. Jeder spricht auf seine Art und Weise und betont sie anders. Manche schreien, andere reden leiser. So ist es auch beim Mzouk-Tanzen", sagt die 16-Jährige. „Es ist ein sehr spontaner Tanz, bei dem ein Partner sein Gegenüber ständig überraschen kann", ergänzt Costa de Oliveira. Oft führe der Mann. Doch mittlerweile tanzen auch Frauen mit Frauen oder Männer untereinander. Daher bringt der Tanzlehrer allen das Führen und Geführtwerden bei. „Beide Tanzpartner müssen dem anderen zudem vertrauen und sich sicher sein, dass er ihnen nicht absichtlich wehtut", sagt der maestro. Einigen Teilnehmern hat er daher schon die Augen verbunden. Um den Schülern die Bewegungen und Schritte systematisiert beizubringen, entwickelte der Brasilianer ein Kommunikationssystem, das per Handbewegungen funktioniert. Dank derer kann der führende Tanzpartner sein Gegenüber ganz spontan leiten und beide wissen, was als Nächstes zu tun ist.

„Von den Brasilianern war ich gewohnt, dass sie - die meisten von ihnen sind sportlich sehr aktiv - ein gewisses Körpergefühl mitbringen", erinnert sich Costa de Oliveira. Die Arbeit mit den Mallorquinern und Residenten sei anfangs etwas steif gewesen und ihm wegen der Sprachbarriere zusätzlich schwer gefallen. Da Mzouk-Tanzen körperlich sehr anstrengend ist, macht er mit seinen Schülern auch Bauchmuskeltraining und Haltungsübungen. „Wer nicht mit Bauchmuskelkater aus meiner Stunde geht, hat etwas falsch gemacht", sagt der Vater zweier Söhne. Nach dem Training dreimal pro Woche tun Siqueira auch die Waden weh. Die Absätze ihrer Schuhe berühren beim Tanzen kaum den Boden.

Manchmal fragen Freunde von Siqueiras Eltern, ob sie keine Angst hätten, dass Männer den engen Körperkontakt ausnutzen, der Tanz sei schließlich sehr intim. „Eine typische Reaktion von Außenstehenden. Es geht wirklich nur ums Tanzen", antwortet Siqueira.

Tanzschule Capoeira Nossa Filsofia, Carrer d?Aragó, 74, Palma de Mallorca, Schnupperkurse Mo.-Do. 19.00 bis 20.30 Uhr