77 Kilometer sind es vom Flughafen in Palma de Mallorca zum Urlaubsort Cala Ratjada. Weiter weg geht's auf der Insel kaum. Und lukrativer für Taxifahrer auch nicht. Man könnte meinen, der Markt sei hart umkämpft. Dabei sind es vor allem zwei Konkurrenten, die ehrgeizig um die Kunden buhlen.

Jóse Sánchez Herrera (48) ist der eine. Sein vier Jahre alter Skoda Superb, den er liebevoll „Speedy Gonzalez" nennt, hat bereits 300.000 Kilometer auf dem Buckel. Sánchez kann in Cala Ratjada kaum einen Kaffee trinken gehen, ohne dass ihn gleich mehrere Menschen ansprechen. Einige wollen sogar ein Foto mit ihm. Kein Problem für Sánchez. „Mein Privatleben ist praktisch gleich Null, aber das ist in Ordnung so", sagt er in akzentfreiem Deutsch - der Andalusier ist bei Stuttgart aufgewachsen. Er könne sich kaum retten vor lauter Einladungen zum Grillen oder Abendessen - und auch nicht vor Buchungsanfragen. „Ich nehme schon lange nur noch die Flughafenfahrten an. Im Sommer schaffe ich es meist, auf dem Hin- und dem Rückweg belegt zu sein."

Der andere ist David Pastor Nieto (38). Auch er kann bei den rund um die Uhr auf seinem Handy eingehenden Reservierungen nur mithilfe seines digitalen Kalenders die Übersicht behalten. Genau wie Sánchez hat er sogar schon Buchungen für Oktober. Fast ausschließlich von Urlaubern. „Die Deutschen planen halt gerne im Voraus und mögen es, wenn sie wissen, was auf sie zukommt", sagt Pastor. In seinem Fall bedeutet das: einen ortskundigen Fahrer, der nicht nur zuverlässig ist, sondern auch für jeden Spaß zu haben. „Mit einigen Kunden mache ich im Auto Karaoke, mit anderen wird einfach nur gequatscht." Immerhin dauert die Fahrt vom Flughafen bis in den Nordosten 50 bis 60 Minuten. „Da kriegt man sogar die verschlossensten Deutschen zum Plauschen", so Pastor.

„Klar sind alle 40 Taxilizenzinhaber, die in der Gemeinde Capdepera gemeldet sind, ebenfalls scharf auf die Flughafenfahrten", berichtet Jóse Sánchez. Dass trotzdem alle immer nur von ihm oder Pastor reden, liege daran, dass sie die einzigen seien, die aktiv die Werbetrommel rühren. „In meinem ersten Jahr als Taxifahrer hier habe ich den normalen Dienst gemacht", so der Selbstständige. Sprich: An der zentralen Taxihaltestelle an der Plaça dels Pins in die Taxischlange einreihen und warten, bis man an erster Stelle steht. „Erst dann darf man den Auftrag entgegennehmen, den die Zentrale über Funk durchgibt." Und das ist oft eben nur die Fahrt ins Nachbardorf statt die lukrative Flughafentour. „Also begann ich 2016, mit einem Reisebüro zusammenzuarbeiten und in den sozialen Netzwerken aktiv zu werden", so Sánchez. Jeden Morgen schickt er seitdem Facebook-Grüße in die Welt, postet schöne Bilder des Urlaubsorts, sorgt dafür, im Gedächtnis zu bleiben. „Ich habe 5.000 Freunde bei Facebook, mehr geht nicht. Wenn ich nicht ständig löschen würde, hätte ich bestimmt 20.000." Auch in vielen Hotels und Bars im Ort hat er bereits Klinken geputzt. „Wenn die Gäste nach einem Taxi fragen, werde meist ich empfohlen."

Dass seine Strategie ankommt, zeigen nicht nur die vielen Anfragen, sondern auch die Kommentare im Internet. Von „weltbester Fahrer" bis „einfach ein toller Mensch" fährt seine Fangemeinde die gesamte Kompliment-Palette auf. „Teilweise liefern sich unsere Kunden online regelrechte Diskussionen darüber, wer von uns beiden nun besser ist", berichtet David Pastor und muss lachen. „Wir lassen sie das unter sich austragen und halten uns raus." Trotz der Konkurrenzsituation gehe man kollegial miteinander um. Und der Markt sei ja auch groß genug für zwei Platzhirsche. Sánchez bestätigt: „Es gibt nie Probleme, wir halten uns alle an die Spielregeln."

Pastor ist bereits seit 2007 selbstständiger Taxifahrer, begann aber erst nach der Wirtschaftskrise mit Eigenwerbung. „Das bedeutet mehr Kunden, aber auch deutlich mehr Arbeit", erzählt er. Täglich verbringe er Stunden damit, Anfragen zu koordinieren und Publicity zu machen. Zusätzlich zu den vier Hin- und vier Rückfahrten nach Palma pro Tag. „Auf 16 Stunden Arbeit kommt man da locker", so Sánchez. Immerhin hat er anders als Pastor weder Frau noch Kinder. „Im Sommer lasse ich ihnen ein Foto da, damit sie noch wissen, wie ich aussehe", witzelt Pastor.

„Ich liebe meine Arbeit. Wäre es anders, sollte ich es lieber lassen", sagt Jóse Sánchez. Er tauschte 2015 seine Finca mit einem scheidenden Taxifahrer gegen dessen rund 120.000 Euro teure Fahrlizenz und eine Eigentumswohnung ein. „Ich habe es nie bereut." Einige seiner Stammkunden seien ihm im Laufe der Zeit richtig ans Herz gewachsen. Wie der Mann, der regelmäßig inklusive Atemmaske und Sauerstoffflaschen mit ihm fährt und sich blind auf Sánchez verlässt. Oder die 94-jährige Schweizerin, die Sánchez stets ihr ganzes Leben erzählt, wenn sie auf dem Weg zum Airport ist, um eine ihrer Töchter im Ausland zu besuchen. „Ich bin für die Menschen Psychologe, Reiseleiter und Ratgeber", sagt Sánchez.

Und die anderen Taxifahrer im Ort? Die profitieren größtenteils sogar von den Platzhirschen. Beide geben vor allem im Sommer einen Großteil ihrer Aufträge an Kollegen weiter, weil sie selbst nicht alles schaffen können. „Sie müssen mir nichts dafür geben. Das Einzige, was ich erwarte, ist, dass sie bei den von mir vermittelten Fahrten zuverlässig sind und meinen Niedrigtarif von 80 Euro einhalten. Der liegt nämlich gut 20 Euro unter dem Standardpreis", berichtet Sánchez. Pastor hält es genauso. „Dann gibt es auch keinen Streit."