Wenn Helmut Clemens seine Lokalrunde in Palma macht, flitzt er mit seinem Elektroroller zu den Filialen seiner Restaurants Es Rebost in der Jaume III. (eröffnet 2012), Carrer Oms (2016) und Plaça d'Espanya (seit April 2018). Hier, auf Palmas trubeligstem Platz, treffen wir den gelernten Hotelmanager, der unter anderem bereits das Gran Hotel Son Net in Puig­punyent geleitet hat.

Der 48-Jährige aus Nettetal (Kreis Viersen) sitzt nah unter dem mehrere Meter großen Bild eines in mallorquinischer Tracht gekleideten kleinen Mädchens, das auf einen blühenden Mandelbaum geklettert ist. „Das ist unsere Tochter", sagt der dreifache Vater stolz. Helmut Clemens ist seit 2012 mit der Mallorquinerin Helena Bennasar verheiratet und spricht mittlerweile mehr Spanisch, Mallorquinisch und Englisch als Deutsch.

Was man auf dem Bild nicht sieht, ist, dass er sich hinter den Stamm versteckt hat und seiner Tochter mit der Hand den Rücken stützt. Ohnehin agiert Helmut Clemens lieber im Hintergrund, versteht sich als Problemlöser. So ist er mit seiner 2004 gegründeten Agentur Hotelkonzept weiterhin weltweit als Berater für hochklassige Restaurants und Hotels unterwegs.

Diese unternehmerische Erfahrung schlägt sich auch in der Geschäftsidee von Es Rebost (Die Speisekammer) nieder. In der zusammen mit seiner Frau aufgebauten Kette werden hochwertige Insel-Produkte und Gerichte in einem modernen, aber nichtsdestotrotz mallorquinischen Ambiente angeboten. „Fast slow-food" heißt das Konzept.

Wie sind Sie zum ersten Mal mit der Gastronomie in Berührung gekommen?

Als ich 16 Jahre alt war, bin ich für ein Jahr nach Frankreich gezogen, um dort mein Abitur zu machen. Dort habe ich angefangen, in einem Hotel zu arbeiten - eine ganz furchtbare Spelunke. An den Wochenenden habe ich Kartoffeln geschält, Teller gewaschen und die Desserts gegessen, die übrig geblieben waren. Danach war ich in Berchtesgaden bei den Gebirgsjägern, habe gekellnert und es geschafft, vier Weizenbiere gleichzeitig abzufüllen - das galt zu der Zeit als relativ cool. Noch besser war es, wenn man sie gleichzeitig trinken konnte. Dann habe ich angefangen, mich für das Hotelfach zu interessieren und in der Schweiz Hotelmanagement studiert.

Was hat Sie dann auf die Insel verschlagen?

Nach dem Studium habe ich erst einmal ein Praktikum im Hotel Ritz in Paris gemacht. Dann bin ich nach London gezogen und habe dort zwei Jahre für das Hotel Claridge's gearbeitet und bin 1996 nach Mallorca gekommen. In dem Jahr ist meine Mutter gestorben, und ich brauchte einen Tapetenwechsel. Ich hatte ein Angebot als Deputy Manager in La Residencia in Deià anzufangen, das damals noch dem britischen Unternehmer Richard Branson gehörte.

Da haben Sie sich gleich in die Insel verliebt?

Ich wollte eigentlich nie nach Mallorca. Ich bin eher der alpine Typ, liebe Bergsteigen, Regen, Schnee, Wintersport. Doch als ich für das Vorstellungsgespräch im Februar nach Deiá reiste, sah ich die mit Nebel verhangenen Berge und die gelben Zitronen in den Bäumen. Ich habe den Job angenommen und war zum ersten Mal für Personal verantwortlich. Es war eine tolle Aufgabe, ein großartiges Hotel mit faszinierenden Gästen. Ich dachte, ich bleibe zwei, drei Jahre hier, dann geht es weiter nach Amerika oder Asien. Zwischenzeitlich habe ich auch noch in Uruguay und Argentinien als Hoteldirektor gearbeitet, bin dann aber letztlich doch auf Mallorca hängengeblieben.

Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ihre erste Sobrassada?

Nein, aber an meine erste matança (Hausschlachtung, Anm. d. Red.) Ich habe auch in Deutschland oder Österreich schon beim Schweineschlachten geholfen - die Tradition ist auf der ganzen Welt ähnlich. Schweine werden überall geschlachtet, man verarbeitet sie nur anders. Auch meine Kinder nehme ich zu einer matança mit. Es ist wichtig zu wissen, dass man Tiere schlachten muss, damit wir etwas zu essen haben. Das müsste eigentlich an der Schule gelehrt werden.

Die Sobrassada gehört zu den Produkten, die in Es Rebost verarbeitet werden. Woher beziehen Sie diese Zutaten?

Wir arbeiten teilweise mit sehr kleinen Produzenten zusammen. Aus Menorca, von der Finca Son Vives, beziehen wir einen der besten Mahón-Käse, der ist fantastisch, aber die haben nur 12 Kühe. Wir kaufen denen inzwischen über 50 Prozent der Produktion ab. Wenn alles weiter gut für uns läuft, wir mehr Restaurants eröffnen, dann müssen sie sich mehr Kühe kaufen oder wir müssen uns einen zweiten Lieferanten suchen. Von denen es aber nicht so viele gibt. Auf Mallorca liegt die Landwirtschaft zum Teil komplett brach, die Bauern haben Probleme zu überleben. Das liegt auch daran, dass die meisten großen Hotelketten nur zum niedrigsten Preis einkaufen. Eine Alternative wäre, lokale Produkte zu kaufen, die dann auch zu einem etwas höheren Preis verkauft werden können. Das würde der Landwirtschaft wieder auf die Beine helfen. Im Es Rebost versuchen wir das zu 100 Prozent.

An der Plaça d'Espanya haben Sie uns vor einem weiteren Telefonanbieter bewahrt. Was ist das für ein Ort für Sie?

Eine Herausforderung. Schön wäre es, wenn noch einige gute Restaurants herzögen. Noch sieht uns die Laufkundschaft eher als Café oder Bar und nicht als Restaurant, was ja unser Hauptgeschäft ist.

Ist das nächste Lokal schon in Planung?

Nein, wir müssen uns nach dieser Eröffnung erst einmal konsolidieren. In Eigenregie entsteht also erst einmal nichts, aber wir wollen durch Franchise wachsen, und durch unseren Catering-Service.

Wie wär's mit einem Lokal in Deutschland?

Ja, das gehört zu unserem Expansionsplan. Wir hoffen, bald auch in Deutschland Fuß zu fassen. Vielleicht schon Ende des Jahres. Durch die Affinität der Deutschen zu Mallorca sind wir davon überzeugt, dass unser Konzept dort gut angenommen werden wird.

Gibt es schon einen Wunschort?

Meine Heimat ist ja der linke Niederrhein, und ich gehe davon aus, dass Düsseldorf ein guter Anfangspunkt wäre. Aber auch Städte wie Köln, München, Hamburg oder Berlin sind sicherlich interessante Märkte.

Soll die Einrichtung der Franchise-Lokale in Deutschland dann auch von lokalen Herstellern bestückt werden?

Das gehört mit zu unserem Konzept. Um den mallorquinischen sense of place zu wahren, ist dies absolut erforderlich. Die Logistik zwischen Mallorca und Deutschland ist heutzutage kein Problem mehr. Die Steine, in denen hier in Palma die Speisekarten stecken, kommen aus Binissalem. Die Tische werden in Campos von einem Familienunternehmen gemacht. Die Kacheln, der Boden, die Stoffe kommen von der Insel. Die Lampen sind handgefertigt aus Artà, die Stühle werden auf Menorca hergestellt. Wir versuchen, alles so weit wie möglich mit lokalen Produzenten zu bestreiten.

Global denken, lokal agieren, heißt es so schön. Als Berater für Hotels und Restaurants sind Sie zugleich weltweit unterwegs.

Ja, ich bin viel unterwegs, habe mittlerweile über 100 Länder besucht, die meisten leider nur geschäftlich. Am Montag kam ich aus Botswana zurück, nächsten Montag geht es nach England.

Bei den Qualitätskontrollen testen Sie als verdeckter Ermittler den Service?

Ich checke als normaler Gast ein und stelle das Hotel auf den Kopf. Ich kenne einen Großteil der besten Hotels und Restaurants weltweit, und viele beneiden mich um diese Arbeit. Aber es kommen Zeiten im Leben, wo man merkt, dass es wichtiger ist, mit wem man isst, als was man isst. Es ist besser, mit jemandem, den man mag, ein pa amb oli zu essen, als allein vor dem besten Gericht der Welt zu sitzen.

Welchen Fehlern begegnen Sie bei Ihren Kontrollen immer wieder?

Es gibt viele Restaurants, in denen das Ego des Kochs wichtiger ist als die Zufriedenheit der Kunden. Sie bieten ein 15-Gänge-Menü an, bei denen der Gast keine Chance hat, sich etwas auszusuchen. Das geht in die falsche Richtung.

Was raten Sie den Hotels?

Bei mir geht es meistens nicht um die Hardware, sondern um die Software. Es ist mir wichtiger, dass der Service stimmt, die Attitüde dem Kunden gegenüber, dass das Konzept stimmig ist. Auch wie die Umgebung auf die Gäste wirkt, spielt eine Rolle. Es geht ums Herz und die Gastfreundlichkeit des Personals und des Besitzers, sodass man auch in der Lage ist, Kunden zu verwöhnen und gut zu bedienen.

Wie stellen Sie das in Ihren Lokalen sicher?

Mein erster Kunde ist nicht der Kunde, sondern der Mitarbeiter. Wenn der Mitarbeiter glücklich ist, stehen die Chancen besser, dass auch unser Gast glücklich ist. Wir wollen, dass sich unsere Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen. Ich kenne alle meine fast 60 Angestellten mit Namen und auch ihre Sorgen, für die ich Lösungen schaffen möchte. Wenn mir das gelingt, kommt das auch bei unseren Kunden an. Natürlich muss auch das Gehalt stimmen. Außerdem bin ich gerne Gastgeber, ich habe immer ein Auge darauf, ob ein Gast richtig bedient wird.

Welche Rolle spielt Ihre Frau in Es Rebost?

Sie ist meine Vertrauensperson für alles - ohne sie wäre es sicherlich nie zu diesem Projekt gekommen. Wir haben das

Design zusammen entwickelt, sie hat entschieden, wo welche Sachen hinkommen, damit es perfekt aussieht. Sie macht das hervorragend, obwohl das nicht ihr Hauptberuf ist. Sie ist auch Unternehmerin, eine tolle Frau und die beste Begleitung, die man sich vorstellen kann. Sie, und die Geduld meiner Kinder, die in den letzten Jahren nicht sehr viel von mir hatten, sind ein großer Bestandteil des Fundamentes, auf dem Es Rebost steht.

Zweite Ausgabe der MZ-Preise am 21. Juni

Neben Helmut Clemens werden bei der zweiten Ausgabe der MZ-Preise in diesem Jahr der Musiker Peter Maffay und der Kulturveranstalter Will Kauffmann