Auf Mallorca ist Professor Doktor Michael Popp (59) auf Castell Miquel bei Alaró zu Hause. Auch in diesem Jahr war er Gastgeber bei der Verleihung der MZ-Preise, die zum zweiten Mal stattfand. Die Bodega, auf der er neben Wein auch eigenes Olivenöl und ­Marmelade herstellt, ist ein Ruhepunkt in ­seinem Leben.

Im letzten Interview mit der MZ haben Sie erzählt, dass Sie die meiste Zeit gefühlt im Flugzeug verbringen. Wo waren Sie gerade?

Ich war für einen Tag in Kanada. Vorher war ich beim russischen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg. Vor Kurzem war ich auch auf einem HNO-Weltkongress in Buenos Aires. In der Tat bin ich viel im Flugzeug unterwegs, aber das gehört bei einem international tätigen Unternehmen dazu.

Vor wenigen Tagen haben die europäischen Staats- und Regierungschefs die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen des Konflikts in der Ostukraine erneut ­verlängert. Wie war die Stimmung auf dem Wirtschaftsforum?

Sehr positiv, es waren viele Vertreter internationaler Firmen da, auch aus Deutschland.

Mussten Sie in Kanada noch etwas unter Dach und Fach bringen wegen des Verkaufs an Canopy Growth Corporation?

Teil des Vertrages war, dass ich Canopy die nächsten fünf Jahre in Sachen Forschung unterstütze. Dabei werde ich laufende Forschungsprojekte weiter betreuen und auch neue anstoßen.

Die Forschung verlagert sich nach Kanada?

Das meiste findet in Deutschland und Österreich statt, da sitzen die Top-Professoren - sei es an der Charité in Berlin, im Allgemeinen Krankenhaus in Wien oder beim Fraunhofer-Institut in Frankfurt.

An was forschen Sie?

Es geht darum, mit dem Cannabis-Wirkstoff Dronabinol schwerstkranken Menschen zu helfen. Unsere klinische Studie zur Untersuchung der Wirkung von Dronabinol zur Behandlung der Spastik bei Patienten mit MS ist ein wichtiger Bestandteil der Forschungskooperation von Bionorica mit Canopy Growth.

Seit Freigabe des Produkts 2017 wächst der Markt, 2018 haben 33.000 Menschen von Ihren Cannabis-Produkten profitieren können. Warum haben Sie jetzt verkauft?

Canopy hat ein gutes Angebot gemacht. Für uns bleibt Cannabis ein Nischenmarkt. Wenn man es mal vergleicht, von Sinupret verkaufen wir pro Jahr in Deutschland rund elf Millionen Verpackungen. In immer mehr europäischen Staaten wird darüber diskutiert, Cannabis für den therapeutischen Einsatz freizugeben.

Teilen sich die Big Player den Markt nun auf?

Es stimmt, dass bei Cannabis-Produkten viel Geld im Spiel ist, auch Philip Morris steigt ein. Alle hoffen, dass man sich bei Befindlichkeitsstörungen in Europa bald einen Joint kaufen kann, wie es in Kanada und einigen Staaten der USA schon möglich ist. Wenn man das alles auf sich zurollen sieht, muss man sich fragen, welche Chance haben wir da als Bionorica? Wir wollten keine Joints herstellen, das haben wir im Vorstand und im Aufsichtsrat beschlossen. Wir sind eine Arzneimittelfirma, und das wollen wir auch bleiben.

Was machen Sie mit den 225,9 Millionen Euro aus dem Verkauf?

Wir wollen neue Märkte erschließen. Im letzten Quartal dieses Jahres werden wir unsere neue Fabrik in Russland in Betrieb nehmen, wo wir Arzneimittel verpacken, da haben wir schon einmal 40 Millionen Euro investiert, inklusive Labor und Qualitätskontrolle. Wir hoffen, bald in Spanien Zulassungen für einen Verkauf unserer Produkte zu bekommen, und wollen ein eigenes Vertriebssystem aufbauen. Das alleine wird einige Millionen Euro kosten. Das Gleiche gilt für Italien. Dann wollen wir nach Mexiko, Brasilien. Wir sind ja schon im Iran und hoffen angesichts der politischen Spannungen, dass wir dort bleiben dürfen. Intensiv einsteigen wollen wir in der Türkei. Mit einem Joint Venture wollen wir nach Indien.

Sie hatten beim Cannabis lange vor der Freigabe des Verkaufs den richtigen Riecher. Was wird das nächste große Ding?

Das nächste große Ding gibt es schon längst. Wir haben mit einer Studie über unser Präparat Canephron bei akuten unkomplizierten Harnwegsinfekten gezeigt, das wir einer Antibiotikum-Therapie mit unserem pflanzlichen Arzneimittel nicht unterlegen sind. Diese Studie hat eingeschlagen wie eine Bombe. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass im Jahr 2050 mehr Menschen wegen einer Antibiotika-Resistenz sterben als an Krebs. Das war Thema beim G7-Gipfel in Elmau, beim G20-Gipfel der Gesundheitsminister, auch beim G20-Gipfel der Landwirtschaftsminister.

Wenn Sie neue Heilpflanzen suchen, wie gehen Sie da vor?

Wir haben Screening-Programme, mit denen wir Heilpflanzen in der ganzen Welt untersuchen. Ich lese sehr viele wissenschaftliche Publikationen, vieles wird auch an mich herangetragen.

Wie lange dauert es, bis aus einer Heilpflanze eine neue Arznei entsteht?

Wir vergleichen ständig Heilpflanzen miteinander. Denn das Bessere ist immer der Feind des Guten. Viele überlieferte Daten etwa aus alten Arzneibüchern sind nicht vertrauenswürdig. Wir wenden unsere eigenen Forschungsmethoden an. Diese Prozesse dauern schon mal ein paar Jahre. Dann muss die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit nachgewiesen werden, was noch einmal Jahre dauern kann.

Was sind Ihre weiteren Pläne auf Mallorca?

Am 4. Oktober findet wieder ein Benefiz-Abend für meine Stiftung Natureheart auf Castell Miquel statt, mit der wir benachteiligten Kindern die Natur näherbringen. Und ich werde weiter investieren in mein Hobby, die Landwirtschaft. Ich habe mir gerade bei Alaró eine Finca mit Anbaufläche gekauft, um dort Wein anzupflanzen. Ich bin auch am Überlegen, ob ich nicht größer in die Marmeladenproduktion einsteige. Ich habe da schon ein paar Ideen.