Hans-Peter Oehm muss früh aufstehen, wenn er sein Bad in Caló des Moro bei Santanyí im Westen von Mallorca genießen will. „Ab vormittags kann man es hier ja gar nicht mehr aushalten, so voll ist es", sagt der Deutsche. Er wohnt direkt an der Naturbucht mit dem türkisfarben schimmernden Wasser. Der Familie Oehm gehört das 40.000 Quadratmeter große angrenzende Grundstück des Halbinselchens, an das sich die Caló des Moro und Cala S'Almonia schmiegen. Die Badegäste laufen quasi durch den Garten. „Vor gut zehn Jahren kamen im Hochsommer etwa 100 pro Tag. Jetzt sind es rund 3.500", sagt Oehm und seufzt. Viele hinterließen auf dem rund 20-minütigen Fußweg Müll oder gar Exkremente . „Heute hatte ich das Vergnügen, die Reste eines Burger-King-Menüs einzusammeln", sagt er. „Den meisten geht es gar nicht darum, hier die Natur und das Baden zu genießen." Der Strand sei ohnehin so gut wie verschwunden, die Sonnenplätze auf den Felsen schnell besetzt. 70 Prozent kämen nur, um zu zeigen: Ich war hier. „Sie drängeln ohne Rücksicht auf Pflanzen und Natur zu den Orten, an denen man das beste Foto machen kann, posieren, und das war's."

Die Resultate sind zuhauf in den sozialen Netzwerken zu sehen. Wer bei Instagram den Suchbegriff Caló des Moro eingibt, findet stündlich neue Fotos, die aber eigentlich immer dasselbe zeigen: Im Hintergrund die Traumbucht, die jeden Betrachter neidisch macht, davor Strandbesucher in zumeist geübter aufreizender Pose. Darunter Kommentare wie „So beautiful", „One day in Paradise" oder „Einer meiner Favorite-Places". Ähnlich verhält es sich mit anderen Naturbuchten, die selbst unter den Mallorquinern kaum bekannt und teils nur durch mehr als einstündige Wanderungen zu erreichen sind. Egal ob Coll Baix bei Alcúdia, ob Caló de S'Estaca in der Tramuntana, ob Cala Aubarca im Naturschutzgebiet Artà, Cala Petita an der Ostküste oder Cala Marmols im Süden Mallorcas: Sie alle sind bei Instagram hundertfach abgelichtet und ziehen dadurch die Massen erst recht an.

Karibik in Spanien

„Mittlerweile posten mehr als 80 Prozent der 18- bis 33-Jährigen ihre Reisefotos in den sozialen Netzwerken. Die Studie eines britischen Versicherungsunternehmens ergab, dass 40 Prozent dieser Altersklasse ihr nächstes Reiseziel sogar ganz bewusst danach auswählten, wie ,instagrammable' es ist", berichtet Antje Monshausen, Leiterin der Arbeitsstelle Tourism Watch von der NGO Brot für die Welt - also danach, wie viel Aufmerksamkeit und Lob sich mit den Urlaubsfotos in den sozialen ­Medien erzielen lässt. „Für viele dient das Reisen also nicht mehr nur der Selbstverwirklichung, sondern zunehmend auch der Selbstinszenierung und -bestätigung."

„Mallorca ist die spanische Karibik. Natürlich suchen Instagrammer hier paradiesische Strände mit kristallklarem Wasser statt solche mit Seegras. Dabei wollen sie ein idyllisches Bild ihres Urlaubs vermitteln und sich natürlich auch selbst davor in Szene setzen", bestätigt Model und Krankenpfleger Alejandro Sánchez López, der seit fünf Jahren auf Mallorca lebt und mit seinen Fotos auf Instagram (Alejandro_SL_) über 28.000 Follower hat.

„Heute reicht oft ein einziger Post einer Influencerin oder eines Influencers mit der nötigen Reichweite aus, um Orte über Nacht an die Spitze der Liste der ,Most Instagrammable Places' zu katapultieren", sagt Koordinatorin und Autorin Laura Jäger von Tourism Watch. Ganz zu schweigen davon, wenn Weltstars sich an Mallorcas Küste ablichten lassen, so wie vergangene Woche Schauspieler Orlando Bloom bei Sa Calobra. Mallorca ist keine Ausnahme: Jäger erzählt von einem Fall in Kanada, wo Tausende Besucher einen Sonnenblumenfarmer überraschten, nachdem Influencer Selfies im Blütenmeer seiner Felder auf Instagram posteten. „Nur mithilfe der Polizei konnte die Farm gesperrt werden, um weiteren Schaden an den Feldern zu vermeiden."

Freier Zutritt für alle

So weit, sein Grundstück abzusperren, ist Hans-Peter Oehm an der Caló des Moro noch nicht - dabei hätte er jedes Recht dazu. Gesetzlich verpflichtet ist er ausschließlich dazu, einen kleinen Pfad an der Küste öffentlich zugänglich zu halten. „Aber wir wollen dieses Paradies nicht für uns allein beanspruchen", sagt er. Trotzdem habe der Run auf die Bucht mittlerweile Dimensionen erreicht, die für viel Ärger sorgen. „Schon lange haben Magazine wie ,Geo' über die Caló des Moro geschrieben, nun sogar die ,New York Times', und Ryanair wirbt groß mit Fotos davon." Das ziehe umso mehr Besucher an, die wiederum für Müll, Zerstörung und Erosion sorgen. In den ersten 16 Jahren seit dem Kauf des Traumgrundstücks kümmerte sich Oehm mit seinen Töchtern und seiner Frau selbst darum, Tampons, Plastikmüll und alles, was Ausflügler sonst so hinterlassen, täglich aufzuräumen.

Vor fünf Jahren gründete die Familie die Stiftung „Amics d'es Caló des Moro - S'Almonia" (www.moro-­salmonia.com). Seitdem kümmert sich im Sommer zehn Stunden täglich ein angestellter Gärtner darum, dass die Pflanzen verschont bleiben und der Müll weggeräumt wird. Nachts hat die Stiftung zudem einen Wächter angestellt, der Besucher am Camping oder dem Entzünden von Lagerfeuern hindert.

„Mallorcas Küsten werden überrannt, und das schon seit Jahren und nicht nur an bekannten Stadtstränden", sagt Jaume Adrover von Mallorcas Umweltschutzorganisation Terra­ferida. Zusammen mit seinen Mitstreitern kreidet er seit Jahren die Überfüllung speziell von Caló des Moro an. „Dort ist es extrem, aber es gibt auch sonst keine Strände mehr auf Mallorca, die im Hochsommer nicht überlaufen sind", sagt er. „Nicht nur, dass die Massen durch Instagram und Co. auf die Orte aufmerksam werden. Durch GPS-Technik kann auch jeder mit seinem Smartphone kinderleicht den Weg zu jeder noch so entlegenen Bucht finden", so Adrover.

Verloren geht keiner mehr

Tatsächlich sind es nur wenige Klicks, um auf Google Maps den genauen Standort der Buchten zu erfahren. Auch Bewertungen von ­anderen Nutzern findet man dort schnell. Die Caló des Moro etwa hat bei Google 4,7 Sterne bei knapp 2.500 Einträgen und übertrifft mit dieser Note und der Anzahl an Kommentaren sogar Es Trenc. Apps wie Wikiloc liefern zudem ausführliche Routenbeschreibungen mit Wandertipps, Fotos und Bewertungen, die man per GPS in Echtzeit ablaufen kann.

„All das führt dazu, dass Einheimische teilweise gar nicht mehr an den Strand gehen wollen, weil es einfach zu voll ist", sagt Adrover weiter. Statt gegen die neue Smartphone­-Technologie zu schimpfen, konfrontiert Terraferida die Inselpolitiker mit einem grundsätz­lichen Argument. „Wir können ohnehin nichts dagegen tun, dass Menschen Fotos und Wanderrouten ins Netz stellen. Aber wir können dafür kämpfen, dass die Anzahl der ­touristischen Übernachtungsplätze eingedämmt und ein Besucherlimit auf der Insel etablieren wird", sagt der Umweltaktivist. Auch die linksgrüne Balearen-Regierung sei mitschuldig. „Als sie 2015 an die Macht kam, gab es noch mehrere Zehntausend offizielle touristische Übernachtungsplätze weniger, ganz zu schweigen von den illegalen", sagt Adrover.

Offizielle Werbekampagnen wie „Better in Winter", in denen die Vorteile der Insel in den kälteren Monaten hervorgehoben werden, würden das Problem über den Sommer hinaus auf das ganze Jahr ausdehnen. Es sei eine Schande, dass überhaupt noch öffentliche Gelder für Mallorca-Werbung ausgegeben werde. „Wenigstens damit sollten die Behörden aufhören. Die Instagrammer machen doch schon Werbung genug", so Adrover.

Urbanes Publikum

Je mehr Menschen zu den Naturstränden kommen, desto mehr Schaden richteten sie an, sagt auch Llorenç Mas, Generaldirektor für Naturschutzgebiete und Artenvielfalt im balearischen Umweltministerium. Mas will auch eine „andere Art von Besuchern" bemerkt haben. „Menschen, die in der Stadt leben, haben oft nicht dasselbe Umweltbewusstsein wie die, die nahe der Natur aufgewachsen sind. Sie wissen nicht, wie schutzbedürftig bestimmte Gebiete tatsächlich sind", sagt Llorenç Mas. Daher bemühe sich das Umweltministerium seit einigen Jahren um noch mehr Aufklärung.

Mas denkt laut darüber nach, dass die Zahl der Besucher an den Naturstränden ja auch durch die Behörden begrenzt werden könnte. Positive Erfahrungen in dieser Hinsicht habe man bereits auf Menorca gemacht. Dort liegen die Parkplätze oft nicht unmittelbar an den Stränden. „Wenn Besucher sehen, dass sie ein oder zwei Kilometer laufen müssen, entscheiden sie sich oft für einen anderen Strand", sagt der Generaldirektor.

Dass das Bewusstsein über die Auswirkungen der Veröffentlichungen in sozialen Medien auch im Netz angekommen ist, zeigt eine bisher noch recht kleine Gegenbewegung von Reisebloggern unter dem Hashtag #nogeotags. „Sie verzichten bewusst auf Geotags oder geben nur sehr grobe Ortsangaben, um einzigartige Orte vor dem Andrang zu vieler Besucher zu schützen", berichtet Laura Jäger von der NGO Tourism Watch.

„Strände sind öffentliche Orte. Daher liegt die Verantwortung nicht bei den Instagrammern", widerspricht Influencer Alejandro Sánchez. „Keiner von uns denkt ,Ich mache hier ein Foto, damit am Ende mehr Menschen kommen'", so der 28-Jährige, der den Orts­namen stets mit angibt. Wenn er an einem schönen Ort ist, sollen schließlich auch andere von ihm profitieren können. An der Caló des Moro kann er an heißen Tagen kaum noch sein Handtuch ausbreiten, ohne auf dem ­seiner Nachbarn zu liegen. Aber ein Bildausschnitt, auf dem das nicht zu sehen ist, findet sich ja immer.