Hinweis: Dieses Interview ist erstmals im August 2019 erschienen.

Rechts am Tor zur Finca von Til Schweiger (55) bei Establiments steht ein großes Holzschild, auf dem steht „Fotografieren verboten, FKK-Bereich". Seit 2012 besitzt der Schauspieler das Anwesen, mit ihm leben dort zwei Esel, zwei Ponys, ein Pferd, drei Hängebauchschweine, Gänse, Hühner und „jede Menge Bergziegen". Bei fast 40 Grad im Schatten planschen seine Kinder mit Freunden im Pool. Wir gehen ins klimatisierte Haus, in fast jeder Ecke schläft eine Katze auf einem Stuhl oder den Sofas.

Wie oft sind Sie hier?

Ganz verschieden. Dieses Jahr war ich öfter hier, aber zunächst immer nur so drei, vier Tage. Jetzt bin ich seit Anfang Juli hier. Eigentlich sollte ich in den USA in Louisiana sein, um mit Bruce Willis einen Actionfilm zu drehen. Aber der ist verschoben worden. So kommt es, dass ich noch bis Ende August bleibe. Dann drehe ich in Köln einen neuen Film.

Wir haben Sie kürzlich bei der Aufzeichnung einer Talkshow hier auf Mallorca gesehen, in der es um Nachhaltigkeit und Plastikmüll im Meer ging. Seit wann haben Sie das Thema für sich entdeckt?

Erst vor Kurzem eigentlich, vor einem Jahr. Philipps Frau, die Line (gemeint sind Philipp Baier, der Gründer von Cleanwave, bei denen Kunden Mehrwegflaschen an Stationen in Palma kostenlos mit Wasser auffüllen können und seine Frau Line Hadsbjerg, eine Dokumentarfilmerin, Anm. d. Red.), hat mir einen Link zu ihrer Doku geschickt über die Plastikverschmutzung im Mittelmeer. Ich hatte davon gehört, dass es Plastikmüll im Meer gibt, klar, aber das dies solche Ausmaße angenommen hat, war mir nicht bewusst.

Was tun Sie, um Plastikmüll zu vermeiden?

Früher hatten wir hier haufenweise Plastikwasserflaschen. Ich habe dann irgendwann eine Osmose-Anlage am Wasserhahn einbauen lassen. Aber da kam das Wasser so spärlich raus, dass niemand die Geduld hatte, zwei Minuten zu warten, bis die Karaffe voll ist. Dann habe ich von Philipp eine Filteranlage gekauft. Seitdem gibt es hier keine Plastikflaschen mehr. Außerdem benutzen wir unsere Plastiktüten zum Einkaufen wieder.

Wird im Hause Schweiger über die Klima­erwärmung geredet?

Ja, am besten informiert ist da sicher meine Kleine, die Emma, die mir immer sagt, dass die Fleischproduktion die größte Umweltbelastung ist. Nicht nur, weil die Rinder die ganzen Methangase in die Atmosphäre pupsen, sondern weil zum Beispiel im Amazonas Wälder gerodet werden, um Weiden- und Futteranbauplätze zu schaffen. Und dann noch das ganze Wasser, das verbraucht wird. Meine Tochter Emma zwingt mich dazu, mir Filme über Massentierhaltung anzugucken. Schrecklich!

Aber Sie essen noch Fleisch?

Ja, aber ganz selten. Ich war mal eine Zeit lang Vegetarier, vor 15 Jahren. Mein Sohn ist Vegetarier.

Was halten Sie von der aktuellen Diskussion in Deutschland, dass Fleisch viel teurer werden soll?

Finde ich gut.

Benachteiligt das nicht die ärmeren Haushalte?

Das kann man so sehen. Aber dann muss man sich auch überlegen, was ist denn wichtig für die Welt? Das kann doch so nicht weitergehen. Das Fleisch ist ja so billig, weil es mit Antibiotika vollgestopft ist wegen der Massentierhaltung. Es ist ja auch nicht gesund, was die Leute da essen. Man muss Fleisch wieder zu etwas Besonderem machen, das war früher ja auch nicht anders. Man kann auch aus Kartoffeln viele leckere Gerichte kochen.

Was machen Sie noch, um die Finca so nachhaltig wie möglich zu halten?

Solarenergie haben wir leider nicht, weil wir hier in einem Naturschutzgebiet leben, sonst hätte ich schon alles mit Solarpaneelen vollgestellt.

Nun pendeln Sie wie viele unserer Leser zwischen Deutschland und Mallorca. Hört beim Thema Flugscham der Spaß auf, wenn es um die eigene Bewegungsfreiheit geht?

Wenn ich nach Mallorca will, dann muss ich ja fliegen.

Man könnte auch die Fähre nehmen.

Die pustet ja auch ordentlich Schadstoffe in die Luft. Ich habe mir jetzt aber auch noch nie ausgerechnet, welche Anreisemethode die beste Ökobilanz hätte.

In Ihren Restaurants wollen Sie sogenannte Sliderstraws einsetzen, die wiederverwendbaren Strohhalme, die bei der Talkshow vorgestellt wurden.

Ja. Plastik wird aus der Welt nicht verschwinden, wir müssen es sinnvoll wiederverwerten.

Sie sind als Multi-Unternehmer aktiv, Ihre Produktionsfirma Barefoot Films haben Sie um das Restaurant Barefood Deli in Hamburg erweitert, über www.barefootliving.de vertreiben Sie Mode und Einrichtungsgegenstände, am Timmendorfer Strand steht das Barefoot Hotel. Wann eröffnen Sie ein Hotel auf Mallorca?

Ich bin ja kein Hotelier. Bei dem Hotel am Timmendorfer Strand habe ich das Außen- und das Innendesign gemacht, als Namensgeber bin ich am Umsatz beteiligt.

Könnten Sie sich vorstellen, so etwas auch auf Mallorca zu machen?

Durchaus, ich habe mir auch schon Immobilien angeguckt und bei einer klappt es sogar vielleicht. Aber ich rede erst über Sachen, wenn sie definitiv stattfinden. Interesse ist auf jeden Fall da.

Verraten Sie, in welcher Ecke der Insel die Sache klappen könnte?

Das wäre dann vielleicht ein Hotel in Richtung Andratx. Das würde natürlich anders aussehen als das Barefoot-Hotel in Timmendorf, das hat ja eher so eine Optik, wie man sie an der die Ostküste Amerikas findet. Aber von den Materialien her wäre das ganz ähnlich.

Außerdem wollen Sie ein Donau-Ausflugsboot als schwimmendes Restaurant betreiben. Wieso ist das erfolgversprechend?

Weil es so ein Boot noch überhaupt nicht gibt. Die Ausflugsdampfer sehen doch alle gleich aus, da gibt es eine Fläche und noch eine Fläche, da ist kein Leben drin. Die Reederei fährt das Boot noch bis Ende September. Dann kommt es in die Werft, wird komplett entkernt und umgebaut. Im April soll es dann zu Wasser gelassen werden.

Was für ein Restaurant kommt an Bord?

Im Juli haben wir Henry Likes Pizza in Hamburg eröffnet, an Bord soll es auch ein Henrys'-Restaurant geben.

Die Pizza kann man sogar vertikal im Karton tragen, wie man bei Ihnen auf Instagram sehen kann. Was ja gleich für Schlagzeilen gesorgt hat, ob denn der Til Schweiger nicht wisse, wie man eine Pizza im Karton trägt ...

Das war auch wieder so geil. Das Foto entstand bei Dreharbeiten, als die Pizzeria gerade aufgemacht hatte. Als ich ankam, haben sie mir zuerst den schönen Karton gezeigt - der leer war. Da habe ich den Karton unter den Arm genommen, mein Bruder hat ein Foto gemacht und ich habe das auf Instagram gepostet. Man glaubt es ja nicht, was aus so einer Geschichte dann gemacht wird.

... haben Sie gelesen, was „Der Westen" geschrieben hat, nachdem Sie ein Kindheitsfoto von Sophia Thomalla gelikt haben?

Nee, ich lese so einen Scheiß nicht mehr. Bis vor vier Jahren hatte ich noch einen Google-Alert eingestellt, damit ich weiß, was so über mich verbreitet wird. Aber nach der Flüchtlingskrise habe ich das ausgeschaltet. Damit geht es mir besser.

Wir sagen es Ihnen trotzdem einmal, die Zeile lautete: „Sophia Thomalla teilt intimes Bild: Dann rastet Til Schweiger völlig aus".

Und wie bin ich ausgerastet? Da habe ich doch irgendetwas geschrieben wie supersüß oder so. Und das ist ausrasten? (lacht). Aber ich kann das erklären. Mir hat ein ehemaliger Chefredakteur einmal ganz stolz eine App auf seinem Handy gezeigt und gesagt, das sei eine proaktive App, wo er jede Sekunde jeden Artikel verfolgen kann, um zu sehen, wie gut er sich klickt. Diese proaktive App lernt und schlägt auch vor, wie man die perfekte Überschrift zusammenbastelt. Ich solle es nicht persönlich nehmen, aber Til-Schweiger-Nachrichten klicken nun einmal am besten, wenn sie mit gewissen Schlagwörtern verbunden sind wie „wütet", „rastet aus" oder „flippt aus".

Sie haben das dann schon ziemlich persönlich genommen ...

Ja klar! Die benutzen meinen Namen, um damit ihre Klickraten zu erhöhen und damit Werbung zu verkaufen. Das Anzeigenvolumen in den Printauflagen ist zurückgegangen und so versuchen sie, das zu kompensieren.

Sich bei Instagram zurückzuhalten, daran denken Sie aber nicht?

Nö, ich bin ja Neu-Instagramer, seit einem Jahr dabei, und habe mich eigentlich komplett aus Facebook zurückgezogen. Meine Kinder haben mir immer gesagt, Papa, keiner in unserer Altersgruppe ist mehr auf Facebook. Du musst zu Snapchat und Instagram.

Wie man auf Ihrem Instagram-Account verfolgen kann, scheint auf Ihrer Finca immer gut was los zu sein ...

... ja! Jetzt ist es gerade ruhig hier. Jetzt sind nur drei meiner Kinder da mit Anhang. Heute ist ein Freund abgefahren, morgen kommen wieder zwei Leute. Manchmal ist die Bude ganz schön voll und wir müssen gucken, wo wer schläft.

Brauchen Sie den Trubel, um abzuschalten? Mallorca ist doch eigentlich Ihr Ruhepol.

Ich bin nicht der Typ, der fünf Stunden auf der Luftmatratze durch den Pool floatet. Ich bin gerne mit Menschen zusammen, mit Freunden, die mich zum Lachen bringen, mich inspirieren. Das Haus ist eigentlich das ganze Jahr über belegt. Das finde ich viel schöner, als wenn ich das Haus beim Verlassen abschließe und erst in einem halben Jahr wiederkomme.

Manchmal kann der Trubel auch zu viel werden, wie zum Beispiel bei dem Vorfall mit Ihrem Ex-Nachbarn Jan Ullrich. Haben Sie noch Kontakt?

Zu ihm direkt nicht. Sein bester Freund schickt mir ab und zu mal ein Update. Und es geht Jan gut. Keine Drogen mehr, kein Alkohol.

Haben Sie die Geschichte damals ganz bewusst an die Medien gegeben?

Ne, ich war völlig genervt nach dem stundenlangen Drama. Drei Stunden ging die Sache mit Jan, dann kamen immer neue Polizisten, die kein Englisch sprachen, bis nach sechs Stunden ein Vorgesetzter da war, der Englisch konnte. Als ich dachte, der Spuk ist jetzt vorbei, mussten wir noch mit aufs Polizeirevier. Dann rief mich jemand von der „Bild-Zeitung" an und sagte, sie hätten heiße Informationen, Jan Ullrich hätte mich mit einer Eisenstange attackiert. Das stimmte aber gar nicht. Totaler Blödsinn. Ja, es gab Stress. Ich habe aber nicht gesagt, was genau passiert ist. Das habe ich bis heute nicht gesagt, weil das schon heftig war.

Rückblickend alles richtig gemacht?

Seine ganzen Freunde haben mir geschrieben, danke Til, das hat den Stein in Rollen gebracht und zu seiner Umkehr beigetragen.

Auch Sie mussten einen Tiefpunkt, wenn auch einen ganz anderen, verkraften. Nachdem die US-Adaption von „Honig im Kopf" mit Nick Nolte als Hauptdarsteller in den USA gefloppt ist.

Die Version ist ja nicht gefloppt. In Deutschland ist sie gefloppt, da kam der Film mit 350 Kopien ins Kino, wurde anständig beworben - und keiner wollte ihn sehen. Da kann man sagen, das war ein richtiger Flop. Was natürlich nicht geholfen hat, war die brachiale Berichterstattung über den angeblichen Flop in Amerika. Wir sind in Amerika nicht gefloppt, wir haben da gar nicht stattgefunden. Der Film lief eine Woche lang in vier Kinos, zwei in New York, zwei in Los Angeles. Es gab keine Werbung, gar nichts.

Warum lief der Film in vier US-Kinos?

Weil ich nicht wusste, wie das da drüben läuft. Ich wollte, dass der Film den Minimalrelease bekommt, damit er sich für die Golden Globes und die Oscars qualifiziert. Dafür muss der Film mindestens in vier Kinos laufen. Der Verleih hat gesagt, okay, dann machen wir das so. Es gab allerdings keine Kampagne, die notwendig gewesen wäre. Die Jury der Golden Globes hat den Film nicht mal gesehen.

Wie sehr hat Sie das getroffen?

Sehr. Wir hatten ja alle wahnsinnige Hoffnungen. Viele Leute aus der Branche haben den Film gesehen und gesagt, dass Nick eine richtig gute Chance auf eine Oscarnominierung hat. Er ist überragend in dem Film. Wir waren ein halbes Jahr voller Hoffnungen und haben dann gemerkt, wir hatten noch nicht mal den Hauch einer Chance.

Sie haben sich hier auf Mallorca erholt?

Ich habe mich erst erholen können, als ich wieder in der Lage war zu schreiben, und das war tatsächlich auf Mallorca. Aber ich habe drei Monate lang echt ... also, das war schon heftig. Das war der Tiefpunkt meines Schaffens. Ich hatte ja schon einige Tiefpunkte, aber das war der absolute Tiefstpunkt. Im März habe ich dann zusammen mit Lo Malinke das Drehbuch für „Die Hochzeit" geschrieben, und es ist richtig toll geworden. Die Drehzeit war superschön und hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Seitdem geht es mir wieder richtig gut.

2015 fand die Mallorca-Premiere zu „Honig im Kopf" im Cineciutat statt, die MZ hat das damals präsentiert. Können Sie sich vorstellen, solch ein Event hier zu wiederholen?

Die Hauptpremiere muss ja immer da sein, wo das Hauptfördergeld herkommt. Aber, na klar, wir haben auch kleine Premieren wie auf Mallorca gemacht. So etwas kann ich mir jederzeit wieder vorstellen.

Welchen Film haben Sie sich zuletzt im Kino angesehen, den Sie richtig gut fanden?

Das war im Februar, ein deutscher Film, der hieß „Kalte Füße". Der lief leider auch total unter dem Radar, war aber großartig. Mit Heiner Lauterbach, großartige Comedy. Der hätte auch ein Millionenpublikum verdient.