Ein Fauxpas der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" gab Mitte der 90er-Jahre Starthilfe. Damals habe man eine Meldung über seine neu eröffnete Sprachschule veröffentlichen wollen, erzählt Edgar Knerr, auch eine Fotografin sei gekommen. Am nächsten Morgen begegnete der Deutsche in seinem damaligen Wohnort Biniamar dem Wirt, in dessen Kneipe er am Abend zuvor gut gegessen hatte. „Y las albóndigas, qué?" (Und was ist mit den Fleischklößchen?), habe dieser geschimpft und empört die Tageszeitung geschwungen: Knerrs Bild zierte den Artikel über einen in Hungerstreik getretenen Deutschen. „Das war denen bei der Zeitung so peinlich, dass sie noch einmal einen großen Artikel nachgeschoben haben, der uns dann viele Kunden gebracht hat", erinnert sich der hagere 70-Jährige.

Der in Neunkirchen (Saar) aufgewachsene Knerr eröffnete seine Sprachschule Dialog am 1. Oktober 1994. Mehr als 10.000 Schülern hat er seither eine Fremdsprache beigebracht. Bevor es ihn nach Mallorca verschlug, war er acht Jahre im Goethe-Institut Madrid als Deutschlehrer tätig. Dort lernte er auch seine spätere Frau kennen. Nach der Heirat wollten die beiden gemeinsam etwas aufbauen, zogen nach Mallorca: „Und zwar genau zum richtigen Zeitpunkt. Es gab hier Nachfrage für Sprachunterricht, aber keine Schule", erinnert sich Knerr.

Aus einer mach zwei

Ein Jahr nach der Eröffnung von Dialog, damals beim Mercat de l'Olivar, machten sie auch eine deutsche Buchhandlung im Carrer Sant Feliu auf, später legten sie beide Unternehmen im Carrer del Carme zusammen. Es folgten glückliche Jahre und die Geburt der gemeinsamen Zwillinge im Jahr 2002, doch irgendwann „ging es privat schief, und dann klappt es ja auch meist beruflich nicht mehr zusammen", so Knerr. Im März 2014 trennten sich die beiden auch geschäftlich, sie blieb im alten Ladengeschäft, er verließ den Carrer del Carme und zog mit dem alten Namen, der Sprachschule und einer Buchhandlung knapp 150 Meter weiter an die Ramblas.

Die Buchhandlung hat er Anfang diesen Jahres aufgegeben, „das lohnte sich einfach nicht mehr." Nicht nur wegen der Konkurrenz des Online-Buchhandels, sondern auch, „weil die Leute viel weniger lesen als früher", sagt er. Das werde auch ein Problem für die immer größere Zahl von Kindern aus gemischten Ehen. „Die sprechen dann meist gut Deutsch, aber schriftlich €" Zwei- oder mehrsprachige Erziehung ist ein Steckenpferd von Knerr, nicht zuletzt wegen der eigenen Erfahrung. Bei seinen Zwillingen hätten sich Deutsch-Diktate, die er sie zu Hause schreiben ließ, bewährt. „Und ganz viel vorlesen, um die Kinder so zum Lesen zu bringen", empfiehlt er. Das Interesse der Eltern an der Vermittlung der eigenen Muttersprache sei ausschlaggebend.

Das treffe auch auf seinen Unterricht zu: „Ich bin ein guter Lehrer, weil ich meine Sprache liebe. Das kommt rüber", so Knerr. Und bleibt in Erinnerung: Mittlerweile seien seine Schüler oft Kinder von Eltern, die auch schon bei ihm Deutsch gelernt hätten. Werbung sei da gar nicht mehr nötig. „Der Ruf meiner Schule ist sicher besser als meiner", kommentiert Knerr, der für seine direkte Art bekannt ist.

In 25 Jahren hat sich viel verändert, nicht zuletzt das Vokabular. Das Verfassen einer E-Mail, heute ein Standard auf dem Stundenplan, sei bei der Gründung von Dialog noch gar kein Thema gewesen. Auch die Unterrichtstechnik hat sich gewandelt, wo früher das Hörverständnis mittels Kassetten geübt wurde, kommt der Ton heute direkt von der digitalen Tafel. „Es ist insgesamt alles viel visueller geworden", sagt Knerr. Die vielen mittlerweile verfügbaren Sprach-Apps sieht er nicht als Bedrohung für seine berufliche Existenz. „Die können als Ergänzung zum Unterricht ganz gut sein, aber ansonsten ist das Schwachsinn, Zeitverschwendung", urteilt er rigoros.

Knerr bietet sowohl Spanisch- als auch Deutsch-Kurse an, wobei Letztere den Großteil des Geschäfts ausmachen: In Sachen Sprachkurs-Tourismus hat das Festland die Nase vorn.

Seine Deutschschüler sind heute vermehrt von den Eltern geschickte Jugendliche. „Deutsch wird in den Schulen zunehmend aus dem Lehrplan gestrichen, und wenn es doch auf dem Stundenplan steht, dann ist beim Lehrpersonal ehrlich gesagt oft noch Luft nach oben." Ihm komme das zugute.

Eine weitere Schülergruppe seien Mitarbeiter der Tourismusbranche. Die hätten besondere Bedürfnisse: „Im Sommer haben sie neben der Arbeit keine Zeit zu lernen, da werden die Vokabeln eben im Unterricht gepaukt." Zudem bietet er den gleichen Kurs zu zwei, drei oder vier verschiedenen Uhrzeiten an, damit Schichtarbeiter je nach Arbeitszeit von einem zum anderen wechseln können.

Leidenschaft wecken

Die Leidenschaft für die neue Fremdsprache zu wecken, sei wichtiger als alles andere, resümiert Knerr seine Erfahrung. „Sprache ist ein Produkt, und ich muss die Braut aufhübschen, wie man so schön sagt." Neben der vergleichsweise einfachen Aussprache fasziniere die Spanier vor allem das Konzept der zusammengesetzten Substantive, „Nummernschildbefestigungsschraube" nennt er als Beispiel.

Während Mitarbeiter der Tourismusbranche meist recht motiviert in die Kurse kämen, sähe das bei den Jugendlichen manchmal anders aus. „Ich hatte kürzlich den Fall eines 16-Jährigen, dem sein Vater den Kurs bezahlte. Er wollte das eigentlich partout nicht, aber nach einer Woche Intensivkurs hat er von sich aus entschieden, direkt weiterzumachen." Erfolgserlebnisse wie dieses freuen Knerr sichtbar. „Sprache lehren ist sehr repetitiv, man muss die Tätigkeit und die Menschen mögen, sonst stumpft man ab und wird mechanisch."

Neben Firmen, die ihre Mitarbeiter zu Knerr schicken, sei gerade ein weiterere Kundenkreis im Kommen: Die Zahl der Ärzte, die zum Arbeiten nach Deutschland ziehen wollen und dafür den B2-Abschluss brauchen, ginge merklich nach oben. Durch seine nach wie vor bestehenden Kontakte zum Goethe-Institut weiß Knerr, dass in anderen Ländern die Nachfrage nach Deutsch-Kursen deutlich gestiegen ist. In Spanien sei das derzeit nicht der Fall, wofür es seiner Meinung nach eine ganz einfache Erklärung gibt: „Je besser es der Wirtschaft geht, desto schlechter geht es den Sprachschulen. Sprachschulen sind ganz klare Krisengewinner."