Am Platz vor dem alten Luis Sitjar Stadion beim Park de sa Riera in Palma de Mallorca hört man derzeit Zirkusmusik und Kinderlachen, es riecht nach Crêpes mit Schokolade und Zuckerwatte, Clowns mit roten Nasen treiben ihre Späße. So weit, so normal, wenn ein Zirkus in der Stadt ist. Doch der Circ Històrico Raluy ist anders. Er wirkt, als ob er aus der Zeit gefallen wäre. Die hölzernen Zirkuswagen sehen nicht nur so aus, als ob sie bereits ein Jahrhundert auf Buckelpisten hinter sich haben. Die meisten Gefährte stammen aus den 20er-Jahren, sind aber tipptopp in Schuss. Ein grüner Oldtimerbus steht zum Staunen bereit vor dem Zelt, ebenso wie ein historisches Feuerwehrauto. Der Circ Històrico Raluy versteht sich als rollendes Museum.

Gegründet wurde der Zirkus in den 70er-Jahren von den Artisten Lluís Raluy und seiner Frau Mariana in Barcelona. Die beiden gingen ihrer Leidenschaft nach, historische Zirkus-wagen zu sammeln und zu restaurieren. Mit ihnen zogen sie von Ort zu Ort.

„Es ist wichtig, dass das Publikum weiß, woher der Zirkus kommt, was er früher war und was er heute ist", sagt der jetzige Direktor Carlos Raluy. Er ist eines von vier Kindern des Gründerehepaares. „Unser Fuhrpark ist ein Alleinstellungsmerkmal und international." Der grüne Oldtimerbus etwa kommt aus Deutschland, ebenso wie einige der Wohnwagen. „Solche rollenden Behausungen wurden1920 in Spanien nicht hergestellt. Wir haben sie in Deutschland Artisten und alten Zirkussen abgekauft, sie repariert und restauriert, sodass sie wieder straßentauglich wurden. Wir haben auch Wagen aus England, wie zum Beispiel unseren Hotelwohnwagen", sagt er. 200 Euro kostet eine Nacht im Doppelzimmer des 1939 gebauten Wohnanhängers. Popcornfrühstück exklusive. Doch die meisten Gäste kommen natürlich wegen der Vorstellung.

Nach dem Einlass ins Zirkuszelt fällt der Blick unweigerlich in die beleuchtete Kuppel und der malerischen Darstellung von Engelsgestalten und fliegenden Pferden in einem Wolkenmeer. Die Gestaltung sei angelehnt an die Sixtinische Kapelle, hatte der Zirkusdirektor gesagt - na ja € Die Besucher, darunter vor allem Familien mit Kindern, nehmen ihre Plätze ein. Clown Sandro und sein Kollege eröffnen die Vorstellung, danach kommt ein Schlangenmensch, der in einem Froschkostüm auftritt. Ungewöhnlich ist das allemal. Danach wickelte eine Tuchakrobatin das

Publikum um den Finger, ein Jongleur zeigte sein Können und immer überbrücken die Clowns die Wartezeiten bei den Umbauarbeiten. Durchaus lustig. Nach einer Stunde ist Pause. Eine gute Gelegenheit, sich den historischen Cafeteria-Wagen anzuschauen. An den Wänden hängen Fotos, Zeitungsartikel, alte Werbeschilder aus Blech. Platz nehmen kann man auf Stühlen, deren Lehnen wie Coca-Cola-Flaschen aussehen. Eine hervorragende Kulisse, um ein Selfie mit dem Handy zu machen und in den sozialen Netzwerken zu teilen. Der Circ Històrico Raluy verfügt tatsächlich über eine gewisse Instagramability.

Die zweite Hälfte der Vorstellung startet mit einer Zaubershow. Ein Magier lässt eine Frau aus einem Gemälde steigen, um sie kurze Zeit später mit einem Tuchtrick wieder verschwinden zu lassen, oder sie mit anderen Frauen aus einer Kiste zu zaubern. Als der Magier am Ende selbst verschwindet, ist die Nummer im Kasten und nicht nur die Kinder bekommen große Augen.

Ein Artist, der Gesicht und Arme mit schwarzen Tribals bemalt hat, kommt oberkörperfrei in die Manege und präsentiert seine Muskelpakete, bevor er im Anschluss Metall verbiegt und gegen acht Männer aus dem Publikum beim Tauziehen antritt - vielleicht ein bisschen oldschool. In der Manege sind 15 Artisten an der Show beteiligt, 45 Personen sorgen für den reibungslosen Ablauf rund um den Zirkus. „Nicht nur der Fuhrpark, auch der Rest des Zirkus ist international. Wir sind Spanier, Deutsche, Portugiesen, Italiener und viele Nationalitäten mehr", sagt Carlos Raluy. Seine Frau kommt aus Deutschland. Tiere gibt es in seinem Zirkus keine. Dies war allerdings keine bewusste Entscheidung. „Wir haben immer Akrobatiknummern gemacht, aber wir sind keine Spezialisten für Tiere. Für uns war es daher kein Problem, dass seit etwa acht Jahren ein Wandel stattfindet und Tiere im Zirkus nicht mehr so erwünscht sind." Das bringe auch einen weiteren Vorteil mit sich: „Es gibt immer Probleme mit Anwohnern, da die Tiere nachts laut sind und es stinkt. Deshalb bekommt der Zirkus mit Tieren dann oft einen Platz am Stadtrand und nicht wie wir jetzt im Zentrum."

Das Ende der Show geht noch mal ans Herz, ein kleines Mädchen lässt eine Puppe zu der diesmal traurigen Musik eines Clowns tanzen. Zum Abschied winkt sie und verschenkt die Puppe an ein Kind aus dem Publikum. Auch

so geht Zirkus.

Information

Zirkus mit Geschichte

Standort: Am alten Luis Sitjar Stadion, Park de Sa Riera in Palma de Mallorca.

Noch bis 3. November. Karten ab 15 Euro. Website: www.raluy.com